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Die Cofag wird wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.
PHILIP STOTTER / APA / picturede

Nach massiver Kritik durch den Rechnungshof und Tadel der EU-Kommission tritt für die Corona-Förderagentur Cofag nun das Wort-Case-Szenario ein: Der Verfassungsgerichtshof hebt die Konstruktion wegen Verfassungswidrigkeit auf. Die "Aufgabenübertragung" auf die privat organisierte Gesellschaft sei unzulässig gewesen. Aufgehoben werden nicht nur Teile des Abbag-Gesetzes, mit dem die Cofag gegründet wurde, sondern auch bestimmte Förderrichtlinien.

Die aktuelle Entscheidung hat keine Auswirkungen auf bereits ausgezahlte Hilfen und vorerst auch keine Auswirkungen auf noch offene Förderanträge. Die Aufhebung tritt laut der Entscheidung erst mit 31. Oktober 2024 in Kraft. Das soll dem Gesetzgeber die Möglichkeit geben, nähere Regelungen für die Abwicklung der Cofag zu treffen. Zudem können vorerst auch weiterhin die Finanzhilfen ausbezahlt werden, heißt es in einer aktuellen Aussendung des VfGH.

Kritik der Opposition

Die Covid-19-Finanzierungsagentur, kurz Cofag, wurde kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020 von der türkis-grünen Bundesregierung ins Leben gerufen. Sie sollte Finanzhilfen bis zu einem Höchstbetrag von 19 Milliarden Euro ausbezahlen. Dass die Regierung die Cofag als GmbH – also als private Gesellschaft – gründete, sorgte bei der Opposition rasch für Kritik. Sie bemängelte eine eingeschränkte parlamentarische Kontrolle.

Nach einem Antrag der Wiener Lokalbahnen, die sich bei der Fördervergabe übergangen fühlten, leitete der Verfassungsgerichtshof Ende des vergangenen Jahres von Amts wegen eine Gesetzprüfung ein. Schon aus dem Einleitungsbeschluss des Verfahrens war ablesbar, dass die Höchstrichterinnen und Höchstrichter die Konstruktion als äußerst kritisch betrachten. Im aktuellen Erkenntnis werden diese Zweifel nun bestätigt.

Aufgabe der Staatsverwaltung

Im Wesentlichen kritisiert der Verfassungsgerichtshof, dass der Staat mit der Cofag Aufgaben der staatlichen Verwaltung in einen privaten Rechtsträger ausgegliedert hat. Eine derartige Ausgliederung kann zwar grundsätzlich zulässig sein, allerdings müssen dabei bestimmte Voraussetzungen gegeben sein.

Aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs war das bei der Cofag nicht der Fall. Die Ausgliederung verstößt etwa gegen das "Sachlichkeitsgebot". So habe die die Agentur nicht über die "notwendige Sachausstattung" verfügt, um ihre "Aufgaben in einer Art und Weise besorgen zu können", die mit der staatlicher Organe gleichwertig ist. Die Cofag habe vielmehr erst recht auf das Finanzonline-System der Finanzämter zurückgreifen müssen.

Aufgehoben hat der Verfassungsgerichtshof zudem eine Bestimmung, wonach Unternehmen keinen Rechtsanspruch auf die Förderungen haben. Die Finanzhilfen seien eine Entschädigung für "epidemierechtliche Maßnahmen" wie Lockdowns. In solchen Fällen muss es laut dem Höchstgericht einen Rechtsanspruch geben.

Ausschluss öffentlicher Unternehmen zulässig

Bei den konkreten Förderrichtlinien, die vom Finanzminister erlassen wurden, trifft der VfGH eine differenzierte Entscheidung. Dass öffentliche Unternehmen von den Finanzhilfen ausgeschlossen wurden, sei zulässig gewesen. Hier habe der Finanzminister in den Förderrichtlinien einen "Regelungsspielraum". Die Regierung dürfe zwischen privaten Unternehmen und solchen im alleinigen Eigentum der öffentlichen Hand differenzieren.

Unzulässig war es hingegen, Unternehmen von den Förderungen auszuschließen, wenn sie in den letzten fünf Jahren Finanzstrafen in der Höhe von über 10.000 Euro bekommen hatten. Es sei zwar zulässig, Fördervergaben an steuerliches Wohlverhalten zu knüpfen. Der Finanzminister habe allerdings auf den Zeitpunkt der Verhängung der Strafe abgestellt und nicht auf den Zeitpunkt des Vergehens. Das habe dazu geführt, dass Unternehmen ausgeschlossen waren, deren Finanzvergehen schon viele Jahre zurücklagen. Die Aufhebung der Förderrichtlinien erfolgt bereits am 15. April 2024. Bei Verordnungen beträgt die maximale Frist dafür sechs Monate nach der Entscheidung, betont der VfGH.

Auswirkung auf künftige Ausgliederung

Aus Sicht von Peter Bußjäger, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, hat die Entscheidung "eine gewisse Sprengkraft für künftige Ausgliederungen". In der Praxis ist es üblich, dass der Staat Förderungen über ausgegliederte Rechtsträger abwickelt. Zwar könne er das künftig weiterhin tun, der Gerichtshof hat die Voraussetzungen aber verschärft.

Auch beim Thema Rechtsanspruch habe der VfGH möglicherweise einen Präzedenzfall geschaffen, sagt Bußjäger im Gespräch mit dem STANDARD. Die Formulierung, dass "keine Rechtsanspruch auf eine Förderung" bestehe, gibt es in zahlreichen bestehenden Gesetzen. Bei den Coronahilfen liege eine "Spezialsituation" vor; dennoch stelle sich nun in vielen Fällen die Frage, ob der Staat einen Rechtsanspruch einräumen muss und was das konkret bedeutet.

"Offene Fälle werden erledigt"

Wie der STANDARD berichtete, hat das Finanzministerium für nächstes Jahr noch Cofag-Zuschüsse in der Höhe von 450 Millionen Euro budgetiert. Kommentieren wollte das Ministeriums die Zahl nicht. Man betonte allerdings, dass "noch offene Fälle selbstverständlich erledigt" werden. Ein genaues Konzept zur Abwicklung der Cofag wolle man nach der nunmehr ergangenen Entscheidung des VfGH erarbeiten.

Bei den noch offenen Anträgen dürfte es mitunter zu einer Kürzung der Förderungen kommen. Dies nicht aufgrund der aktuellen VfGH-Entscheidung, sondern deshalb, weil Österreich in den Förderrichtlinien Höchstbeträge der EU-Kommission überschritten hat. Betroffen sind tendenziell größere Unternehmen, betont das Finanzministerium. (Jakob Pflügl, 17.10.2023)