Zuvor konnte im EU-Ausschuss keine gemeinsame Linie gefunden werden.
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Brüssel – Es ist wirkungsvoll, günstig - und hoch umstritten. Kein Pestizid ist in der Landwirtschaft stärker im Einsatz als Glyphosat.Seit Jahren tobt ein Kampf der wissenschaftlichen - bezahlten und unbezahlten - Studien, die das gesundheitliche Risiko, das mit dem hoch effizienten Unkrautvernichter einhergeht, als mehr oder minder hoch einstufen. Farb- und geruchlos, tötet es innerhalb weniger Tage Grünzeug inklusive der Wurzeln ab, indem es die Fotosynthese verhindert. Resistent dagegen sind nur gentechnisch veränderte Pflanzen.

Die EU-Kommission will nun die Zulassung wie angekündigt um weitere zehn Jahre verlängern – mit neuen Einschränkungen. Dazu gehören ein Verbot der Verwendung als Trockenmittel vor der Ernte und die Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von umliegenden Pflanzen, sowie eine Festlegung von Höchstausbringungsmengen. Da im EU-Berufungsausschuss am Donnerstag erneut keine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für die Verlängerung oder Ablehnung der Zulassung erzielt wurde - mindestens 15 von 27 Ländern müssten dafür zustimmen - liegt der Ball nun bei der Kommission.

Österreich muss dagegen sein

Bei der ersten Abstimmung am 13. Oktober stimmte Österreich – wie auch Kroatien und Luxemburg – aufgrund eines Parlamentsbeschlusses gegen den Antrag. Ein Beschluss der SPÖ, Grünen und FPÖ aus dem Jahr 2017 zwingt zu diesem Votum. Viele Landwirte dagegen wollen nicht auf den Einsatz des Unkrautvernichters verzichten. Hierzulande wurden im Vorjahr 243 Tonnen an Glyphosat in Verkehr gebracht. Gut 90 Prozent davon wird in der Landwirtschaft eingesetzt.

Sechs EU-Staaten - darunter Deutschland und Frankreich - enthielten sich. Laut Beobachtern war das Abstimmungsverhalten diesmal ähnlich. Auch in Deutschland sind die Meinungen gespalten. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärte bei einer Pressekonferenz, dass die Grünen gegen eine Verlängerung gewesen seien, der Koalitionspartner FDP hingegen dafür. Dem sei die Enthaltung gefolgt. In ihrem Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel-Regierung 2021 eigentlich darauf verständigt, Glyphosat in Deutschland bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen. Die Folgen der EU-Zulassungsverlängerung würden nun daraufhin geprüft, sagte Özdemir. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) sah eine Wiederzulassung in ihrer letzten Bewertung unkritisch, wie zuvor schon die Europäische Chemikalienagentur (Echa). Die aktuelle Zulassung läuft am 15. Dezember 2023 aus.

In Österreich an sensiblen Orten verboten

Bei einer neuerlichen Zulassung kann Österreich im Alleingang den Einsatz von Glyphosat nicht aussetzen. Allerdings wurde im Jahr 2021 ein Teilverbot im Nationalrat beschlossen. Seitdem darf Glyphosat an sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks, Gesundheitseinrichtungen oder in privaten Gärten nicht mehr eingesetzt werden. In der Landwirtschaft, in der es bei weitem am meisten zum Einsatz kommt, blieb es aber weiter erlaubt.

"Die Kommission hat dieses Ergebnis selbst forciert, weil sie nach der ersten Abstimmung über die Zulassung ihren rechtswidrigen Vorschlag nicht verändert hat. Erneut lagen zehn weitere Jahre Glyphosat mit nur minimalen Einschränkungen auf dem Tisch", kommentierte Sarah Wiener, grüne EU-Abgeordnete und Berichterstatterin der neuen EU-Pestizidverordnung, über die kommende Woche im EU-Parlament abgestimmt wird. Zwei Drittel der EU-Bürger und -Bürgerinnen seien laut Umfragen gegen Glyphosat.

Wiener zitiert auch aus einer neuen, noch nicht veröffentlichten Studie des italienischen Ramazzini-Instituts über die gesundheitlichen Auswirkungen von Glyphosat. Dabei wurde ein Auftreten einer seltenen Form von Leukämie bei Ratten festgestellt, auch wenn diese nur geringen Dosen des Herbizids ausgesetzt waren. Da derzeit unklar sei, ob diese Daten Auswirkungen auf die früheren Stellungnahmen der Behörden hätten, werde die Kommission ihren Vorschlag nicht ändern, erklärte daraufhin einer deren Sprecher laut Medienberichten. Die Umweltorganisation Global 2000 spricht von einer "skandalösen Wiederzulassung ohne Rückendeckung durch Mitgliedstaaten." Die Industriegruppe Pflanzenschutz von einer "Wissenschafts-basierten Entscheidung."

Bayer begrüßt Entscheidung

Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer übernahm. Mit dem Zukauf holte sich Bayer auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat ins Haus. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde Epa und die Europäische Chemikalienagentur, haben das Herbizid als nicht krebserregend eingestuft – eine Ansicht, der viele Umwelt-NGOs widersprechen.

Bayer begrüßte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der APA naturgemäß die Entscheidung der EU-Kommission. "Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können." (APA, red 16.11.2023)