Diesen Donnerstag wird im Wiener Landtag die Bauordnungsnovelle beschlossen, an der nun etwas mehr als eineinhalb Jahre lang gearbeitet worden ist. Sie ist nicht der große Wurf, als den die Wiener Stadtregierung sie gerne bezeichnet sehen würde, darüber herrscht in der Bauwirtschaft und unter Architektinnen und Architekten sowie auch in der Opposition praktisch Einigkeit. Es wird aber immerhin an sehr vielen Rädchen geschraubt – was aus Sicht der Bauwerberinnen und Bauwerber mal eine Verbesserung, mal eine Verschlechterung sein wird.

Mehrere Planerinnen und Planer sitzen um einen Bauplan herum.
Wiener Planerinnen und Planer hatten in den letzten Wochen alle Hände voll zu tun.
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Zahlreiche Bauträger sehen offenbar vor allem Letzteres, also dass es für sie schwieriger werden wird. Denn wie der STANDARD erfuhr, waren viele Wiener Planerinnen und Planer in den letzten Wochen sehr damit beschäftigt, Einreichpläne zu erstellen, es herrschte Hochbetrieb. Und das, obwohl Bauprojekte derzeit wegen der schwierigen Gemengelage aus hohen Zinsen und Baukosten sowie strenger Kreditvergabe grundsätzlich sehr schwierig umzusetzen sind. Eine etwas paradoxe Situation also; doch viele Bauträger wollten offenbar aus Unsicherheit, was denn da mit der Novelle nun letztlich genau auf sie zukommen würde, schnell noch einreichen.

MA 19 wird nicht ganz so mächtig

Die eine oder andere Änderung wird es allerdings geben, auf die es sich mitunter auch zu warten lohnt. Bei der Stellplatzverpflichtung wird nun etwa ein Zonenmodell eingeführt, mit dem in definierten Gegenden weniger Stellplätze errichtet werden müssen als bisher. Das ist schon lange ein Wunsch der Bauwirtschaft, er wurde nun zumindest in die Wege geleitet. Denn die Reduzierung auf 70 (Zone 1) oder 80 Prozent (Zone 2) der derzeitigen Regelung ging den Bauträgern, wie berichtet, nicht weit genug.

Nicht nur die Bau- und Immobilienwirtschaft, sondern auch Planerinnen und Planer befürchteten außerdem, dass die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) mit der Novelle eine quasi göttliche Allmacht bekommen könnte. "Bitte liefern Sie sich nicht der MA 19 aus!", rief Bernhard Sommer, Vorsitzender der Wiener Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, auf dem jüngsten Stadtentwicklungstag des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) deshalb flehentlich den anwesenden Beamtinnen und Beamten der Stadt zu.

Aus Sicht der Planer hätte die MA 19 nämlich umfassende Möglichkeiten bekommen sollen, unter Verweis auf das "örtliche Stadtbild" fast jegliches Bauvorhaben zu verhindern. Ein noch im Entwurf vom Juni enthaltener neuer Absatz 2a des Paragrafen 85 wurde nun aber in der endgültigen Fassung wieder eliminiert. "Damit hätte man den vorhandenen Bebauungsplan komplett aushebeln können", sagt Sophie Ronaghi-Bolldorf, Architektin und Bauordnungsexpertin in der Wiener Architektenkammer.

Verschärfung in Paragraf 69 abgeblasen

Und auch im berühmt-berüchtigten Paragrafen 69, der "Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes" regelt, gab es zwischen dem Begutachtungsentwurf und der Beschlussfassung noch eine entscheidende Änderung. Die zuvor nur für Schutzzonen geltenden Regelungen hätten nämlich auf sämtliche Gebäude mit einem Baujahr vor 1945 ausgeweitet werden sollen. Das wurde nun wieder rückgängig gemacht, "in diesen beiden Punkten wurde also auf die Kritik reagiert", zeigt sich Ronaghi-Bolldorf im Gespräch mit dem STANDARD erfreut.

Diverse kleinere Veränderungen, die schon länger bekannt sind, seien überdies auch durchaus erfreulich, etwa der neue Verweis auf Maßnahmen, die "in dauerhafter Weise dem Klimaschutz oder der Klimawandelanpassung dienen" im Paragrafen 69. Abweichungen vom Bebauungsplan sind auch aus diesem Grund künftig explizit zulässig.

Entsiegeln, ja – aber wie?

