Über den Umstand, dass jedes Kind der zweiten Schulstufe im Burgenland eine Flöte geschenkt bekommt, lässt sich wunderbar scherzen. Bis hin dazu, dass ein wahrer Gentleman jener sei, der eine Flöte spielen könne, es aber nicht tue.

Schaut man sich die Aktion allerdings genauer an, erkennt man, was auch Peter Reichstädter, Obmann der Blasmusik Burgenland, sieht: "Die Blockflöte ist hier nur die Spitze des Eisbergs, die herausragt." Gesamt gesehen geht es darum, das Burgenland zum Musikvorzeigeland zu machen.

Von der Flöte zum Orchester

"Die kostenlose Blockflöte für jedes Volksschulkind ist Teil einer breit angelegten Offensive, mit der im Burgenland die musikalische Früherziehung aller Kinder – unabhängig vom sozialen Hintergrund und dem Einkommen der Eltern – gefördert werden soll", heißt es auch aus dem Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). In den Musikschulen, die vom Land mit fast sechs Millionen und von den Gemeinden mit mehr als zwei Millionen Euro gefördert werden, sieht man das Blockflötenprojekt ebenfalls positiv. Denn so erhalten alle Kinder eine elementare Musikausbildung – nur rund ein Drittel aller Kinder im Pflichtschulalter besuchen von sich aus eine Musikschule.

Eine in der Mitte auseinandergenommene Flöte.
Die Blockflöte teilt das Land. Die einen machen ihre Scherze, die anderen finden sie nervig, und ein großer Teil des musikaffinen Lehrpersonals im Burgenland findet das Gesamtkonzept, das eigens ausgearbeitet wurde, gut.
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Das Musikengagement der Landes reicht aber weit über die frühe Elementarausbildung hinaus. "Dazu gehören auch die speziellen Bläserklassen an den Schulen, das Ausbildungsangebot an den Musikschulen bis hin zur neuen Joseph-Haydn-Privatschule." Und mit der Bildung eines geplanten Landesorchesters soll dieses Bild demnächst vollständig werden.

Die Blockflöte – die gemeinsam mit einem eigens erarbeiteten Arbeitsbuch und einem Fortbildungsprogramm für die Lehrenden die umfassende Elementarausbildung bilden soll – ist also nur der Startpfiff. Auch für den Nachwuchs bei der Blasmusik, deren Vereine für gewöhnlich sehr eng mit den Musikschulen zusammenarbeiten. "Die Anmeldezahlen an den Musikschulen Burgenland haben 2022/23 einen Rekordwert erreicht, der heuer noch übertroffen wurde", erklärt Reichstädter.

Neue Trends in der Blasmusik

Um den Fortbestand der Blasmusik macht er sich keine Sorgen. Sie ist allein mit den Frühschoppen und Märschen ein wichtiger Teil des sozialen Netzes ländlicher Gemeinden und darum vielbeachtet und unterstützt.

Aber er sagt auch: "Wir müssen beginnen, Blasmusik anders zu denken." Denn die Blasmusik sei nicht der einzige Verein, der in den Kalendern der Jugendlichen einen Platz finden wolle. Und im Alter von 16 bis etwa 21 Jahren, wenn die Schule wichtiger wird, die eigene Mobilität steigt oder man zum Studium in eine Stadt zieht, dann findet man eben nicht mehr so leicht Platz für Blasmusik.

Kinder die Blockflöte spielen, sie aber falsch in der Hand haben.
Diese Blockflöten-Klasse in Kanada kämpft noch mit einem Links-Rechts-Problem der Hände – bis zum Notenlesen wird es also noch ein wenig dauern.
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Das Problem kennt man auch in Oberösterreich, mit 478 Kapellen und 25.000 Musikerinnen und Musikern das Blasmusik-Bundesland schlechthin, in dem auch das Festival Woodstock der Blasmusik stattfindet. "Bei uns funktioniert die Blasmusik, auch dank der Unterstützung des Landes, sehr gut", so Hermann Pumberger, Präsident des oberösterreichischen Blasmusikverbandes. Aber auch für ihn ist "Jugendarbeit ein wichtiges Thema, und es gibt Visionen wie wir uns mit neuen Formaten weiterentwickeln können." Er spricht damit dasLeben-Blasmusik-Festival an, das drei Tage dauert und wo Ensembles etwa von Gasthaus zu Gasthaus ziehen oder Weiterbildungen angeboten werden. Ob das Flötenprojekt auch ein guter Ansatz für Oberösterreich wäre, will Pumberger nicht kommentieren.

Es gibt aber auch Probleme

Anders als im Burgenland sind die Musikschullehrerinnen und -lehrer in Oberösterreich Landesbedienstete. In Niederösterreich sind sie bei den Gemeinden angestellt. Und dort gibt es wegen des neuen Dienstrechts gerade einen Wirbel. Weil es darin etliche Verschlechterungen für das Lehrpersonal gibt, überlegen nach Angaben der niederösterreichischen Grünen zwei Drittel, nicht mehr in Niederösterreich zu unterrichten.

Im Burgenland regten sich dafür erste Lehrerinnen und Lehrer wegen der Flöten auf. Zu viel Aufwand und Lärm, hieß es. "Es gibt vielleicht aber auch Lehrer, die den Beruf eher wegen der Ferien und nicht wegen der Arbeit ergriffen haben – und die sind gegen jede Neuerung", kommentiert das eine Volksschullehrerin, die auch Musikerin ist. (Guido Gluschitsch, 29.10.2023)