Elisabeth Gürtler aus Wien war früher Leitung des Hotel Sacher
Elisabeth Gürtler (73), war früher Leitung des Hotel Sacher Wien, heute ist sie Chefin des Alpin Resort Sacher Tirol. Sie trifft Entscheidungen gerne allein; Hotelbewertungen im Internet findet sie schwierig.
Lea Sonderegger

"Ich bin keine Teamplayerin"

"Ich bin in einen bürgerlichen, wohlhabenden Haushalt hineingeboren worden. Das Vermögen war nicht ererbt, sondern erarbeitet. Mein Vater hat sehr hart gearbeitet und hat das auch von seinen Kindern erwartet. Nach dem Studium bin ich ins Unternehmen meines Vaters eingestiegen, habe geheiratet und zwei Kinder bekommen. 1990 ist mein Mann, von dem ich damals schon einige Jahre geschieden war, verstorben und hat zwei Hotels hinterlassen. Darunter das Hotel Sacher. Es wäre für mich undenkbar gewesen, die Verantwortung für das Hotel außerhalb der Familie zu vergeben. Da meine Kinder noch zu jung waren, habe ich die Leitung übernommen. 25 Jahre habe ich diese Aufgabe ausgefüllt. Es sind immer wieder für eine Zeit neue Tätigkeiten hinzugekommen.

Ich war Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer und habe acht Jahre lang den Opernball organisiert. Ab 2010 habe ich zusätzlich die Spanische Hofreitschule geleitet. Das habe ich für mich gemacht, weil ich Pferde liebe und viele Jahre passionierte Dressurreiterin war. Seit fünf Jahren leite ich nur mehr ein Hotel in Tirol, das seit langem im Besitz meiner Familie ist.

Was ich schwer aushalte

Als Hotelchefin bin ich sehr von meinen Mitarbeitern abhängig. Heute sind Bewertungen im Internet für Gäste buchungsentscheidend. Eine Servicekraft muss nur einmal unfreundlich zu einem Gast sein – und das kann passieren, Gäste sind manchmal anstrengend –, und der Gast wird den Aufenthalt anhand dessen bewerten. Das ist etwas, das ich von meiner Persönlichkeitsstruktur her sehr schwer aushalte. Ich stehe noch heute im Restaurant und schaue, ob die Tische richtig gedeckt sind. Ich bin keine Teamplayerin, das kann ich nicht. Ich habe alle wichtigen Entscheidungen immer allein getroffen. Auch die Aufstockung um zwei weitere Stockwerke, wo das Hotel Sacher in Wien das erste Mal in seiner Geschichte für ein halbes Jahr geschlossen war. Ich bin zufrieden mit dem Leben, das ich geführt habe. Aber hätte ich nicht die familiäre Verantwortung gehabt, wäre ich Steuerberaterin geworden. Mit einem kleinen Büro, vielleicht einem zuverlässigen Partner in der Kanzlei. Aber eben mit dem Gefühl, dass ich von niemandem abhängig bin."

Josef Samuel ist Schildermaler in Wien
Josef Samuel (80), war früher Schildermaler, der letzte in Wien. Sein Atelier ist heute ein Museum.
Helena Lea Manhartsberger

"Geld ist nicht so wichtig"

"Ich bin ein 43er-Jahrgang, ein Kriegskind. Ich habe die Essensmarken noch kennengelernt. In der Hauptschule habe ich begonnen zu fotografieren. Meine Lehrer haben sofort erkannt, dass ich begabt bin. In der Fotografie habe ich dann auch viele Preise gewonnen: Landesmeister, Staatsmeister, das war ich alles sehr oft. Mein Vater und mein Großvater waren damals noch beide Schildermaler. Es wäre aber nie jemand auf die Idee gekommen, mich zu zwingen, den Betrieb zu übernehmen. Das ist organisch gewachsen. Mein Vater hat viel zu Hause gezeichnet am Tisch, ich bin gegenüber gesessen und habe geübt. Das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir war immer sehr harmonisch, wir haben nie gestritten. Jeder hatte seinen Stil, wir haben uns respektiert. In unserer Familie haben wir uns immer als Handwerker verstanden, nie als Künstler.

