Der deutsche Finanzminister, Christian Lindner
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) will einen Nachtragshaushalt vorlegen.
AFP/ODD ANDERSEN

Die deutsche Bundesregierung will für das laufende Jahr 2023 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erneut aussetzen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte am Donnerstag an, dass er dem Kabinett am Mittwoch kommender Woche den Entwurf für einen entsprechenden Nachtragshaushalt für 2023 vorlegen werde.

Damit verschafft sich die Bundesregierung die Möglichkeit, in diesem Jahr die Neuverschuldung deutlich zu erhöhen. Dabei geht es nach Angaben aus dem Finanzministerium um einen zusätzlichen Betrag von etwa 45 Milliarden Euro, die vor allem die Ausgaben des Energiekrisenfonds WSF auf eine andere Grundlage stellen sollen.

Urteil aus Karlsruhe

Damit zieht die deutsche Regierung die Konsequenz aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Übertragung alter Notlagenkredite in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Klimafonds für verfassungswidrig erklärte hatte. Diese 60 Milliarden Euro hatte der Bund wegen der Notfallsituation während der Corona-Pandemie den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung aufgestockt. In solch außergewöhnlichen Situationen ist es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen.

Am Ende wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen gebraucht. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wollte das Geld daher für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds nutzen und schichtete es mit Zustimmung des Bundestages 2022 rückwirkend um. 197 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag klagten dagegen erfolgreich in Karlsruhe, weil aus ihrer Sicht auf diese Weise die Schuldenbremse umgangen wird.

Haushalt 2024

Mit dem Aussetzen der Schuldenbremse erhofft sich Lindner Rechtssicherheit. "Es gibt jetzt neue Rechtsklarheit, wie wir mit Sondervermögen und mit Notlagenkrediten umzugehen haben", sagte Lindner. Das Urteil der Verfassungsrichter betrifft möglicherweise auch den sogenannten Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, aus dem etwa Hilfszahlungen in der Energiekrise finanziert werden. "Wir werden die Ausgaben, insbesondere für die Strom- und Gaspreisbremse, jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage stellen." Über den Haushalt für 2024 könne man erst reden, wenn es für 2023 einen "verfassungsrechtlich gesicherten Zustand" gebe.

Das Urteil aus Karlsruhe verzögert auch den Beschluss des Haushalts für 2024. Die für den Donnerstag geplante Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss war ohne Ankündigung eines neuen Termins abgesagt worden. Dem Bundestag bleibt damit nur noch eine Sitzungswoche zwischen dem 11. und 15. Dezember, um einen möglichen Haushaltsentwurf zu billigen. Eine Zustimmung des Bundesrates in diesem Jahr ist nur noch möglich, wenn die Länderkammer einer Verkürzung der Frist zustimmt. (Reuters, red, 23.11.2023)