Als Nationalratspräsident ist Wolfgang Sobotka (ÖVP) auch als Vorsitzender von Untersuchungsausschüssen vorgesehen. Kommendes Jahr wird das wohl in zwei U-Ausschüssen gleichzeitig der Fall sein. Einen davon beantragen SPÖ und FPÖ, den zweiten will die ÖVP allein einsetzen.
APA/EVA MANHART

Zeiten ohne parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind in der österreichischen Politik mittlerweile eine Seltenheit. Ob Eurofighter oder BVT, ob Hypo Alpe Adria oder Ibiza: Fast jeder größere Skandal der vergangenen Jahre löste politische Untersuchungen aus. Nach dem unrühmlichen und abrupten Ende des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses Ende Jänner, als sich die Opposition zerstritten hatte, ist seit Anfang Februar Pause.

Das dürfte sich bald schon wieder ändern. Das Superwahljahr 2024 wird gleich zwei U-Ausschüsse bringen: Einen, den SPÖ und FPÖ gemeinsam einsetzen werden und einen, den die ÖVP im Alleingang auf den Weg bringen wird.

Video: SPÖ und FPÖ bringen Verlangen zu Cofag-Untersuchungsausschuss ein
APA/bes

Rote und Blaue wollen all jene Milliardäre Österreichs, die eine Verbindung zur ÖVP haben, und die Milliardenzahlungen durch die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) unter die Lupe nehmen. Im Fokus der Untersuchung wird die Cofag stehen. Kaum eine Einrichtung der Republik war und ist seit ihrer Gründung so viel Kritik ausgesetzt: Sie wurde vom Rechnungshof zerpflückt, von der Opposition sowieso, und auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kippte unlängst deren Grundlagen. Zu intransparent, zu wenig treffsicher und zu langsam sei die Abwicklung der Finanzhilfen erfolgt, war von etlichen Seiten zu hören.

Im Hinblick auf die Milliardäre wollen der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jan Krainer und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker – die beiden waren bereits in vergangenen U-Ausschüssen Fraktionsführer ihrer Partei – den Fokus auf Immobilieninvestor René Benko und Unternehmer Siegfried Wolf legen, erläuterten sie Freitagvormittag in einem Hintergrundgespräch vor Journalistinnen und Journalisten. Beide sollen auch bei der Vergabe von Corona-Hilfen bevorzugt behandelt worden sein, befinden Krainer und Hafenecker.

"Wir haben den Eindruck, dass es einen Teil der Bevölkerung gibt, der hier bevorzugt behandelt wird", sagte Krainer zur Motivation für den U-Ausschuss. Er versicherte, dass nicht etwa der "kleine Wirt" untersucht wird, der Covid-Hilfen bekommen hat - "außer der kleine Wirt heißt Sigi Wolf". Es sei von Anfang an klar gewesen, "dass man gerade in das Thema Cofag noch genauer rein schauen muss", begründete Hafenecker das Anliegen. Der Freiheitliche schloss auch nicht aus, dass etwa die heimlich aufgenommenen Aussagen des verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek zu angeblichen Interventionen durch Wolfgang Sobotka (ÖVP) Thema werden könnten.

Der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker brachten am Freitag gemeinsam ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein. Im Fokus ihres Interesses stehen Corona-Förderungen und der Einfluss von Vermögenden auf ÖVP-Ministerien.
APA/GEORG HOCHMUTH

Gibt es eine "Zwei-Klassen-Verwaltung"?

Noch am Freitag soll das Verlangen auf Einsetzung des Cofag-Untersuchungsausschusses betreffend "Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder" eingebracht werden. Untersuchungsgegenstand soll laut Verlangen, das dem STANDADRD vorliegt, "die Vollziehung durch Bundesorgane, insbesondere die Covid-Finanzierungsagentur des Bundes (Cofag), in Zusammenhang mit Personen, denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die die Österreichische Volkspartei durch Spenden unterstützt haben oder um deren Unterstützung von der Österreichischen Volkspartei etwa im Zuge des 'Projekts Ballhausplatz' geworben wurde". Und zwar im Zeitraum "von 18. Dezember 2017 bis 23. November 2023 im Hinblick auf deren (mutmaßliche) bevorzugte Behandlung".

Krainer und Hafenecker erwarten ein "Sittenbild der ÖVP", die eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft im Hinblick auf die Verwaltung errichtet" habe.

Für die Einsetzung des U-Ausschusses reichen jedenfalls die Stimmen von SPÖ und FPÖ, die über das erforderliche Viertel der Abgeordneten verfügen. Die Neos sind diesmal nicht mit an Bord. Von einer Mehrheit verunmöglicht werden kann der U-Ausschuss nicht. Für einen Einspruch gegen den Untersuchungsgegenstand bräuchte es eine Mehrheit, die ÖVP müsste also die Grünen überzeugen, dagegen zu stimmen. Und selbst das wäre keine Verhinderung des U-Ausschusses, denn in so einem Fall könnte sich die Opposition an den Verfassungsgerichtshof wenden, der dann innerhalb von vier Wochen entscheidet.

ÖVP kontert mit eigenem U-Ausschuss

Es wird nicht der einzige U-Ausschuss bleiben, der Anfang 2024 starten dürfte. Denn am Freitag zu Mittag, nahezu zeitgleich zur Präsentation des Antrags von SPÖ und FPÖ, kündigte auch die ÖVP einen eigenen U-Ausschuss an. Sie braucht dazu keine Unterstützung von anderen Parteien, denn mit ihren 71 Abgeordneten hat sie allein mehr als genügend Stimmen für einen erfolgreichen Antrag – ein solcher braucht bloß 46 Unterschriften.

