Wer im Umgang mit Katzen nicht geübt ist, hat beim Zusammentreffen mit den Tieren einen gewissen Vorteil: Katzen schätzen unerfahrene und dadurch vorsichtigere Streicheleinheiten, wie eine Untersuchung im Vorjahr zeigte. Katzen ergreifen gerne selbst die Initiative und fühlen sich durch allzu große Herzlichkeit schnell physisch eingeschränkt, Berührungen empfindlicher Stellen ohne Zustimmung goutieren sie nicht. Das übersehen routinierte Katzenmenschen leicht, und es könnte ein Grund dafür sein, dass die Samtpfoten oft gerade auf Leute zugehen, die eigentlich lieber Abstand halten würden.

Katze, Perserkatze
Bei aller Liebe: Bedrängen sollte man Katzen nie.
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Einen großen Nachteil haben Katzenneulinge allerdings auch: Sie können oft Befindlichkeit und Stimmung der Tiere schlecht einschätzen – und bekommen das schnell mittels ausgefahrener Krallen zu spüren. Während die Gemütslage von Hunden oft an ihren Gesichtsausdrücken erkennbar ist, lässt sich die Katzenmimik schwieriger deuten. Das zeigt sich schon allein an der Forschungsgeschichte dazu: Noch vor einigen Jahren gingen Fachleute davon aus, dass Katzen nur sehr eingeschränkte mimische Fähigkeiten haben, eine Forschungsgruppe berichtete sogar, dass die Tiere im Wesentlichen nur zu drei Gesichtsausdrücken fähig seien.

Vielfältige Katzenmimik

Diese Ansicht ist längst überholt, wie nicht nur empörte Katzenhalter betonten, sondern auch jüngere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Katzen haben eine äußerst facettenreiche Mimik, wir Menschen sind (anders als bei Hunden) aber eher schlecht darin, sie zu lesen. Die aktuellsten Daten liefert nun eine Studie der US-amerikanischen Forscherinnen Lauren Scott (University of Kansas) und Brittany Florkiewicz (Lyoncollege Batesville). Die beiden werteten Videoaufnahmen aus einem Katzencafé in Los Angeles aus – und kamen auf nicht weniger als 276 unterschiedliche feline Gesichtsausdrücke.

In dem Café leben dutzende Katzen, mit denen Besucherinnen und Besucher interagieren und die auch adoptiert werden können. Scott und Florkiewicz konzentrierten sich bei ihrer Untersuchung aber weniger auf den Kontakt der Katzen mit Menschen und vielmehr darauf, wie sich die Tiere untereinander mimisch ausdrücken. Insgesamt identifizierten sie bei ausgewachsenen Katzen 26 eigenständige Gesichtsbewegungen, die für die Mimik wichtig waren: darunter etwa spezifische Haltungen der Lippen und des Kiefers, die Position der Ohren, Bewegungen der Schnurrhaare oder unterschiedliche Arten zu blinzeln. Bewegungen, die etwa auf Atmung, Fressen, Gähnen oder andere nichtkommunikative Handlungen zurückgehen, wurden nicht berücksichtigt.

Eher freundlich als aggressiv

Aus Kombinationen dieser 26 Bewegungen ergaben sich 276 beobachtete Gesichtsausdrücke. Die meisten davon (45 Prozent) kategorisierten die Forscherinnen als freundliche Ausdrücke, 37 Prozent als aggressiv. Die übrigen 18 Prozent ließen sich nicht eindeutig zuordnen, wie Scott und Florkiewicz im Fachblatt "Behavioural Processes" berichten. Ihre Rätselhaftigkeit verlieren Katzen also auch in Sachen Mimik nicht so schnell. Zum Vergleich: Von Hunden sind 27 eigenständige Gesichtsbewegungen bekannt, von Menschen 44. Wie viele Gesichtsausdrücke Hunde und Menschen nutzen, ist aber nicht geklärt.

Katze
276 unterschiedliche Gesichtsausdrücke konnten die Forscherinnen bei Katzen nachweisen. Ein großer Teil davon zeugte von Freundlichkeit.
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Einige der freundlichen Gesichtsausdrücke der Katzen würden denen von Hunden und Menschen ähneln, schreiben die Forscherinnen. Sie spekulieren, dass die Domestizierung eine Rolle dabei gespielt haben könnte: Zwar stammen die aktuellen Ergebnisse ausschließlich von Hauskatzen und wurden nicht mit Wildkatzen verglichen. Scott und Florkiewicz halten es aber für plausibel, dass Hauskatzen durch das Zusammenleben mit Menschen mehr freundliche Gesichtsausdrücke entwickelt haben, um die Aussichten auf Futter zu verbessern.

Und immerhin ist auch die emotionale Beziehung zwischen Katzen und ihren Menschen nicht ganz so einseitig, wie vielfach angenommen wird: Forschende konnten vor einigen Jahren empirisch nachweisen, dass Katzen mit ihren menschlichen Betreuern tatsächlich häufig emotionale Bindungen eingehen und diese immerhin ein bisschen vermissen, wenn sie weg sind. Über einen freundlichen Katzenblick darf Mensch sich also immer freuen. (David Rennert, 30.10.2023)