Insgesamt bleibe die bereits geäußerte grundsätzliche Kritik an der Novelle, etwa in den Stellungnahmen, aber aufrecht, sagt Ronaghi-Bolldorf. "Vieles, was wir uns erwartet hatten, ist nicht gekommen." Von Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen sei etwa nichts zu sehen, und manches sei auch noch zu wenig durchdacht – etwa die nun verpflichtende Entsiegelung von Innenhöfen bei größeren Renovierungen. Eine Definition, was eine "gärtnerische Ausgestaltung" eigentlich sein soll, wird nun zwar erstmals geliefert (zwei Drittel müssen unversiegelt bleiben und eine "bodengebundene Begrünung und Bepflanzung" aufweisen, ein Drittel darf eine Versiegelung mit Bauwerken oder Bauwerksteilen aufweisen, die auf solchen Flächen zulässig ist), in der Praxis seien hier aber noch viele Fragen offen, meint Ronaghi-Bolldorf – nicht zuletzt jene, wie man beispielsweise als Bauwerber eines Dachgeschoßausbaus auf eine vermietete oder verkaufte Fläche im Innenhof Zugriff bekommen soll, um sie zu entsiegeln. Auch aus anderen Überlegungen heraus gab es Kritik an dieser neuen Regelung, beispielsweise vom ÖVI, der eine neue Formulierung vorschlug, die aber unberücksichtigt blieb.

"Minireform im XL-Gewand"

Viel Kritik kam im Vorfeld des Beschlusses auch von der oppositionellen Wiener ÖVP. Die Novelle sei letztlich nur "eine Minireform im XL-Gewand" geworden, sagte Planungssprecherin Elisabeth Olischar auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag. Manche Punkte finde man zwar durchaus für gut, die ÖVP werde der Novelle aber trotzdem nicht zustimmen.

Gefordert habe man eine "Entwirrung" des schon sehr komplizierten Gesetzestexts, eine umfassenden Reform sowie die Auflösung diverser Widersprüchlichkeiten, die sich im Lauf der Zeit in der Wiener Bauordnung angesammelt hätten. Davon sei aber weit und breit nichts zu sehen. Der ganze Prozess sei alles andere als optimal verlaufen, sagte Olischar: Die Fachenquete im November 2022 sei letztlich nur ein "Seminar" gewesen, auf dem die Oppositionsparteien fünf Minuten Redezeit hatten und ansonsten kaum eingebunden wurden.

Es fehlt an Datenmaterial

ÖVP-Wohnbausprecher Peter Sittler kritisierte, dass die Novelle weder zu günstigerem noch zu schnellerem Bauen führen werde, dass nach wie vor wichtige Daten fehlen würden – etwa zur Auslastung von Tiefgaragen – und dass die Begutachtungsphase der Novelle ausgerechnet in die Urlaubszeit im Sommer fiel.

Und auch in Sachen Transparenz hatten Olischar und Sittler einiges auszusetzen, auch ganz grundsätzlich: Die Stadt Wien habe etwa kein richtiges Interesse daran, ihre Maßnahmen und Instrumente auch zu evaluieren, sagte Olischar. Das sei etwa bei der Widmungskategorie "Geförderter Wohnbau" der Fall, die schon 2018 eingeführt wurde, bei der es bisher aber nur eine "interne Prozessevaluierung" gab, die nicht öffentlich ist. "Keiner weiß, ob das was bringt", sagte Sittler.

Städtebau-Verträge: Veröffentlichung ohne Konkretisierung

Das gelte auch für das Instrument der städtebaulichen Verträge, das es sogar noch länger gibt, nämlich seit der Bauordnungsnovelle 2014. Die seien generell ein "leidiges Thema" in der Stadtplanung, denn es gebe nach wie vor viele Unklarheiten über die Ausgestaltung dieser Verträge, die die Stadt seit 2015 mit privaten Bauwerbern abschließt und die dafür sorgen sollen, dass die Stadt bzw. die direkte Umgebung eines Bauprojekts von diesem auch ein wenig profitiert. Olischar erinnerte daran, dass im rot-pinken Wiener Koalitionsabkommen geschrieben steht, dass "ein Leitfaden und ein Kriterienkatalog erstellt werden sollen, um die Nachvollziehbarkeit und die Transparenz dieser Verträge zu erhöhen". Davon sei noch immer nichts zu sehen.

Lediglich auf die Veröffentlichung der wichtigsten Punkte der Verträge hat sich die Stadtregierung geeinigt. In Paragraf 1a der Wiener Bauordnung wird künftig stehen, dass eine Zusammenfassung der Eckpunkte der Verträge "im Internet über die Adresse gemeinderecht.wien.gv.at gebühren- und barrierefrei zugänglich zu machen" ist. (Martin Putschögl, 23.11.2023)