Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hätten sich schon im Sommer auf den Vorsitz eines neuen Expertengremiums einigen müssen, doch passiert ist das nicht. An der Besetzung hängen auch finanzielle Fragen.
APA/ROBERT JAEGER

Wien – Das Urteil des Studienautors zur hiesigen Handhabung von staatlichen Daten fiel kritisch aus. Eine zutiefst österreichische "Geheimniskultur" verhindere allzu oft die transparente Aufbereitung und Verknüpfung behördlicher Informationen, bemängelte Markus Haslinger vergangenes Wochenende im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Der an der Technischen Universität (TU) Wien lehrende Jurist präsentierte dabei seine kürzlich fertiggestellte Studie zu Fragen rund um die österreichische Umsetzung des Data Governance Act der Europäischen Union.

Diese EU-Verordnung, die seit September in allen EU-Ländern angewendet werden muss, regelt die Zusammenarbeit öffentlicher Institutionen bei der Nutzung von Daten und soll dadurch auch zu einer effizienten Verwaltung und fundierten politischen Entscheidungen beitragen. Laut der Studie besteht diesbezüglich in Österreich noch viel Luft nach oben – eine Wurzel des Problems sei neben dem Amtsgeheimnis, dass gern der Datenschutz vorgeschoben werde.

Staatlich finanziert, Summe nicht öffentlich

DER STANDARD nahm diesen Befund als Inspiration, um ein anderes langjähriges Transparenzproblem aufzugreifen, das ähnliche Wurzeln hat: den staatlichen Umgang mit Auftragsstudien und dem Steuergeld, mit dem sie finanziert werden.

Die besagte Studie zum Data Governance Act hat im Juni dieses Jahres der Rat für Forschung- und Technologieentwicklung (RFTE) in Auftrag gegeben, der in der Zwischenzeit in den Rat für Forschung, Wissenschaft, Innovation und Technologieentwicklung (FWIT) umgewandelt wurde. Der FWIT-Rat soll die Bundesregierung etwa zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts beraten und wird vollständig von der öffentlichen Hand finanziert. Er kann Teile seines Budgets wiederum für externe Studien ausgeben, wie im konkreten Fall bei der TU Wien.

Die Suche nach dem 53-seitigen Papier gestaltet sich allerdings schwierig. Auf den Websites des FWIT-Rates und der dahinterstehenden Ministerien wird man nicht fündig, auch Suchmaschinen fördern die Studie nicht zutage. Immerhin übermittelt der Pressesprecher des Rates auf Anfrage den gewünschten Link. Bei der Frage nach den Kosten der Studie ist dann aber Schluss. "Informationen zu Vertragsvereinbarungen werden nicht veröffentlicht. Dies ist auch nicht vorgesehen", teilt der FWIT-Rat mit. Man sei nur dem Rechnungshof eine Rechtfertigung von Auftragssummen schuldig, nicht aber der breiten Öffentlichkeit.

Rechtliche Lücke

Doch ist diese Schweigsamkeit überhaupt legal? Eine im Vorjahr vom Parlament beschlossene Verfassungsbestimmung versprach eigentlich Transparenz auf dem Gebiet. Die Bestimmung sieht vor, dass staatliche Stellen sowohl die Inhalte als auch die Kosten von Auftragsstudien grundsätzlich "in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen haben".

Der Teufel steckt allerdings im Detail, wie der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger erläutert. Denn im Wortlaut des Gesetzes gilt diese Veröffentlichungspflicht nur für "mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betraute Organe". Nicht explizit erwähnt sind hingegen – im Unterschied zu Formulierungen anderer Transparenzregeln – die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts, und um eine solche handelt es sich beim FWIT-Rat. Zudem übt der Rat auch nicht die im Gesetz angesprochenen Verwaltungsaufgaben aus, er berät eben nur.

Während ein Ministerium oder eine Landesregierung mittlerweile im Regelfall von sich aus – sogar ohne vorangegangenes Auskunftsbegehren – die Kosten von Studien veröffentlichen muss, greift dieses Gebot beim FWIT-Rat laut Bußjäger also nicht. Der Experte fügt hinzu: "Inhaltlich kann ich diese Ausnahme nicht nachvollziehen." Es gebe keinen guten Grund, warum die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts lascheren Transparenzvorschriften unterliegen sollten: "Hier besteht aus meiner Sicht eine rechtliche Lücke, die natürlich ausgenützt werden kann."

Regierung kommt Pflicht nicht nach

Eine Lücke besteht weiterhin auch beim FWIT-Rat selbst. Wie DER STANDARD berichtete, fehlt dem im Sommer gegründeten Rat immer noch sein wichtigstes Gremium: die aus zwölf Fachleuten bestehende Ratsversammlung, die von der Bundesregierung nominiert werden muss. Laut Gesetz sollte die Ratsversammlung schon seit August konstituiert sein und arbeiten, doch Türkis-Grün hat die Ratsmitglieder schlicht nicht bestellt. Der Rat kann somit nicht beraten.

Es spießt sich in der Koalition an der Person des Vorsitzenden, die Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gemeinsam aussuchen müssten. Türkise und grüne Stellen erklären auf Anfrage, dass derzeit "intensive ressortübergreifende Abstimmungen" zur Zukunft des FWIT-Rates stattfänden.

Geld für Forschung hängt am Rat

Allzu lang können sie sich nicht mehr Zeit lassen, denn die FWIT-Ratsversammlung spielt eine zentrale Rolle für die Fördermittel der Nationalstiftung, die jährlich 140 Millionen Euro an Forschungsförderung zu vergeben hat. Um die Gelder für wissenschaftliche Projekte auszuschütten, muss die Nationalstiftung die Empfehlungen der FWIT-Ratsversammlung einbeziehen. Wenn Letztere nicht existiert, kann das Geld wohl nicht fließen – die Geschäftsstelle der Nationalstiftung beantwortete eine Anfrage zu diesem Szenario nicht.

Zu den größten Begünstigten der Nationalstiftung zählt der Wissenschaftsfonds FWF, dort hängen etwa das Förderprogramm für Doktoratsstudien ("doc.funds") und innovative Ansätze in der Grundlagenforschung ("1000 Ideen") an dem Geld. Noch seien diese Programme zwar finanziell abgesichert, schreibt der FWF, doch ab Mitte 2024 brauche man die neuerlichen Förderzusagen: Erfolge bis dahin keine Bestellung des neuen Rates, dann drohten den renommierten Programmen künftig Probleme. (Theo Anders, 24.11.2023)