Keine Burnout-Gefahr

Ich war auch nicht auf der Graphischen, sondern in der ganz normalen Berufsschule. Schildermalen war auch noch ein richtiges Handwerk, jeder Schildermaler hat seine eigenen Farben gemischt. Es ist nie langweilig geworden: Es war jeden Tag ein anderes Schild, eine andere Schrift. Ich war nie in Gefahr, ein Burnout zu bekommen. Du wirst zu einer gewissen Ruhe gezwungen. So ein Schild hat damals oft anderthalb Monate gedauert, weil die Ölfarbe durchtrocknen musste. Das geht heute mit dem Computer und dem Digitaldruck in ein, zwei Tagen. Mit dem Computer ist unser Handwerk dann auch schnell ausgestorben, ab 2003 war ich der letzte Schildermaler Wiens. Heute stelle ich nebenbei Fotografie aus und zeige denen, die wollen, unsere Werkstatt. Wenn Sie mich fragen, was ich gern noch früher gewusst hätte, dann fällt mir eigentlich nur ein: Geld ist nicht so wichtig. Man ist nicht reich geworden als Schildermaler, aber man hat eine Freude gehabt. Es war ein wunderbares Leben."

Stefan Suske sitzt auf einem weißen Hocker, ein Mann mit Glatze und schwarzer, dicker Brille
Stefan Suske (65) ist immer noch Ensemblemitglied am Volkstheater Wien; dabei war Schauspielerei nicht sein Jugendtraum.
Lea Sonderegger

"Freundschaften muss man aktiv pflegen"

"Schauspielerei war nicht mein Jugendtraum. Ich bin in den 70er-Jahren als junger Mann aus Wien, das mir grau und repressiv vorkam, nach Graz geflüchtet. Dort habe ich zuerst angefangen, Medizin zu studieren, und bin dann ins Theater hineingerutscht. 1982, nach der Schauspielschule, wurde ich vom Schauspielhaus als Anfänger engagiert. Graz war damals eine äußerst kreative Stadt. Es gab viele Jazzbands, an jeder Ecke wurde gejammt. Nach sechs Jahren am Schauspielhaus bin ich, wie das in meinem Beruf üblich ist, weitergezogen. Zuerst nach Deutschland, dann für 19 Jahre in die Schweiz.

Meine Wanderjahre

Die Lektion, die man mit der Zeit lernt, ist, dass es wichtig ist, Freundschaften aktiv zu pflegen. Das ist keine Lehre, die ich für mich exklusiv gepachtet habe, fast alle Schauspieler und Schauspielerinnen sagen das. Es ist eine besondere Form des Lebens: Man zieht alle paar Jahre in eine neue Stadt, muss sich stets neu erfinden. Man ist immer von Theaterleuten umgeben, mit denen man keine gemeinsame, gewachsene Geschichte hat. Am Anfang denkt man darüber noch nicht nach. Es sind ja ständig Leute um einen herum. Ich habe das aber zum Glück rechtzeitig realisiert.

Bei mir gab es ja insofern auch eine Rückkehr: Ich bin 2010 nach Graz ans Schauspielhaus zurück, 22 Jahre nachdem ich dort weg bin. Es gab sogar noch Techniker und Kollegen, die ich aus meiner ersten Zeit am Haus kannte. In Graz habe ich auch schnell wieder Anschluss an meine Freunde aus der Jazzszene gefunden. Eben weil der Kontakt nie ganz abgerissen ist. Und hier in Wien leben meine Eltern und Geschwister, was natürlich ein Luxus ist, sie so nah wieder bei mir zu haben."

"Man muss sich was trauen"

Ingrid B. (64) war früher in der Flugbranche. Heute ist sie "Oma vom Dienst" im Café Vollpension in Wien.

