Handschellen
Als erster Schritt sollen Häftlinge, die ins Spital oder zum Arzt müssen, Handschellen immer hinter dem Körper angelegt bekommen.
APA/EVA MANHART

Als Reaktion auf die Flucht von vier Häftlingen bei Spitalsbesuchen hat am Freitag im Justizministerium ein Sicherheitsgipfel stattgefunden. Dabei wurden erste Maßnahmen vereinbart, um derartige Vorkommnisse künftig zu vermeiden. Ab sofort werden Häftlingen, die in ein Krankenhaus oder zum Arzt gefahren werden müssen, die Arme hinter dem Rücken gefesselt, teilte ein Sprecher des Justizministeriums mit. Bisher wurde dies individuell entschieden – möglich war etwa auch, Handschellen vor dem Körper zu tragen.

Sprechen medizinische Gründe gegen ein Fesseln der Arme am Rücken, werden Insassen zusätzlich mit einem Bauchgurt gesichert. Wie genau der Gurt angelegt wird, kann aus Sicherheitsgründen nicht erläutert werden. "Diese Maßnahme ist eine entschiedene und gleichzeitig angemessene Reaktion auf die letzten Vorfälle, welche sowohl von der Praxis als auch der Personalvertretung positiv bewertet wird", sagte der Sprecher.

Durch die Maßnahmen sollen "Nachahmungstäter und Trittbrettfahrer" verhindert werden, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums. In einem Monat werde evaluiert, ob die gesetzten Schritte aufrechterhalten werden. Das soll den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Die beschlossenen Maßnahmen hält Albin Simma (FCG), Vorsitzender der Justizwachegewerkschaft, für sinnvoll. "Die Verschärfungen sind absolut ausreichend, um das Risiko deutlich zu minimieren", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Doch kritisiert er den Personalschlüssel in den Justizvollzugsanstalten: "Der Aufwand verlangt 400 bis 500 Planstellen mehr." Laut Zahlen aus dem Justizministerium waren mit Stand 1. November rund 97,4 Prozent der Stellen in Justizvollzugsanstalten und forensisch-therapeutischen Zentren besetzt.

Ein Insasse flüchtig

In den vergangenen Wochen sind in Wien und Niederösterreich vier Häftlinge bei Arzt- und Spitalsbesuchen entflohen. Drei konnten gestellt und wieder eingeliefert werden, bestätigt eine Sprecherin des Justizministeriums dem STANDARD.

Am Freitagnachmittag konnte die Polizei einen Insassen der Wiener Justizanstalt Josefstadt festnehmen, der bei einer Behandlung im Wiener Allgemeinen Krankenhaus geflohen war. Er habe in Wien gefasst werden können, bestätigte eine Sprecherin des Justizministeriums der APA. Medienberichten zufolge ist der 28-Jährige hochgefährlich.

Am Freitagvormittag konnte eine Frau festgenommen werden, die vor rund zwei Wochen bei einem unbewachten stationären Aufenthalt im Landesklinikum Wiener Neustadt geflohen war. In der Vergangenheit sei die Insassin, die wegen Vermögensdelikten einsaß, von unbewachten Ausgängen immer ordnungsgemäß wiedergekehrt. "Die Insassin zeigte ein sehr gutes Vollzugsverhalten und wurde von einer schlechten Nachricht aus der Bahn geworfen", sagt eine Sprecherin des Justizministeriums.

Am Montagvormittag war ein 16-Jähriger Häftling in Wien-Ottakring festgenommen worden, der bei einem Aufenthalt im Landesklinikum Wiener Neustadt entkommen war. Er verbüßt seine Haft in der Justizanstalt für Jugendliche in Gerasdorf im Bezirk Neukirchen. Der Jugendliche hatte nach seiner Flucht Videos auf Social Media gepostet.

Nach wie vor fahndet die Polizei nach einem Häftling der Justizanstalt Stein. Der 35-jährige Tschetschene floh am Dienstag der Vorwoche aus dem Universitätsklinikum Krems, wo er untersucht worden war. (Milena Wurmstädt, 24.11.2023)

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