Seit Beginn des Militäreinsatzes der israelischen Armee gegen die Hamas kommt es in vielen Städten der westlichen Welt zu wütenden Protesten. Nicht etwa aus Sorge um die entführten israelischen Geiseln, deren Freilassung man fordern würde, sondern weil man sich mit der Sache der Palästinenser gemein macht. In den Augen dieser Demonstrantinnen und Demonstranten ist der moderne David ein palästinensischer Junge, der Steine werfend gegen den übermächtig erscheinenden israelischen Goliath antritt.

Die Medien bezeichnen diese Demonstrationen, die zuweilen zehntausende Menschen auf die Straße bringen, als "Pro-Palästina-Demos". Das halte ich für irreführend, denn die Motivation scheint klar: antiisraelisch und tendenziell antisemitisch. Immerhin treiben sich dort Islamisten, Linksextreme und sonstige Akteure herum, die teilweise recht offen die Auslöschung des israelischen Staates fordern. Warum der wilde Antisemitismus, der ungeniert zutage tritt, nicht als das bezeichnet wird, was er ist, müssen die Verantwortlichen in den Redaktionen beantworten. Für ehrliche Beobachter ist die toxische Melange aus linksextremem Anti-Imperialismus und antiwestlichem Islamismus – immerhin wehen auch Fahnen der Taliban und sonstiger islamistischer Gruppierungen auf diesen Demonstrationen – mehr als nur beunruhigend.

Israel Demonstration Gaza
Islamistische Banner waren bei einer Demonstration im deutschen Essen zu sehen. Nun ermittelt die Polizei.
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Nicht nur jüdische Menschen müssen sich angesichts dieser wütenden und offen demokratiefeindlichen Demonstrationen bedroht fühlen, sondern auch etwa säkulare Muslime, deren Mitgefühl nicht exklusiv palästinensischen Opfern gilt, sondern allen Unschuldigen, unabhängig von Ethnie und Religion, wie es der humanistische Anstand gebietet. Doch wer sich dem teuflischen Spiel der Hamas entziehen will, wird in den muslimischen Gemeinden des Westens dieser Tage gerne als "Verräter" an der palästinensischen Sache attackiert.

Aber dienen islamistische Slogans, antisemitische Parolen, Attacken auf Synagogen oder israelische Fahnen denn der Sache der Palästinenser? Wenn ständig Bilder zorniger Männer zu sehen sind, die ihren Hass grölend auf den Straßen Europas und Nordamerikas kundtun, so zwingt man die westlichen Gesellschaften ja quasi dazu, Hass und Gewalt mit der palästinensischen Sache zu kontextualisieren. So gewinnt man keine Herzen und liefert gar noch den stets und ständig lauernden Rechtspopulisten Munition.

Es sind nicht nur westliche Muslime, die sich der Verlockung der proislamistischen Agitation nicht entziehen können, auch nicht nur die wohlstandsverwahrlosten nichtmuslimischen Akademiker(kinder), die aus ideologischer Gemütlichkeit heraus lieber mit Islamisten, die etwa LGBT-Rechte offen ablehnen, marschieren. Nein, all die großen, muslimischen Staaten, die so leidenschaftlich für die Palästinenser einzustehen scheinen, sind vor allem eines: unaufrichtig.

Wahre Freunde

Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Ankara poltert seit Wochen, doch am Ende ist er nur bemüht, die kleineren islamistischen Parteien im Land unter Kontrolle zu halten, außerdem ist das Palästinenser-Thema eine gute, innenpolitische Ablenkung eingedenk der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des Landes. Die Ayatollahs des Iran, die ihr eigenes Volk brutal unterdrücken müssen, ja sogar ganz Syrien bombardieren ließen und sich auf einmal als große Freiheitskämpfer gerieren. Oder der Diktator vom Nil, der als erste Vorsichtsmaßnahme den einzigen Grenzübergang zum Gazastreifen mit Betonplatten verstärken ließ, damit ja kein palästinensischer "Bruder" den Kämpfen entkommen konnte. Wer so unaufrichtig agiert, hat eben keine guten Absichten.

Die Palästinenser haben viele falsche Freunde: westliche Islamisten, antiimperialistische Linke, muslimische Staaten. Die einzigen wahren Freunde, die sie hätten, sind jene Menschen in Israel, die trotz der monströsen Massaker der Hamas noch immer für ein friedliches Zusammenleben zu haben wären, wenn auf palästinensischer Seite eben keine genozidalen Hamas-Terroristen mehr als Gesprächspartner fungieren. Und wir hier im Westen wären gut beraten, wenn wir nicht jenen Gehör schenken, welche die Hamas und Konsorten zu antikolonialen Vorkämpfern verklären wollen, sondern die israelische Demokratie fordern und fördern. Denn das ist noch immer der beste Friedensgarant. (Ruşen Timur Aksak, 8.11.2023)