Will man diese Tage etwas auf Willhaben verschenken, muss man sich auf Scherzbolde einstellen.
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Im Gegensatz zur Weltlage ist das Problemchen, von dem ich berichte, von epochaler Irrelevanz. Aber ein Problemchen ist es doch, und mich treibt die Frage um, welche Ursachen ihm zugrunde liegen.

In unserem Wohnzimmer stehen seit Jahrzehnten viele Büchergestelle. Sie sind ausladend, geräumig, leisten gute Dienste und haben einen netten Namen (Billy). Wir haben ihnen nichts vorzuwerfen, schon gar nicht, dass sie in die Jahre gekommen sind.

Gestell-Upgrading

Kürzlich bekamen wir von einer Freundin, die umzog, deren Büchergestell angeboten. Es ist um Häuser besser als jeder Billy und nimmt es mühelos an Fassungsvermögen mit ihm auf. Gelegenheit zu einem Gestell-Upgrading, wie man sie nicht alle Tage bekommt. Wir ergriffen sie sofort.

Um ein neues Gestell aufzubauen, muss man das alte loswerden. Wir boten das Riesenkonglomerat an Billys gratis gegen Abholung im Internet an. Drei Interessenten meldeten sich. Man wies sie natürlich darauf hin, dass sie nur dann zum Zug kämen, wenn der oder die Vorgereihte ausfalle.

Der erste Interessent erschien zum ausbedungenen Übergabezeitpunkt schlicht überhaupt nicht und ließ uns im Unklaren, warum dem so war. Inserent zwei sicherte zu, er werde uns zeitnah informieren, wann er komme (der Aufstellungstermin für das neue Gestell stand bereits fest), meldete sich aber tagelang nicht.

Überforderte Scherzbolde

Somit kam Interessent drei ins Spiel. Doch siehe da, mit ihm wiederholte sich das gleiche Spiel wie mit Interessent eins: Termin fixiert, Interessent kommt nicht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war unser Vertrauen in unsere potenziellen Abnehmer so gut wie jenes diverser Ratingfirmen in den Signa-Konzern.

Nun rätseln wir, wie es zu dieser Abfolge von Akten der Abnahmesabotage kommen konnte. Möglichkeit eins: Wir hatten es mit Leuten zu tun, die intellektuell vom Umgang mit Kalender und Uhrzeit überfordert sind. Möglichkeit zwei: Es gibt neuerdings Scherzbolde, die das traditionelle Streichrepertoire (Wasserbomben werfen, Glöckerlpartie etc.) durch die Kategorie Gestellverschenkerverarsche erweitert haben.

Zum Glück haben wir zuletzt noch einen prima Abnehmer gefunden, nämlich einen sehr netten pensionierten Chirurgen (!), der Abbau und Abtransport zur vollen Zufriedenheit erledigte. Operation gelungen, Gestell weg. (Christoph Winder, 11.11.2023)