Herausgeberin Eva Schütz zeigt sich optimistisch, den "Break-even-Point" zu erreichen. Im Hintergrund: Chefredakteur Richard Schmitt.
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Vom "Rekordstart" zum "nächsten Erfolg" bis zum "Boom": Die rechte Boulevardplattform Exxpress darf sich über eine Jubelmeldung nach der anderen freuen – zumindest auf ihrer eigenen Website. Während man dort noch im Juni von einem "Sensations-Erfolg" bei den Userzahlen sprach, erzählen die wirtschaftlichen Zahlen eine andere Geschichte.

So meldete die "web eXXpress Medien Holding GmbH" in ihrer Jahresbilanz 2022 einen Verlustvortrag in Höhe von 3,265 Millionen Euro; im Vorjahr war bereits ein Verlustvortrag von 3,6 Millionen Euro gemeldet worden. Der Exxpress ist also, vereinfacht gesagt, hoch verschuldet. Die Situation war offenbar so prekär, dass die Beteiligungs-GmbH von Mehrheitseigentümerin Eva Schütz zu Jahresende 2022 ein "Wandeldarlehen" in Höhe von 1,185 Millionen Euro gewähren musste. Da überrascht es nicht, dass Ende September Pläne für einen Stellenabbau und ein Ende der TV-Sparte bekannt wurden.

Auf Anfrage erklärt Schütz den Bilanzverlust eben damit: Die ursprünglichen TV-Pläne des Exxpress hätten sich "im aktuellen Branchenumfeld als nicht finanzierbar herausgestellt". Freilich ist die gesamte Medienbranche unter Druck, auch DER STANDARD verkleinerte sein Videoteam deutlich. Das Gratismagazin Biber, seit 2007 auf dem Markt, muss wegen geringer Werbeerlöse und gestiegener Kosten sogar zusperren. Auch in anderen Medienhäusern fürchtet man Sparmaßnahmen.

Nähe zu Politik und Kurz

Allerdings stellte sich beim Exxpress von Beginn an die Frage, inwiefern das Medien-Start-up auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist. Schütz sprach zum Start der Plattform im Jahr 2021 von einer Profitabilität binnen drei Jahren, dieses Ziel dürfte in weiter Ferne liegen. "Break-even und Beginn der Gewinnphase wurden auf Jahr vier verschoben, dies insbesondere aufgrund des Kostenfaktors TV", sagt Schütz dazu.

Der Chefebene wird eine starke Nähe zu ÖVP und FPÖ attestiert: Herausgeberin Eva Schütz arbeitete einst im Kabinett von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), Seite an Seite mit dem späteren Öbag-Chef Thomas Schmid. Ehemann Alexander Schütz hat ein Unternehmen mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und war ÖVP-Großspender.

Chefredakteur Richard Schmitt, der bei den drei großen Boulevardmedien Österreich,Heute und Krone tätig war, hat beste Beziehungen zur ÖVP, etwa zu Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Einst war Schmitt auch eng mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, den er laut Chats als Investor für ein neues Medienprojekt gewinnen wollte.

Eindeutige Schlagseite

Die politische Nähe zu den beiden rechtsgerichteten Parteien schlägt sich inhaltlich nieder. Die Premiere der Kurz-Doku Kurz – der Film wurde etwa als "sensationelle Politik-Party" bezeichnet; zuletzt hieß es in einem Nachrichtenartikel, Kanzler Nehammer versuche, die Koalition "trotz sämtlicher Skandale der grünen Pannen-Minister Gewessler und Rauch fortführen zu können", woraufhin ihm die Grünen "in den Rücken fallen". Als Nehammer rund um ein Video mit Aussagen über Kinderarmut und McDonald’s als billigste Mahlzeit in die Kritik geriet, schrieb Schmitt persönlich, der Kanzler "sagt nur das, was viele Österreicher längst wissen".

Die Berichterstattung des Exxpress und die Tweets ihrer Redakteure sind allerdings nicht nur politisch gefärbt, sondern immer wieder grenzüberschreitend. Die damalige Vizechefredakteurin Anna Dobler twitterte im Jänner 2022, die Nationalsozialisten seien "nicht nur Mörder, sondern auch durch und durch Sozialisten" gewesen, woraufhin sie entlassen wurde. Dobler löschte den Tweet damals nach wenigen Minuten und gab an, sie habe "nie eine Verbindung zur Sozialdemokratie hergestellt und würde das auch nie tun".

