Die Inflation hat sich in Österreich weiter eingebremst und lag im Oktober bei 5,4 Prozent nach sechs Prozent im September. Das ist der tiefste Wert seit Jänner 2022. "Das hat vor allem damit zu tun, dass Treibstoffe deutlich günstiger als im Vorjahr sind. Außerdem haben sich die Preisanstiege insbesondere bei Nahrungsmitteln und bei Möbeln abgeschwächt", erklärt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas.

Ein Schild in einem französischen Supermarkt weist auf verringerten Packungsinhalt hin.
Manche Supermärkte in Frankreich und Deutschland kennzeichnen verringerten Packungsinhalt auf sehr transparente Weise. Sollte das in Österreich auch so sein?
REUTERS/SARAH MEYSSONNIER

Doch es sind nicht immer höhere Verkaufspreise, die zu der üppigen Inflation in Österreich führen. Oftmals versuchen Hersteller auch, Verteuerungen dadurch zu verschleiern, dass weniger Packungsinhalt zum selben Preis angeboten wird. In diesem Fall spricht man von Shrinkflation – ein Vorgehen, das im Zuge der aktuellen Teuerungswelle immer öfter vorzukommen scheint. Die Statistik Austria erfasst geringeren Packungsinhalt zwar in der Inflationsberechnung, allerdings liegen keine speziellen Auswertungen über die Häufigkeit vor.

Verärgerte Konsumenten

Entgangen ist es der Bevölkerung trotzdem nicht. "Die Meldungen zum Thema Shrinkflation steigen definitiv an", sagt Teresa Bauer vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Das bestätigt auch eine Umfrage ihres Hauses. Demnach wollen 94 Prozent der Befragten Produkte in den vergangenen zwölf Monaten ausgemacht haben, deren Füllmenge bei gleichem Preis gesunken ist. Wobei 48 Prozent bekannt war, dass dieses Vorgehen als Shrinkflation bezeichnet wird. Bei welchen Warengruppen dies vorkommt? Mit 89 Prozent liegen Lebensmittel weit voran, gefolgt von Wasch- und Spülmitteln, Toilettenpapier und Küchenrollen sowie Kosmetik und Hygieneartikeln.

Daher hat der VKI auch zwei aus seiner Sicht besonders dreiste Fälle zu Kandidaten für die "Konsum-Ente 2023" – einen Negativpreis für Lebensmittel, die Verbrauchende verärgern – erkoren. Dazu zählt das Kakao-Getränkepulver "Ovomaltine der Klassiker", bei dem die Füllmenge binnen zwei Jahren zweimal geschrumpft wurde, von ursprünglich 1000 auf zunächst 900 Gramm auf nunmehr 750 Gramm. Zweiter Kandidat ist der "Eskimo Nogger", wo laut VKI bei gleicher Verpackungsgröße der Inhalt von sechs auf fünf Eislutscher verringert wurde. Die Wahl zur Konsum-Ente findet online statt, bis Ende November kann abgestimmt werden.

Die jeweiligen Verpackungen von
Der VKI hat "Ovomaltine der Klassiker" wegen zweimaliger Schrumpfung der Inhaltsmenge als Kandidaten für die Konsum-Ente 2023 ausgewählt. Ursprünglich konnte man sich daraus ungefähr 50 Portionen zubereiten, derzeit sind es nur noch 37.
VKI

Das Urteil der Befragten über Shrinkflation fällt ziemlich eindeutig aus, nämlich negativ: 81 Prozent geben an, dass es sie extrem ärgert, weitere 18 Prozent sind etwas verärgert. Über das Vorgehen der Hersteller meinen 73 Prozent, diese würden versuchen, die Konsumierenden zu täuschen, 64 Prozent fühlen sich deshalb sogar betrogen. Daher würden sich im Zweifel 60 Prozent für Preissteigerungen aussprechen, während nur 16 Prozent Shrinkflation bevorzugen, geht aus der VKI-Umfrage hervor.

