Wohnungssuchende in Berlin sind allerhand gewohnt – Gehaltszettel oder die Bestätigung des aktuellen Vermieters, dass die Miete pünktlich bezahlt wurde, sind Standard. Auch Schlangestehen gehört bei Besichtigungen dazu. Doch eine neue Schikane sorgte zuletzt für Aufregung. Von einzelnen Vermieterinnen und Vermietern wird vor der Besichtigung ein Nachweis verlangt, dass die Wohnungssuchende nicht schwanger ist und keine Kinder mit einziehen.

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In Österreich sind bisher keine Fälle bekannt, das Vorgehen wäre aber – wie in Deutschland – verboten.
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Dem STANDARD liegen die E-Mail-Korrespondenzen zweier Betroffener in der deutschen Hauptstadt vor. Andreas R. (Name der Redaktion bekannt) war 2022 mit einem Freund und einer Freundin auf der Suche nach einer WG. Im Inserat einer Wohnung in Berlin-Schöneberg wurden Bauarbeiten im Haus erwähnt, die einer Schwangeren nicht zuzumuten seien, daher sei ein Nachweis nötig, dass keine Schwangerschaft bestehe.

R. schlug der Vermieterin vor, dass seine Mitbewohnerin erst später einziehe, wenn die Bauarbeiten abgeschlossen seien. "Aber als sie nicht darauf einging, beschlossen wir, die Sache in den Wind zu schießen und stattdessen herauszufinden, was es mit der Sache auf sich hat", erzählt er.

Die Untersuchung sei keine große Sache, erklärte die Vermieterin dann auf Nachfrage, es handle sich um eine "ganz kurze körperliche Begutachtung" oder einen Schwangerschaftstest, das Ganze dauere nicht länger als zehn Minuten. Bei genauerer Nachfrage, welche Arztpraxis diese Untersuchung denn durchführen würde, kam eine Absage für die Wohnung.

Wohnung schon weg

Ähnlich auch der Fall von Karoline L. (Name der Redaktion bekannt), die auf der Suche nach einer Wohngemeinschaft in Berlin ist. Auch hier wurde von der Vermieterin erst vor wenigen Tagen ein Onlinenachweis über eine beauftragte Ärztin verlangt, dass keine Schwangerschaft besteht, um für eine Direktvergabe der Wohnung infrage zu kommen.

Sie habe nicht gewusst, was eine Direktvergabe sei, erzählt Karoline L. dem STANDARD, daher habe sie die Option einfach ignoriert und keinen Nachweis geliefert. Letztendlich bekam auch sie noch vor der Besichtigung eine Absage von der Vermieterin – angeblich, weil es zu viele Interessenten gab.

Medienberichte über solche Fälle gibt es in Berlin und auch in Hamburg seit einigen Jahren. Ob es sich dabei tatsächlich um unverschämte Vermieter oder eine Betrugsmasche handelt, ist nicht klar. So wird in diversen Onlineforen zum Beispiel darüber spekuliert, dass damit Daten abgegriffen oder sogar versucht werden könnte, freizügige Fotos von Frauen anzufertigen.

Lügen erlaubt

Die Google-Suche nach der Vermieterin habe in seinem Fall jedenfalls keine Ergebnisse gebracht, sagt Andreas R. Und Karoline L. erzählt, dass das Inserat mittlerweile nicht mehr abgerufen werden kann, weil der Nutzer gesperrt wurde.

In Österreich sind Schwangerschaftstests, die bei der Wohnungsbesichtigung verlangt werden, bei Mieterschützern bisher noch nicht aufgeschlagen. Das Vorgehen wäre aber – wie in Deutschland – verboten, weil es sich um Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handeln würde. Darauf steht eine Geldstrafe.

Experten raten dringend davon ab, auf solche Wohnungsanzeigen zu reagieren – und im Fall des Falles bei Fragen nach einer Schwangerschaft zu lügen. "Denn eine Kündigung wegen verschwiegener oder abgestrittener Schwangerschaft halte ich für aussichtslos", sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband.

Groteske Situation

Betroffene können sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden. Diese hat vor einigen Jahren den Fall einer sichtbar Schwangeren, die nachweislich wegen ihrer Schwangerschaft eine Wohnung nicht bekommen hat, vor die Gleichbehandlungskommission gebracht, die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts feststellte. Will eine Vermieterin oder ein Vermieter dezidiert keine Kinder im Haus, so ist das aber zulässig, weil es sich dabei um Altersdiskriminierung handelt – und diese bei der Wohnungssuche nicht verboten ist.

"Das heißt, dass Personen in der Schwangerschaft vor Diskriminierungen geschützt sind – sobald das Kind da ist, gibt es aber keinen Schutz mehr", erklärt Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Ein Umstand, der "durchaus grotesk" sei, wie sie sagt. (Franziska Zoidl, 11.11.2023)