Elon Musk denk nach
Von X (vormalsTwitter) per se haben die Österreicher eigentlich ein positives Bild, vom Eigentümer Elon Musk eher weniger.
EPA/TOLGA AKMEN / POOL

Gut ein Jahr ist es her, dass Elon Musk das Ruder beim Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hat. Seitdem ist viel passiert: Als einen der ersten Schritte feuerte Musk den Großteil des Moderationsteams, außerdem holte er diverse zuvor gesperrte Accounts – darunter jene von Donald Trump und Kane West – wieder zurück auf die Plattform. Werbekunden sprangen ab, die Nutzerzahl ging zurück, der Unternehmenswert halbierte sich. NGOs analysierten, dass rassistische und antisemitische Postings zunahmen. Die Menschen suchten nach Alternativen und fanden sie teilweise in Mastodon oder Blue Sky. Musk führte kostenpflichtige Premiumkonten ein und benannte Twitter in X um – mit dem Ziel, dieses in eine "Alles-App" nach chinesischem Vorbild umzuwandeln. Unter allem soll auch das Finanzleben der Userinnen und User auf X stattfinden.

Doch ist die Stimmung auf X wirklich so kaputt, wie es von außen scheint? Das ist gar nicht so einfach zu beurteilen, wie Forscherinnen und Forscher dem STANDARD auf Anfrage sagen. Der Grund: Musk hat auch den Zugriff auf die Twitter-Daten erschwert. Konnte man zuvor noch problemlos zehn Millionen Postings pro Monat über eine Programmierschnittstelle (API) abrufen und analysieren, so muss man nun für einen derartigen Zugang zahlen – und im günstigsten Modell bekommt man bloß Zugriff auf 10.000 Postings pro Monat, wie Arno Scharl sagt. Er ist Professor an der Modul University Vienna und Gründer von Weblyzard Technology, ein Unternehmen mit Fokus auf Datenanalyse.

Daten zu Twitter und X

Scharl hat mit Weblyzard aber eine Alternative zum kostenpflichtigen Abrufen von Daten über die API gefunden: Das Weblyzard-System betreibt Scraping, grast also das Netz nach Informationen ab, um relevante Schlüsselwörter zu identifizieren und Stimmungsanalysen zu erstellen. Die entsprechenden Daten kommen von Blogs, Nachrichtenseiten und Onlinemagazinen, aber auch von Behörden- und Unternehmenswebsites. Diese Ergebnisse teilt er exklusiv mit dem STANDARD.

Die erste der bereitgestellten Grafiken zeigt eine Stimmungsanalyse in Bezug auf die verschiedenen Plattformen. Die X-Achse zeigt den zeitlichen Verlauf, die Y-Achse die Stimmung. Hier sieht man, dass die Stimmung gegenüber der Plattform Reddit (grüne Kurve) meist neutral ist, jene gegenüber dem Business-Netzwerk Linkedin (gelb) positiv, und auch über Twitter/X (blau) berichtet man positiv – nicht aber über Twitter und X in Kombination mit Elon Musk: Hier ist die Stimmung fast durchgehend negativ. Besonders stark war dies mit dem Abspringen der Werbekunden und mit dem Aufkommen der Twitter-Alternative X sichtbar, analysiert Scharl.

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Die zweite Grafik zeigt einen sogenannten Streamgraph. Er gibt keine Stimmung wieder, sondern zeigt nur die Präsenz mancher Themen im Lauf der Zeit. Auch hier ist wieder sichtbar, dass vor allem das Abspringen der Werbekunden und das Aufkommen von Threads dominierende Themen waren, ebenso wie die Amnestie für Ex-Präsident Donald Trump und die Diskussionen rund um das blaue Häkchen.

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Die nächste Grafik zeigt die Stimmung in Bezug auf Twitter in Form einer Tag Cloud. Dafür wurden 1.588 Artikel und Postings analysiert. Die Stimmung wird farblich widergegeben: Grüne Begriffe sind positiv besetzt, rote negativ. So nahm man hierzulande das Aufkommen von Hassrede und die Massenkündigungen ebenso wie den Umgang mit Themen wie Redefreiheit und Verifizierung negativ wahr. Positiv aufgefasst wurde hingegen die Einführung neuer Funktionen und etwaige Pläne diesbezüglich, etwa Videotelefonie.

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Und schließlich ist noch ersichtlich, wie die Themen sich im Lauf der Zeit gewandelt haben, dies wird in der folgenden Grafik anhand der Farbtemperatur illustriert: je wärmer das Wort, desto aktueller das Thema. Hier ist unter anderem ersichtlich, dass das Interesse am Verhalten der Werbekunden stark abgenommen hat, Ähnliches gilt für Diskussionen rund um Meinungs- und Redefreiheit.

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Generell, so berichtet Scharl auch mit Blick auf internationale Daten seiner Auswertung, lag der Peak der Berichterstattung bei der Übernahme vor rund einem Jahr, seitdem habe das Interesse an Twitter/X schrittweise abgenommen.

Der Wissenschafter und Unternehmer plädiert dafür, dass Unternehmen ab einer gewissen Größe die öffentlichen Daten – also nicht persönliche und private Daten, die unter den Datenschutz fallen – ihrer Plattform via API zugänglich machen sollten, für die Wissenschaft ebenso wie für Start-ups. Dies könne nicht nur neue Geschäftsmodelle ermöglichen, sondern auch etwa bei der Erkennung von Fake-News oder bei der Analyse von Wählerverhalten helfen. (Stefan Mey, 11.11.2023)