Thomas Zach sieht sich bestätigt vom jüngsten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu den ORF-Gremien. Das Höchstgericht sah zwar verfassungswidrig viel Einfluss der Bundesregierung auf die Besetzung von ORF-Gremien. Aber die vielkritisierten Fraktionen im laut Gesetz unabhängigen Stiftungsrat hätten auch die Verfassungsrichter nicht beanstandet. Zach ist Sprecher des derzeit größten dieser "Freundeskreise" – der ÖVP-nahen Stiftungsräte. Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt er, warum diese Freundeskreise dem Wohl des Unternehmens dienten. Und warum der ORF nicht politikfern sein kann.

ORF kann nicht politikfern sein, sagt Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte.
"Der ORF kann nicht politikfern sein", sagt Thomas Zach, Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte.
Imago Sepa-Media Martin Juen

"ORF ist nicht politikfern"

"Der ORF ist nicht politikfern", sagt der Unternehmensberater sehr grundsätzlich: "Denn der ORF ist integraler Bestandteil der Demokratie, und damit kann er nicht politikfern sein. Demokratie ohne Politik geht nicht. Demokratie ohne Politik und Parteien ist eine Diktatur."

Dieser Befund stehe aber in keinem Widerspruch zur Unabhängigkeit des ORF und seiner Berichterstattung, sagt Zach: "Die Berichterstattung ist verpflichtet zur Äquidistanz, Objektivität und Vielfalt. Ich habe in diesem Sinne des ORF-Auftrags hohe Erwartungen in den multimedialen Newsroom. Wir bewegen uns da in die richtige Richtung." Die Chefredaktion des ORF-Newsrooms wird in diesen Tagen neu besetzt.

Was ist der Stiftungsrat, was entschied das Höchstgericht?

Der Stiftungsrat des ORF entscheidet über die Geschäftsführung von Österreichs größtem Medienkonzern, über Budgets und Programmschemata (das nächste Mal am kommenden Donnerstag) und über alle wesentlicheren unternehmerischen Fragen.

Den Stiftungsrat beschicken Bundesländer, Parteien im Nationalrat, Bundesregierung, ORF-Betriebsrat und ORF-Publikumsrat, wo wiederum Kanzler oder Medienministerin derzeit die Mehrheit bestimmen.

Diesen Einfluss des Kanzleramts auf den Publikumsrat ohne wesentliche Kriterien für die Auswahl erklärte der Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig. Zudem, dass die Bundesregierung mehr Stiftungsräte bestimmt als der Publikumsrat, praktisch ohne Kriterien für die Auswahl. Und dass neue Regierungen, Parteien und Länder etwa nach Wahlen auch ihre Stiftungsräte austauschen können, ging den Höchstrichtern auch zu weit.

Partei-"Freundeskreise" nicht moniert

Die – in der Beschwerde ebenfalls angesprochenen – Freundeskreise bewerteten die Verfassungsrichter in ihrem Erkenntnis nicht. Sie können nur Gesetzespassagen als verfassungswidrig aufheben, Fraktionen oder Freundeskreise sind im ORF-Gesetz nicht erwähnt.

Schon 2012 prüfte die Medienbehörde Komm Austria nach einer Beschwerde über Politeinfluss in den ORF-Gremien die parteipolitischen Freundeskreise im ORF-Stiftungsrat. Sie kam zum Schluss, dass die Fraktionsbildung nicht grundsätzlich der vom ORF-Gesetz verlangten Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit widerspricht.

Wertvolle Einrichtungen

Freundeskreissprecher Zach, entsandt von der ÖVP, sieht sich in den beiden Entscheidungen rechtlich bestätigt. Und er erklärt, warum sie so wesentlich für den ORF seien: "Freundeskreise sind extrem wertvolle Einrichtungen, weil sie die Möglichkeit geben, im Vorfeld von Sitzungen wesentliche Entscheidungen schon auf einer breiteren Basis zu diskutieren. Sie ermöglichen somit eine Entscheidungsfindung im Stiftungsrat in vernünftiger Frist – in einer Sitzung – und auch auf breiter Basis."

Es wäre "völlig lebensfremd", dass sich die Stiftungsräte vor Sitzungen wochenlang in Klausur begäben, über alle Themen grübelten, dann in der Plenarsitzung zwei Fragen stellten und dann eine Entscheidung träfen. In den Sitzungen des Freundeskreises würden die Themen vordiskutiert, Meinungen ausgetauscht aus einer Vielzahl kompetenter Blickwinkel – Zach verweist auf Unternehmensrechtler, Unternehmer, Vertreter und Vertreterinnen verschiedenster Publika. Er spricht von einem "Meinungsbildungsprozess, in dem zum Wohle des Unternehmens möglichst viele Aspekte bedacht und hinterfragt werden".

"Ich kann mich treffen, mit wem ich will, mich abstimmen, mit wem ich will. Ich habe das Recht, meine Meinungen, wenn ich es für richtig erachte, vorher zu diskutieren und mich abzustimmen."