"Ich komme aus Klosterneuburg. Nach der Tourismusschule habe ich die ersten Jahre in einem Reisebüro gearbeitet, bevor mich eine Airline abgeworben hat. Dann war ich 30 Jahre in der Flugbranche tätig, an verschiedenen Positionen im Vertrieb. Ich bin sehr viel gereist. Anfangs vor allem in den Osten: Russland, Georgien, Armenien. Später war ich dann für die Langstreckenflüge zuständig. Dann ging es nach Japan, China oder in die USA, durchschnittlich einmal im Monat. Das waren kurze, intensive Arbeitstrips, meistens nur ein bis zwei Nächte. Ich habe es trotzdem sehr gern gemacht.

Vielleicht mal die Branche wechseln

Was mir an meiner Arbeit am besten gefallen hat, war die Zusammenarbeit mit den Menschen in den Büros vor Ort. Das waren hauptsächlich Einheimische. Es war faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich die Mentalität der Menschen auf der ganzen Welt ist. Vor drei Jahren bin ich in Pension gegangen. Das habe ich ein Jahr genossen, dann wollte ich wieder was tun. Ich war das gewöhnt, ich habe immer viel gearbeitet. Seit etwas über einem Jahr bin ich nun bei der Vollpension. Erst im Verkaufskiosk am Schwedenplatz, mittlerweile als "Oma vom Dienst" in der Filiale in der Schleifmühlgasse. Ich begrüße die Gäste, führe sie zum Tisch, erzähle ihnen etwas zum Konzept. Wieder viel Kontakt mit Menschen, das macht mir großen Spaß. So sehr, dass ich heute denke: Vielleicht hätte ich mich trauen sollen, so was – also die Gastronomie – auch schon früher einmal zu versuchen. Einfach mal die Branche zu wechseln und etwas Neues zu versuchen. Ich habe meinen alten Job sehr gemocht. Aber vielleicht wartet irgendwo eine neue, spannende Gelegenheit auf einen."

"Man muss geistig am Ball bleiben"

Ulrike Zabransky (82) war früher Kinderärztin im Wilhelminenspital, der heutigen Klinik Ottakring in Wien.

"Ich habe immer eine Faszination für das Alte Ägypten gehabt. Ursprünglich wollte ich sogar Archäologie studieren, das war mir dann aber doch zu unsicher. Also bin ich Ärztin geworden. Damals konnte man sich das Krankenhaus nach dem Studium quasi aussuchen. Ich bin, weil ich dort einige Leute kannte, ans Wilhelminenspital in Ottakring, wie das damals noch hieß. Auf die Kinderstation, auch weil das Arbeitsklima so familiär war. Kein Arzt wäre auf die Idee gekommen, einen Handgriff nicht zu machen, weil der unter seiner Würde sei.

Die Arbeit mit den Menschen habe ich an meinem Job am meisten gemocht. Die Leute fragen immer, ob es schwerer sei, kranke Kinder zu behandeln. Das habe ich nie so empfunden. Patient ist Patient. Die Eltern waren oft das Anstrengende. Die Pensionierung an sich ist mir nicht schwergefallen. Du weißt ja, dass dieser Moment kommt. Aber wenn du den ganzen Tag von Menschen umgeben bist und das auch genießt, dann ist das erst einmal schon eine große Umstellung.

Puschkin und ich

Ich bin im Leben viel gereist – auch zweimal nach Ägypten – und habe einiges gesehen, worüber ich froh bin. Auch weil ich heute viel in der Wohnung sitze. Ich kann nicht mehr gut hatschen und wohne im dritten Stock. Mein Mann ist schon länger verstorben, aber ich bin nicht die klassische einsame, alte Frau: Ich kriege Besuch, meine Tochter wohnt im Haus, und ich habe meinen Kater Puschkin. Aber dass ich rausgehe und mit dem Taxi zu einer Freundin fahre, das ist seltener geworden. Ich merke oft, dass ich im Vergleich zu anderen Leuten in meinem Alter geistig immer noch gut dabei bin. Das ist etwas, das man sich am Anfang der Pension so noch nicht vorstellt: Man muss am Ball bleiben, den Kopf im Training halten. Besser wird es mit dem Alter nicht mehr. Ich habe noch immer eine Tageszeitung abonniert. Ich lese nicht mehr alles, aber auch das hält mich geistig fit." (Protokolle: Jonas Vogt, 26.10.2023)