"Mohammedaner" als "Pest"

Schmitt selbst verbreitete auf X, wie Twitter nun heißt, das Posting eines Users, der "Mohammedaner" als "Pest" bezeichnet hatte. Der Exxpress-Chefredakteur löschte seinen Retweet und behauptete, den Vergleich überlesen zu haben. Mehrere Nachrichtenbeiträge des Exxpress erwiesen sich bei näherer Prüfung als irreführend oder falsch. Ein Artikel über eine "brutale Schlägerei" in einem Freibad in Wien wurde von den Wiener Bädern als "frei erfunden und gelogen" bezeichnet. Kritik gab es auch an Schmitts Interview mit dem russischen Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski, der das Narrativ des Kreml zum Angriffskrieg gegen die Ukraine verbreitete.

Der X-User "Björn Björnsen" hat es sich zur Aufgabe gemacht, Fehler in der Exxpress-Berichterstattung aufzuzeigen – und er wird beinahe täglich fündig. Das habe sich zufällig ergeben, sagt der User dem STANDARD. Er sei Dobler auf Twitter gefolgt und habe festgestellt, dass viele Exxpress-Artikel keine Quellenangaben hätten. Daraufhin habe er eine Reihe von großteils plagiierten Artikeln gefunden - eine Praxis, die auch Dobler in ihrem arbeitsrechtlichen Verfahren gegen Exxpress kritisiert hatte. Das habe sich nun weitgehend gelegt, fehlerhaft seien viele Texte jedoch weiterhin, so Björnsen, der auch deshalb anonym bleiben will, weil ihm Schmitt auf X bereits mit einem Gerichtsverfahren gedroht habe.

All das stellte bislang keine Hürde in puncto staatliche Förderungen dar. Vergangenes Jahr hat der Exxpress 1,1 Millionen Steuergeld erhalten. Zudem stehen weiterhin ÖVP-Politiker wie die Wiener Abgeordnete Laura Sachslehner oder Digitalstaatssekretär Florian Tursky für Interviews mit Exxpress TV bereit.

Öffentliche Werbegelder

Blimlinger bei Förderung skeptisch

Vor einem Jahr sorgte eine antisemitische US-Karikatur im Exxpress für heftige Kritik. Zu sehen war der US-Unternehmer und Gründer der Kryptobörse FTX Sam Bankman-Fried – mit Hakennase und in einem Kanaldeckel, aus dem Ratten kriechen. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, kündigte daraufhin an, dass niemand eine Förderung erhalten dürfe, der zu Hass aufstachle.

Der Exxpress könnte versuchen, über die neue, mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotierte Journalismusqualitätsförderung Gelder zu erhalten. Sie ergänzt* die bisherige Presseförderung und bezieht auch Onlinemedien mit ein. Bevor sie in Kraft treten kann, muss sie noch von der EU beihilfenrechtlich geprüft und "notifiziert" werden. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Blimlinger geht im Gespräch mit dem STANDARD davon aus, dass bald das Okay aus Brüssel erfolgen werde und die Förderung mit 1. Jänner 2024 starten kann. Es sei vorstellbar, dass Medien dann auch rückwirkend für 2023 eine Förderung bekommen könnten.

Dass auch der Exxpress Anspruch auf eine Förderung nach dem neuen Gesetz haben werde, glaubt und hofft Blimlinger nicht. Die Entscheidung trifft aber die Medienbehörde Komm Austria. Als Kriterien sind etwa journalistische Sorgfaltspflicht verankert oder dass nicht zu Hass und Gewalt aufgestachelt werden darf. DER STANDARD hat auch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) gefragt, ob der Exxpress die Förderkriterien erfülle. Sie verwies nur allgemein auf die Richtlinien und darauf, dass die Medienförderung "massiv" erhöht wurde. Raab ließ sich im Jänner von Schmitt und Schütz interviewen. (Oliver Mark, Fabian Schmid, 4.11.2023)