In diesen Fraktionen stimmen sich die Stiftungsräte eines Freundeskreise doch auch ab? "Jeder von uns haftet mit seinem persönlichen Vermögen", sagt Zach dazu: "Ich kann mich treffen, mit wem ich will, mich abstimmen, mit wem ich will. Ich habe das Recht, meine Meinungen, wenn ich es für richtig erachte, vorher zu diskutieren und mich abzustimmen."

Sorgfältiger Umgang mit Gebührengeld

Ein Paradebeispiel, wie gut der Stiftungsrat als Aufsichtsrat mit seinen Freundeskreisen funktioniere, sei das große Sanierungs- und Bauprojekt des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg mit einem Projektvolumen von rund 300 Millionen Euro. Ein öffentliches Unternehmen, das ein so großes Bauprojekt exakt im geplanten Kosten- und Zeitrahmen halten könne, habe Seltenheitswert. Zach führt das auf die begleitende Kontrolle durch den Stiftungsrat zurück: "Wir stiften veritablen Nutzen für das Unternehmen." Der Stiftungsrat achte darauf, "dass mit Gebührengeld besonders sorgfältig umgegangen wird".

Parteipolitiker im Freundeskreis

In den Freundeskreisen der ORF-Aufsichtsräte waren schon vielfach politische oder Parteifunktionäre der jeweiligen Fraktion zu Gast – Mediensprecher, Klubobleute, Parteigeschäftsführerinnen und Generalsekretäre. Das deutet doch mehr auf Parteiinteressen im und am ORF hin denn auf das Interesse des ORF und seiner vom Verfassungsrecht geforderten Unabhängigkeit. Vor der Bestellung des ORF-Generaldirektors 2021 war etwa der damalige Medienpolitikbeauftragte von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gerald Fleischmann, in Sitzungen des ÖVP-Freundeskreises. Der ÖVP-Freundeskreis stimmte im Sommer 2021 geschlossen für Roland Weißmann. Das war entscheidend für seine Bestellung 2021.

Zach erklärt den Besuch des Kanzler-Medienbeauftragten so: "Der ORF selber ist nicht politikfern. Seine Rahmenbedingungen werden von der Politik gestaltet. Und zu Recht wurden die Stiftungsräte noch von jeder Geschäftsführung gebeten, den ORF bei seinen Anliegen bestmöglich zu unterstützen. Also sei es sinnvoll, sich mit politischen Verantwortungsträgern zu unterhalten."

"Natürlich interessieren Besetzungen den Aufsichtsrat"

Das 2023 beschlossene ORF-Gesetz sichere nun die Finanzierung des ORF über einen ORF-Beitrag von allen. Und ORF-General Weißmann sei mit diesem ORF-Gesetz zudem gelungen, für den ORF jene Möglichkeiten im Streaming durchzusetzen, die das öffentlich-rechtliche Unternehmen seit vielen Jahren gefordert hatte. Eine große Mehrheit des Stiftungsrats habe in Weißmann die besten Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Aufstellung des ORF gesehen, sagt Zach. Diese Mehrheit bestand aus ÖVP-nahen und grünen Stiftungsräten, zudem einem Stiftungsrat der FPÖ und zwei Betriebsräten.

Der ORF-Generaldirektor wiederum bestellt alle Führungskräfte unter der Direktionsebene unter den – vorsichtig formuliert – interessierten Augen der organisierten Stiftungsräte. Parteipolitisches Interesse an Besetzungen ließ sich in den ORF-Jahrzehnten immer wieder beobachten. Zach kommentiert auch den Punkt unternehmerisch: "Natürlich interessiert einen Aufsichtsrat die Besetzung von Führungspositionen."

Er spricht von einem falsches Bild vom ORF-Stiftungsrat: "In Wahrheit ist das ein klassischer Aufsichtsrat, der wirtschaftliche und unternehmenspolitische Ziele des Unternehmens im Auge zu behalten hat."

Stiftungsrat und Freiwillige Feuerwehr

Warum sind Stiftungsräte eigentlich – bis auf 50 Euro pro Monat und 100 pro Sitzung – ehrenamtlich tätig? Verleitet das nicht dazu, mit dieser Funktion andere Interessen zu verbinden – politische oder etwa auch wirtschaftliche? Zach verweist auf den Corporate-Governance-Kodex des ORF und Transparenzregeln, dass Stiftungsräte etwa Geschäftsbeziehungen mit dem ORF offenlegen müssen.

Zach: "Viele Menschen üben in diesem Land Ehrenämter aus, manche bei der Freiwilligen Feuerwehr, manche bei der Rettung, die Dritten bei den Pfadfindern oder anderen Organisationen. Wir investieren wahnsinnig viel Zeit und Energie in das wichtigste Medium des Landes, das einen wesentlichen Beitrag zur Demokratie leistet." (Harald Fidler, 24.11.2023)