Kaum fertig – und schon wird wieder umgebaut: In der Seestadt Aspern wurden im Vorjahr medienwirksam rund 1000 Quadratmeter Asphalt wieder aufgerissen, um sie nachträglich zu begrünen. Glaubt man vielen Seestädterinnen und Seestädtern, handelte es sich dabei nur um einen Tropfen auf den im Sommer sehr heißen Stein.
Denn so grün wie auf den Renderings sei der erste Bauteil der Seestadt, das Pionierquartier, nicht geworden – und viele der Flächen, die eigentlich Grünflächen sein sollen, sind Schotterflächen, auf denen es Pflanzen schwer haben.
Katarina und Sabi Rimanoczy wohnen seit 2014 in der Seestadt. Sie waren, als sie das erste Mal auf das ehemalige Flugfeld kamen, richtige Pioniere: "Dann haben wir beobachtet, wie ein Platz nach dem anderen versiegelt wurde", erzählen die beiden heute. Irgendwann wussten sie: „Entweder wir ziehen weg, wir akzeptieren es – oder wir tun etwas dagegen.“
Druck auf die Politik
So entstand 2020 der Verein Seestadtgrün, der heute rund 100 Mitglieder hat und sich für mehr Grün in der Seestadt einsetzt. Nicht nur, indem Druck auf die Politik erzeugt wird, sondern auch, indem man sich selbst die Hände schmutzig macht. Gut 600 Quadratmeter an Grünflächen betreut der Verein – darunter die Seestadt-Lounge.
Hier ist eine Pergola mit Gartenhütte, Infotafeln und Sitzmöglichkeiten entstanden. Und natürlich vielen Pflanzen, die auch jetzt im Herbst immer noch von Bienen angesteuert werden, darunter Wilder Wein, Prunkwinden, Trompetenblumen und Wisteria.
Möglich sei das alles nur dank eines selbst designten Gießrads namens Elias mit 200 Litern Fassungsvermögen, das im Sommer ausrückt, sowie einer eigenen App, in der man sich für den Gießdienst im Sommer – es sind in der heißen Zeit insgesamt acht Stunden pro Woche – eintragen kann. Aktuell sammelt der Verein Unterschriften, um den Druck auf die Stadt zu erhöhen, die mehr als 8.000 Quadratmeter Grünflächen, die im Pionierquartier vorgesehen sind, tatsächlich zu begrünen.
Stadt am Zug
Bei der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 sorgt die Petition für Überraschung. Man sei zuletzt in konstruktiven Gesprächen über eine gemeinsame Initiative zur Ausweitung der Begrünungsmaßnahmen gewesen und habe den Verein finanziell unterstützt. Bei der Planung der Seestadt habe man bewusst Bereiche nicht völlig durchgestaltet – etwa die Flächen um die Bäume –, um Entwicklungen Raum zu geben.
Nun sei die Stadt am Zug, ist der Verein überzeugt – auch wenn die Motivation, die Seestadt zu verändern, hier in der Seestadtlounge richtiggehend greifbar ist. "Aber wenn wir uns um all diese Flächen kümmern müssten, bräuchten wir mehrere Leben", sagt Katarina Rimanoczy. (Franziska Zoidl, 16.11.2023)