Bis 2030 soll die heutige Windkraftkapazität in der EU mehr als verdoppelt werden.
REUTERS/Tony Gentile

Eigentlich sollte das Geschäft mit der Windkraft derzeit gut laufen, würde man meinen: Hohe Strompreise müssten neue Windanlagen attraktiver machen, und die hohen Ausbauziele, die sich die EU gesteckt hat, müssten zusätzliche Sicherheit geben. Tatsächlich aber stockt der Ausbau in den meisten europäischen Staaten – und die Branche wandert zunehmend in Drittstaaten ab.

"Die EU hat in den vergangenen zwei Jahren ihre Führungsrolle als größter Markt für Windenergie an den asiatisch-pazifischen Raum verloren", erklärte auch die Energiekommissarin Kadri Simson bei einer Pressekonferenz am Dienstag, mit der die Kommission einen neuen Aktionsplan für die Windkraft vorstellte.

Der Plan sieht vor, die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen – dazu will die Kommission bis Jahresende ein Tool zur Verfügung stellen, mit dem die Mitgliedstaaten die Verfahren digitalisieren können. Außerdem sollen die Mittel aus dem EU-Innovationsfonds für saubere Energietechnologien in der nächsten Ausschreibung auf 1,4 Milliarden Euro verdoppelt werden. Und die Kommission will die Wettbewerbsfähigkeit der Branche mit Handelspolitik stärken.

Eine weitere Lösung sieht die EU-Kommission auch in den Ausschreibungssystemen in den Mitgliedstaaten. Diese sollen sich in Zukunft nicht mehr bloß an Kosten, sondern auch an anderen Kriterien wie Nachhaltigkeit und Innovation orientieren.

Bei ihrer Rede zur Lage der Union betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie wolle erreichen, dassWindkraft "made in Europe"bleibe.
AFP/FREDERICK FLORIN

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte "Windkraft made in Europe" bereits bei ihrer Rede zur Lage der Union zu einer neuen Priorität erklärt. Schließlich sollen die Erneuerbaren bis 2030 mindestens 42,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs der EU decken. Damit das gelingt, müsste die heutige Windkraftkapazität deutlich mehr als verdoppelt werden, rechnet die Kommission.

Zwischen "Gamechanger" und Skepsis

Beifall für ihren Vorschlag erntet die Kommission von der europäischen Dachorganisation Wind Europe. Das Paket sei ein "Gamechanger für Europas Windenergieindustrie", so deren CEO Giles Dickson. "Das ist gut für Jobs und Wachstum sowie für Europas Energiesicherheit."

Seit 2017 seien bereits rund 70.000 Arbeitsplätze in der Windbranche in Europa verloren gegangen, kritisiert die österreichische Vertretung IG Windkraft. Als Grund nennt sie fehlende industriepolitische Maßnahmen. Eine ähnliche Entwicklung hatte zuvor die Solarbranche durchlaufen: Während noch 2010 der Großteil der Produktion als auch der Ausbau der Windkraft in der EU stattgefunden hatten, verlagerte sich zuletzt beides in andere Staaten.

"Es ist gut das Europa endlich aufwacht und endlich Industriepolitik für die Erneuerbaren macht. Ob die vorgeschlagenen Schritte ausreichen, muss sich erst zeigen", meint Martin Jaksch-Fliegenschnee von der IG Windkraft. Etwa die angekündigten neuen Ausschreibungsverfahren würden den Prozess wohl eher komplizierter machen. "Ich bin skeptisch, dass das die Situation wirklich verbessert", meint er.

Zu den übrigen Punkten sei abzuwarten, wie die Kommission ihre konkreten Ankündigungen umsetzen möchte. Etwa soll ab Anfang November mit den Mitgliedstaaten an schnelleren Genehmigungsprozessen gearbeitet werden und im Dezember eine eigene EU-Wind Charta veröffentlicht werden. Für November ist außerdem ein neuer Aktionsplan für den Ausbau der Stromnetze geplant. (Alicia Prager, 24.10.2023)