Brandteich im Bezirk Gmünd
Der Brandteich im Bezirk Gmünd lockt als Badesee Besucherinnen und Besucher an. Die Teiche des Waldviertels sind aber auch Anlaufpunkt für tierische Zeitgenossen.
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Der Gewässerökologe Martin Kainz ist begeistert von den Waldviertler Fischteichen, und das nicht nur wegen ihrer reizvollen Landschaftsprägung. Viel mehr noch begeistert ihn, dass die Karpfenzucht in diesen teils jahrhundertealten Teichen eine sehr nachhaltige Form der Lebensmittelproduktion sei und die Biodiversität positiv beeinflusse. Wie groß die ökologische Bedeutung der Waldviertler Teichlandschaften ist und wie sich klimatische Veränderungen auf sie auswirken werden, will der Ökologe gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (Boku) in den kommenden zwei Jahren im Raum Gmünd untersuchen.

Beteiligt ist auch die Geosphere Austria, eine Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums. Das Projekt "Teichfit" wird vom Land Niederösterreich gefördert. Die Waldviertler Teiche wurden ab dem 13. Jahrhundert angelegt, um Karpfen als wertvolle Proteinquelle und fettreiche Fastenspeise zu züchten. Sie werden von Bächen oder Niederschlagswasser gespeist. Ende Oktober wird das Wasser abgelassen, und die Karpfen werden abgefischt. Die großen Fische werden in Frischwasserbecken gehältert und später geschlachtet, die kleineren wieder in einen Teich gesetzt.

Karpfen sind Friedfische, sie fressen also keine importierten Pellets aus Meeresfisch, sondern Zooplankton, das sie im Teich finden. Bei Bedarf wird Getreide aus der Region zugefüttert. Das mache den Karpfen zu einem sehr nachhaltigen Lieferanten von Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren, sagt Kainz, und er sei sehr schmackhaft. Nicht zuletzt sind die künstlich angelegten Gewässer ein wertvoller Lebensraum für Insekten und für Tiere, die sich von Insekten ernähren. "Die Teiche haben eine enorme Biodiversität", schwärmt Kainz, der am Wassercluster Lunz arbeitet und Professor für Ökosystemforschung und Ökosystemgesundheit an der Universität für Weiterbildung in Krems ist.

Lebensraum und Futterstation

Am 38 Hektar großen Jägerteich bei Waidhofen an der Thaya wurden 50 Vogelarten gezählt, die sich vorwiegend von Insekten aus den Teichen ernähren. Reptilien und Amphibien profitieren auch vom Insektenangebot. "Normalerweise heißt es, der Mensch reduziert die Biodiversität, aber die Teiche zeigen, wie man sie fördern kann", sagt Kainz. Er will die Nahrungskette der Teiche besser verstehen und ihre ökologische Bedeutung in Zahlen darstellen. Deshalb sollen acht der mehr als 860 Fischteiche im Bezirk Gmünd genauer untersucht werden.

Dafür werden Temperatur, Sauerstoff, Chlorophyll a, Phyto- und Zooplankton, Nähr- und Schadstoffe erhoben, um eine detaillierte Nähr- und Schadstoffbilanz zu erstellen. "Wenn die Karpfen heuer abgefischt werden, werden wir uns auch anschauen, was drin ist", erklärt Kainz. Sprich: Art und Menge der Proteine, Fette und Vitamine, der eventuellen Schadstoffe und Mikroplastik. Er will zeigen, dass die Teichlandschaften Modellregionen für Nachhaltigkeit sein könnten. Dabei ist ihm auch die Vermittlung wichtig, weshalb eine "Science Class" mit Schulen durchgeführt wird: Schülerinnen und Schüler werden unter wissenschaftlicher Anleitung Wasserproben nehmen, unter dem Mikroskop Algen und Zooplankton identifizieren und beobachten, wie sich die Verfütterung verschiedener Algen auf das Wachstum der Daphnien, auch Wasserflöhe, auswirkt.

Abfischen von Zuchtkarpfen
Drei Jahre dauert es, bis ein Karpfen im Waldviertel die vermarktbare Größe hat.
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Lehren für die Zukunft der Teiche

Wie sich der Klimawandel mit steigenden Temperaturen, veränderten Niederschlägen und Verdunstung auf die Teiche auswirken wird, erheben Boku und Geosphere Austria. "Die Teichwirtschaft ist ans Klima gekoppelt, weil sie auf ausreichend Niederschläge im Winter angewiesen ist", sagt Klaus Haslinger von Geosphere Austria. Nachdem die Teiche zum Abfischen ausgelassen werden, müssen sie sich für den Besatz mit Jungfischen wieder füllen. Nationale Klimaszenarien zeigen eher eine Zunahme der Winterniederschläge, was positiv wäre für die Teiche. Gleichzeitig verlängern sich laut verschiedenen Klimaszenarien die Schönwetterperioden im Sommer, Temperaturen steigen, wodurch mehr Wasser verdunsten wird, sagt Haslinger. Je nach Niederschlag, Temperatur und Sonnenscheindauer werden sich auch Algenwachstum und Sauerstoffgehalt der Teiche ändern.

Zu den bestehenden Wetterstationen werden für "Teichfit" zwei Messstandorte an Teichen eingerichtet, um meteorologische Daten und die Wassertemperatur zu erheben. Die zwischenjährliche Variabilität im Auftreten der Niederschläge sei sehr unterschiedlich, erklärt Harald Rieder, Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimatologie der Boku: "Es gibt Trends im Zuge des Klimawandels, und wir versuchen die Variabilität zu verstehen." Für das Projekt werden Klimadaten der vergangenen 30 Jahre herangezogen, um die Gegenwart besser einordnen zu können. "Es wird spannend sein, die Auswirkungen des Klimawandels auf ein lokales Ökosystem zu untersuchen", sagt Rieder. Die Erkenntnisse können auch helfen, das Management der Teiche auf die Veränderungen abzustimmen. (Sonja Bettel, 22.10.2023)