Für Erzeuger sinnvoll

Einen sachlicheren Blick auf das Thema Shrinkflation hat Bernadette Kamleitner. Sie ist Konsumforscherin an der WU Wien und sagt: "Dieses Phänomen gibt es schon sehr lange, aber jetzt schauen die Leute genauer hin." Aus ihrer Sicht kann es für Erzeuger ökonomisch sinnvoll sein, den Inhalt zu verringern, da es Konsumierende meist besser auffassen würden als erhöhte Verkaufspreise. Warum? Man habe für einen Einkauf ein gewisses Budget und brauche dann nicht von seinen Konsumgewohnheiten abzuweichen – während man bei Preiserhöhungen dafür mehr als geplant ausgeben müsse. "Es ist vor sich selbst leichter zu rechtfertigen", fasst Kamleitner zusammen.

Dazu kommt ein psychologischer Effekt, denn Verknappung könne auch "in Richtung Luxus gehen" – wenn es zur Marke passt, werde dies akzeptiert. Bei tendenziell ungesunden Produkten wie Süßigkeiten oder Knabbereien fassen Verbrauchende geringere Füllmengen auch recht gut auf. Denn die Packungsgröße sei "die magische Obergrenze", an die man beim Genuss stoße. Das bestätigt auch VKI-Expertin Bauer: Ihr zufolge verärgert Shrinkflation bei ungesunden Produkten wesentlich weniger als bei gesünderen.

Was nicht funktioniert

Wobei das Vorgehen ohnedies nicht bei allen Warengruppen funktioniert: "Wo die Menschen genau wissen, welche Menge sie konsumieren, geht das schwieriger", sagt Kamleitner, also etwa bei einem Kilogramm Mehl. Ein Bespiel: Wenn der Inhalt unbemerkt verringert wird und beim Kochen oder Backen zu wenig davon im Haus ist, führt dies zu Verärgerung. Auch bei anderen Produkten wie Bier, obwohl gerade in größeren Mengen ungesund, empfiehlt die Konsumforscherin nicht, die gängigen Füllmengen zu senken, denn: "Bier ist emotional ein sehr heißes Eisen."

Was bei der Kundschaft generell schlecht ankommt, ist das Senken der Qualität bei gleichem Preis. Also wenn etwa teure Zutaten wie Rapsöl durch billige wie Palmfett ersetz werden oder der Gehalt an wertbestimmenden Zutaten verringert wird, etwa durch weniger Mandelanteil im Mandeldrink. In diesem Fall spricht man von Skimpflation, abgeleitet vom englischen Wort für knausern, wodurch die Qualität eines Produkts sinkt. "Dadurch wird die Erwartungshaltung auf einer tieferen Ebene enttäuscht", erklärt Kamleitner die Verärgerung jener Konsumierenden, die es bemerken.

Mehr Transparenz

Ein Wunsch der Bevölkerung geht aus der VKI-Umfrage klar hervor, nämlich der nach mehr Transparenz. Wobei sich die meisten, nämlich 71 Prozent, bei Shrinkflation für eine "deutliche Verkleinerung der Packung, sodass die verringerte Füllmenge besser erkennbar ist und Material eingespart wird", aussprechen. Aber auch ein deutlicher Hinweis auf der Verpackung oder am Preisschild im Regal wird gefordert. In Frankreich und Deutschland gibt es VKI-Expertin Bauer zufolge bereits Supermarktketten, die deutlich auf Shrinkflation hinweisen. "Das finde ich einen spannenden Ansatz", sagt sie. In Österreich sei ihr so ein Vorgehen bisher nicht bekannt, die Konsumentenschützerin hält es aber für wünschenswert.

Das sieht Sebastian Koch, Inflationsexperte beim Institut für Höhere Studien (IHS), ähnlich, denn: "Für uns Ökonomen ist das Preissignal etwas sehr zentrales." Viele Verbrauchende würden die Verringerung der Menge oder der Qualität nicht mitbekommen, was eben das Preissignal verwische – aufgrund dessen sie vielleicht anders entschieden hätten. "Die Konsumenten kaufen etwas, das sie eigentlich nicht kaufen würden", bemängelt auch Koch die mangelhafte Transparenz.

Zurück zur allgemeinen Teuerung, bei der er sich zuletzt eine etwas schnellere Abschwächung erwartet hätte. Die IHS-Prognose für die heurige Gesamtinflationsrate liegt bei 7,8 Prozent, nächstes Jahr soll sich der Preisauftrieb auf 4,2 Prozent im Jahresmittel verringern – wobei Koch allerdings auf Fragezeichen wie die künftige Entwicklung des Ölpreises verweist. (Alexander Hahn, 17.11.2023)