Stadt Wien, Innenstadt, Ring
Nach den vorliegenden Plänen soll die Anzahl der Einfahrten in die Wiener Innenstadt vom Ring aus deutlich reduziert werden. Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) rechnet mit vier Millionen weniger Pkw-Einfahrten pro Jahr in die Wiener City.
Picturedesk/Gredler-Oxenbauer

Pläne für eine Verkehrsberuhigung der Wiener Innenstadt werden seit Jahren gewälzt. Vor genau einem Jahr wurde zudem eine Machbarkeitsstudie mit einem konkreten Vorhaben von der Stadtregierung und dem Ersten Bezirk präsentiert. Diese sieht im Wesentlichen vor, dass nur noch Anrainer und einige weitere Ausnahmen wie Wirtschaftstreibende, Taxis und Lieferanten ohne Beschränkungen wie bisher die Innenstadt ansteuern dürfen. Alle anderen Autofahrerinnen und Autofahrer müssen ihre Pkws in einer Garage abstellen – oder sie müssen den Ersten innerhalb von 30 Minuten wieder verlassen. Länger Parken an der Oberfläche ist demnach nicht mehr erlaubt. Die bisher 34 Ein- und Ausfahrten in die City sollen um acht auf 26 reduziert werden. Autofahrerinnen und Autofahrer, die gegen diese geplanten neuen Regeln verstoßen, sollen gestraft werden.

Die Pläne sehen die Streichung von acht Ein- und Ausfahrten vor.
Grafik: DER STANDARD

Um die neuen Bestimmungen auch wirksam kontrollieren zu können, plant die Stadt Wien eine Überwachung der Ein- und Ausfahrten mittels Videokameras, die die Kennzeichen erfassen und in einer Datenbank abgleichen können. Durch weitere Kameras bei den Parkgaragen wird festgestellt, dass ein einfahrendes Auto auch in einer Garage abgestellt wird. Fährt ein Nichtanrainer in die Innenstadt und kann ihm nachgewiesen werden, dass er nicht innerhalb einer halben Stunde eine Parkgarage ansteuert oder die City wieder verlässt, sollen Strafen ausgestellt werden. Um ein solches Videoüberwachungssystem rechtlich implementieren zu können, braucht es aber eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese liegt bis dato aber noch nicht vor: Das Verkehrsministerium unter Leonore Gewessler (Grüne) hat hier vor allem datenschutzrechtliche Bedenken vorgebracht, die es noch zu prüfen gelte. Mehrmals warf Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) Ministerin Gewessler in den vergangenen Monaten Untätigkeit vor.

In die Sache ist nun aber Bewegung gekommen: Wie das Ministerium bekanntgab, sei zuletzt in den vergangenen Monaten intensiv daran gearbeitet worden, eine Zufahrtskontrolle mittels Videoüberwachung in der StVO zu verankern. "Diese Arbeiten sind nun abgeschlossen, und der entsprechende Entwurf ist in regierungsinterner Abstimmung", hieß es zum STANDARD. Auf Nachfrage wurde betont, dass der Entwurf erst am Mittwoch von grüner Seite fertig geworden sei – und dem Koalitionspartner ÖVP demnach erst ganz frisch vorliegt. "Nach Zustimmung des Koalitionspartners kann der Entwurf in Begutachtung gehen."

Die Arbeiten an der StVO-Novelle hätten laut einem Sprecher des Verkehrsministeriums auch deshalb so lange gedauert, weil die geplante Kameralösung den Erfordernissen des Datenschutzes genügen müsse und das Gesetz auch langfristig Bestand haben soll. Ein Streitpunkt war etwa, wie Datenschutz sichergestellt ist, sollten auch unbeteiligte Passanten oder Fahrradfahrer gefilmt werden. Demnach soll sichergestellt werden, dass mit den Kameras nur Autos erfasst werden. Wie lange die Verhandlungen mit der ÖVP zur StVO-Novelle dauern werden, könne nicht prognostiziert werden, hieß es. Jedenfalls sei nach einer Einigung eine sechswöchige Begutachtungsfrist vorgesehen.

Breite Front für Umsetzung der Kamera-Lösung

Wiens Verkehrsstadträtin Sima bemängelte am Freitag erneut, dass die fertige StVO-Novelle noch nicht vorliegt. Die verkehrsberuhigte Innenstadt sei "eines der größten Klimaschutz-Projekte, die wir in Wien umsetzen wollen". Sie warte bislang vergeblich auf Gewesslers Novelle. Sima rechnet durch die Beschränkungen mit rund vier Millionen Pkw-Einfahrten pro Jahr weniger in die City. Unterstützung erhielt Sima von Markus Figl (ÖVP), dem Bezirksvorsteher der Inneren Stadt: Das Projekt dürfe nicht an einer Datenschutzfrage scheitern, sagte er. Auch Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, sprach sich für die kamerabasierte Zufahrtslösung aus: Das Vorhaben sei "klug und in die Zukunft gerichtet". Figl sprach zudem den hohen Nutzungsdruck in der Innenstadt an: Es stelle sich die Frage, wie man die öffentlichen Flächen künftig bestmöglich verwerte. Er stellte einen Rückbau von Stellplätzen in Aussicht, dafür sollen mehr Aufenthaltsflächen und mehr Grün geschaffen sowie mehr Bäume gepflanzt werden. Konkrete Pläne gibt es aber noch nicht. Das wiederum kritisieren die Wiener Grünen, die von der rot-pinken Stadtregierung eine "Begrünungsoffensive und menschenfreundliche Umgestaltung der Innenstadt" verlangen. Sima schiebe die Verantwortung an andere ab, sagte der grüne Mobilitätssprecher Kilian Stark.

Obwohl ein erster Entwurf für eine StVO-Novelle nun in der türkis-grünen Bundesregierung behandelt wird, ist es noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung der geplanten Kamera-Überwachung. Das mit der Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie für das Wiener Modell beauftragte Verkehrsplanungsbüro Traffix schätzte im Vorjahr, dass selbst nach Inkrafttreten der Novelle noch mit zwei bis zweieinhalb Jahren Arbeitszeit zu rechnen sei. Immerhin muss das Kamera-Modell auch noch ausgeschrieben werden. Eine Umsetzung vor den Wien-Wahlen 2025 dürfte sich also eher nicht mehr ausgehen. Die geschätzten Kosten für die Kamera-Lösung sind nicht ohne: Laut Dokumenten aus dem Lenkungsausschuss vom Mai 2022 könnten rund 18,6 Millionen Euro für die Inbetriebnahme fällig werden, dazu sollen laufende Kosten von rund 2,4 Millionen Euro pro Jahr dazu kommen.

24 Städte interessieren sich für Kamera-Modell

Mit dem Wunsch nach einem Kamera-Modell für die Umsetzung einer Verkehrsberuhigung ist Wien nicht alleine: Der Städtebund verwies am Freitag in einer Aussendung, dass insgesamt 24 Städte in Österreich "automatisierte Ein- und Zufahrtskontrollen nach italienischem Vorbild" fordern würden. Angeführt wurden neben Wien auch die Landeshauptstädte Graz, Salzburg, St. Pölten, Linz, Bregenz und Innsbruck. Auch die Städte Baden bei Wien, Braunau, Bruck an der Mur, Korneuburg, Krems, Leoben, Leonding, Liezen, Lustenau, Murau, Ried im Innkreis, Strasshof an der Nordbahn, Villach, Voitsberg, Wiener Neudorf, Wiener Neustadt und Wolfsberg hätten Interesse bekundet. (David Krutzler, 13.10.2023)