Ganze 82 Wohnungen hatte Maria bereits besichtigt – ohne Erfolg. Spätestens wenn die Vermieter erfuhren, dass die 60-Jährige Mindestsicherungsbezieherin ist, waren die Wohnungen leider schon weg. "Ich wollte nicht mehr weitersuchen", erzählt sie.

28 Apartments und neun Zimmer sind im
28 Apartments und neun Zimmer sind im "hafen*" im 19. Bezirk für Frauen entstanden – und längst vergeben. Die Warteliste ist lang.
VHW/Kucukcay

Bei der 83. Wohnung hatte Maria Glück. Sie befindet sich im "hafen*" der Volkshilfe Wien im 19. Bezirk. Durch Zufall habe sie von dem Wohnprojekt für Frauen erfahren, erzählt Maria, die zehn Jahre lang wohnungslos war. Nun sitzt sie am Tisch in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung mit knallgrüner Küchenzeile und hört im Radio Schlagermusik. Maria ist zu Hause angekommen.

Angebote für Kinder

Das Wohnprojekt der Volkshilfe Wien wurde im Frühjahr fertiggestellt. Es ging aus einem Bauträgerwettbewerb hervor, für den sich die NGO mit einem privaten Bauträger zusammengetan hat.

Entstanden ist ein Haus für Frauen, die sich hier – wie im namensgebenden Hafen – bei Bedarf fangen und neu orientieren können. Dafür gibt es nicht nur leistbaren Wohnraum, sondern auch große Gemeinschaftsflächen und Unterstützung bei den kleinen und großen Fragen des Alltags. Auch für die Kinder gibt es Angebote, damit die Mütter einmal kurz durchatmen können. Vor wenigen Tagen wurde das Laternenfest oben auf dem Dach gefeiert.

Die Gänge sind offen gestaltet - den Kindern gefällt's. Geplant wurde das Gebäude von Treberspurg & Partner Architekten.
Die Gänge sind offen gestaltet - den Kindern gefällt's. Geplant wurde das Gebäude von Treberspurg & Partner Architekten.
VHW/Kucukcay

Viele der Bewohnerinnen sind durch die in den letzten Jahren gestiegenen Wohnkosten und horrende Nachzahlungen auf dem privaten Wohnungsmarkt in Bedrängnis geraten, erzählt Andrea Schober von der Volkshilfe Wien. Bei ihnen sorge das Konzept der All-inclusive-Miete für große Erleichterung. Hier drohen auch keine Nachzahlungen – weil das Haus mit Wärmepumpe und Solarzellen ausgestattet ist und daher von schwankenden Gaspreisen unabhängig ist.

Die Miete für die günstigste Wohnung liegt bei 470 Euro. Die Verträge werden in der Regel auf fünf Jahre befristet abgeschlossen – "aber wir schmeißen am Ende sicher niemanden raus", betont Martin Orner von der Volkshilfe Wien. Die Wohnungen sind mittlerweile längst vergeben, die Wartelisten lang, jeden Tag melden sich weitere Interessentinnen. Und im Haus ist in den letzten Monaten ein bunter Mix vom Lehrling über die Singlemutter bis hin zur Pensionistin entstanden.

Zwei Sessel fehlen

Die meisten der Wohnungen werden direkt vergeben – es gibt aber auch Kooperationen, etwa mit Frauenhäusern. Um das Wohnen hier auch für Opfer von Gewalt sicher zu machen, braucht es für das Betreten des Gebäudes an mehreren Stellen einen Chip; auch mit der Polizeidienststelle gleich gegenüber sei man im Austausch, sagt Schober. Und weil lange Gänge zu Angsträumen werden, wurde auf sie im Haus gleich ganz verzichtet – stattdessen gibt es, fast wie in einem Schiff, offene Atriumgänge, in denen man von einem Stockwerk ins andere schauen kann. Den Kindern gefällt’s jedenfalls.

Maria kennt sie alle. Bei ihr wird geklopft, wenn es ein Problem gibt – sei es mit der Kinderbetreuung oder einem wichtigen Telefonat. Als die gute Seele des Hauses würde sie sich selbst zwar nicht bezeichnen – das tun nur alle anderen. Noch sitzt sie aber allein an ihrem Tisch. Zwei Sessel und ein Kasten fehlen noch. Eigentlich wollte sie bis Weihnachten fertig sein, erzählt sie: "Aber ich bin jetzt in einem Alter, da muss man nicht mehr alles sofort haben." Jetzt hat sie ja Zeit. (Franziska Zoidl, 21.11.2023)