Eine federführende Rolle im Ausschuss, den die ÖVP plant, wird wieder der Abgeordnete Andreas Hanger spielen, der in den vergangenen U-Ausschüssen als türkiser Fraktionsführer durch seine schrillen Auftritte bekannt wurde. Hanger war es, der in einer Pressekonferenz die Themen vorstellte, die seine Partei aufs Tapet bringen will. Der recht undiplomatische Arbeitstitel "Rot-blaue-Sümpfe-U-Ausschuss" gibt dabei schon die Richtung vor. Es soll um Verfehlungen in der Regierungsarbeit von SPÖ und FPÖ gehen. Das ist insofern bemerkenswert, als die beiden Parteien in der jüngeren Vergangenheit auf Bundesebene gar nicht miteinander koaliert haben, sondern jeweils nur in Kombination mit der ÖVP selbst regierten – die SPÖ von 2007 bis 2017, die FPÖ von 2017 bis 2019.

Gegen SPÖ und FPÖ "zur Wehr setzen"

Der Fokus auf mutmaßliche rote und blaue Ungereimtheiten ist offensichtlich eine Retourkutsche für die SPÖ-FPÖ-Kooperation bei ihrem aktuellen U-Ausschuss-Verlangen. Hanger selbst sagte, die ÖVP wolle sich dagegen "zur Wehr setzen", dass die Oppositionsparteien zuletzt beim sogenannten ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ausschließlich türkise Ministerien untersucht hätten. Dieser "Kampagne" wolle man nun Paroli bieten, und das sei das gute parlamentarische Recht der ÖVP.

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger kündigte am Freitag an, dass auch seine Partei einen U-Ausschuss einsetzen werde. Dabei sollen Inseratenvergaben und Beschaffungen in ehemaligen Ministerien von SPÖ und FPÖ untersucht werden.
APA/EVA MANHART

Doch was konkret will die Kanzlerpartei ins Visier nehmen? Hanger konnte bei der Pressekonferenz den endgültigen Antrag noch nicht vorlegen. Generell wird es laut Hanger aber um Inseratenvergaben, Auftragsstudien, Ausschreibungen, Beschaffungsvorgänge und Personalentscheidung der sozialdemokratisch und freiheitlich geführten Ministerien gehen. Er habe "umfangreiche Indizien", dass hier nicht immer sparsam mit Steuergeld umgegangen worden sei. Konkret nannte er etwa die Anschaffung von Pferden für die Polizei unter dem früheren Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

Langer Zeitraum, aber Grüne nicht betroffen

Der Untersuchungszeitraum ist ebenfalls noch nicht ganz fix, es wird allerdings eine sehr "weitläufige" Spanne sein, wie Hanger formulierte – aller Voraussicht nach von 2007 bis 2019, also beginnend mit der Kanzlerschaft von Alfred Gusenbauer (SPÖ) bis hin zum Ibiza-Skandal der FPÖ im Mai 2019.

Wichtig zu betonen war Hanger, dass die grünen Ministerien und deren Regierungszeit ab 2020 nicht zum Untersuchungsthema gehören werden. Ein ursprünglicher Entwurf der türkisen U-Ausschuss-Pläne aus dem Oktober, der versehentlich geleakt wurde, hatte auch die Grünen im Visier – das ist jetzt vom Tisch: "Uns ist die gute Zusammenarbeit in der Koalition sehr wichtig", erklärte Hanger. Daher nehme die ÖVP auf den Koalitionspartner Rücksicht, wobei die Grünen dem ÖVP-Verlangen übrigens nicht zustimmen werden.

Nachdem Hanger den Zeitpunkt des Einbringens des Verlangens im Nationalrat zunächst noch offen gelassen hatte, war es Freitagnachmittag dann soweit. Das Verlangen wurde mit dem Titel "rot-blauer Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss" eingebracht, der U-Ausschuss solle Aufklärung bringen, "ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden", heißt es darin. Untersucht werden sollen Handlungen aus sachfremden Motiven in roten und blauen Ministerien zwischen 11. Jänner 2007 und 7. Jänner 2020. Mit hineingenommen wurde auch die Frage, ob Personen oder Firmen, die der SPÖ oder FPÖ nahestehen, bis 23. November 2023 durch die Cofag bevorzugt wurden.

Die Uhr tickt

Die Zeit drängt jedenfalls: Allein von der Einbringung eines Verlangens bis zur Einsetzung eines U-Ausschusses vergehen rund zwei Monate. Die Verlangen müssen nämlich zunächst einmal an den Geschäftsordnungsausschuss verwiesen werden, im Anschluss müssen außerdem noch zahlreiche Eckpunkte geklärt, Akten angefordert, der Verfahrensrichter bestimmt und schließlich Auskunftspersonen geladen werden.

Eingesetzt werden könnten die beiden U-Ausschüsse noch im Dezember, spätestens aber im Jänner. Im März oder April könnten dann die Befragungen der Auskunftspersonen stattfinden. Beendet sein müssen die U-Ausschüsse spätestens zum Stichtag der Nationalratswahl, der 82 Tage vor dem Wahltag liegt. Aufgrund des Fristenlaufs endet der Ausschuss somit bei regulärem Ablauf der Gesetzgebungsperiode mit Juni 2024, ansonsten früher.

Viel zu tun bekommt im neuen Jahr Wolfgang Sobotka (ÖVP), sofern er bis dahin auch die Causa rund um die Aussagen des verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek übersteht. Die Verfahrensordnung sieht grundsätzlich vor, dass der Nationalratspräsident den Vorsitz in U-Ausschüssen übernimmt – auch wenn gleich zwei davon parallel stattfinden. Sobotka kündigte am Freitag sogleich an, dass er tatsächlich beide Ausschüsse leiten werde. (Sandra Schieder, Theo Anders, 24.11.2023)