Das Logo der Signa Holding.
Bei der Signa Holding steht es offenbar Spitz auf Knopf: Ohne Geldgeber droht die Insolvenz des Immobilienkonstrukts.
APA/HELMUT FOHRINGER

Für die wankende Signa Holding des Tiroler Immobilienunternehmers René Benko ist die Woche der Entscheidung angebrochen. Dem extrem verschachtelten und unübersichtlichen Konzern fehlt es an liquiden Mitteln, man sucht dringend Kapital. Zu Monatsende, also am Donnerstag, wird eine 200 Millionen Euro schwere Anleihe fällig – und das ist nur der Auftakt. Bis Jahresende soll Signa 500 Millionen Euro brauchen. Zuletzt liefen laut Insidern "als letzter Versuch" Verhandlungen mit Hedgefonds, die das benötigte Geld einspielen sollen. Klappt das nicht, würden die Signa-Kerngesellschaften wohl ihrer deutschen Immobilientochter und der Sporthandelstochter Signa Sports United in die Insolvenz folgen.

Am Montag bestätigte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg die Insolvenz der Signa Real Estate Management Germany GmbH. Das legt nahe, dass die Liquidität bei Signa nicht ausreicht, um wichtige Tochtergesellschaften zu finanzieren. Vor der Signa-Sports-Pleite hatte der Konzern eine Finanzierungszusage zurückgezogen.

Wie steht es um die erhoffte Geldspritze von Hedgefonds?

Dem Vernehmen nach spießen sich die Verhandlungen. Jene mit dem auf Restrukturierung spezialisierten Investor Attestor sollen ebenso geplatzt sein wie jene mit potentiellen Investoren aus Abu Dhabi und Saudi-Arabien. Mit zumindest einem weiteren Hedgefonds soll aber noch verhandelt werden. Berichten von Spiegel und News zufolge dürfte es sich dabei um den von Paul Singer gemanagten US-Hedgefonds Elliott handeln.

Wo liegen die Probleme? Die Geldgeber wollen sich ihre Investments gut bezahlen lassen. Rund 20 Prozent und mehr der Kreditsumme können derartige Darlehen inklusive zusätzlicher Gebühren jährlich kosten. Als Sicherheit könnten freie Vermögenswerte der Immobiliengesellschaft Signa Prime herhalten, wird gemutmaßt. Fraglich ist jedoch, ob es diese überhaupt gibt. Schließlich müssten die Geldgeber das Gefühl haben, dass der Fortbestand oder zumindest die geordnete Abwicklung möglich ist, gibt Leonhard Dobusch von der Uni Innsbruck zu bedenken. Angesichts des undurchsichtigen Aufbaus der Signa-Gruppe bestünde die Gefahr, die Gelder könnten im Signa-Firmendschungel versickern. Manche Experten gehen davon aus, dass sich potenzielle Geldgeber wie Hedgefonds lieber erst nach einer Pleite engagieren wollen.

Welchen Financiers schuldet Signa wie viel Geld?

Ein Konzernabschluss für die Signa-Gruppe existiert nicht, Insidern zufolge sitzt sie aber auf einem Schuldenberg von zumindest 15 Milliarden Euro. Die Abschlüsse der Konzerntöchter Signa Prime Selection AG und Signa Development AG wiesen für 2022 gemeinsam 13 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten auf. Laut JPMorgan entfallen 59 Prozent davon auf Kredite, von denen wiederum mehr als die Hälfte (54 Prozent) variabel verzinst waren – was in der gegenwärtigen Zinslandschaft zu entsprechenden Belastungen geführt hat.

Der Rest der Schulden besteht laut der US-Bank in unbesicherten Anleihen (1,6 Milliarden Euro) und Hybridkapital (1,8 Milliarden Euro). Eine 2018 begebene und mit acht Prozent verzinste Tranche der Development (60 Millionen Euro) wird zu Jahresende fällig, eine der Signa Prime (50 Millionen; sieben Prozent Zinsen) ebenfalls.

Insgesamt gab es laut Reuters zuletzt rund 40 Financiers, österreichische Banken sind laut Aufsichtskreisen mit rund 2,2 Milliarden Euro dabei. Zwei Drittel davon entfallen auf die Unicredit Bank Austria und Raiffeisen. Auch die Erste Group hat sich engagiert, allerdings ist da in Bankkreisen von einem geringen Betrag die Rede.

Viel Staub aufgewirbelt hat Benko mit seiner Signa auch auf dem Bankenplatz Schweiz, besonders in der Züricher Privatbank Julius Bär. Das Institut zählt zu den größten Kreditgebern von Signa, die der Bank rund 600 Millionen Schweizer Franken (622 Millionen Euro) schuldet. Am Montag hat die Bank versucht, Anleger und Kunden zu beruhigen, und etwas mehr Transparenz hergestellt. Die Darlehen seien an drei verschiedene Einheiten innerhalb "eines europäischen Konglomerats" gegangen, Signa wird nicht genannt.

Weche Rolle spielt der Sanierer Arndt Geiwitz?

Arndt Geiwitz wurde auf Investorendruck vor etwas mehr als einem Monat mit der Sanierung der Signa Holding beauftragt. Am 8. November verkündete diese, Benko habe den Beiratsvorsitz an Geiwitz übergeben; ebenso den Vorsitz des Gesellschafter-Komitees. Auch auf der Signa-Website ist Geiwitz als Vorsitzender des Beirats ausgewiesen. Nur: Laut Medienberichten ist er noch nicht in einer offiziellen Rolle tätig, sondern lediglich als Berater. Auch im österreichischen Firmenbuch scheint er nicht im Zusammenhang mit Signa auf; er hat demnach Vorstandsfunktionen in der Sophie-Kempf-Russ-Privatstiftung und der EAR-Privatstiftung rund um die Medienunternehmerfamilie Eugen Russ.

Seine vorgesehene Rolle würde Geiwitz dem Vernehmen nach erst übernehmen, wenn die finanzielle Grundlage für eine außergerichtliche Sanierung vorhanden sei. Medienanfragen an Geiwitz zu seiner aktuellen Rolle bei Signa blieben unbeantwortet.

Wie der Innsbrucker Uni-Experte Dobusch im Ö1-Morgenjournal am Montag analysierte, sei Geiwitz' tatsächliche Rolle von außen schwierig zu beurteilen. Denn: Den Beirat gibt es gesellschaftsrechtlich nicht, die Signa habe sich dieses Koordinationsgremium ausgedacht. Insofern sei es nicht "völlig absurd", dass Geiwitz als Berater seiner Funktion als Sanierer nachkomme. Beiräte wie bei Signa sind in großen Konzernen nicht unüblich.

Wie ist die Stimmung unter den Signa-Partnern?

Offiziell will dazu niemand Stellung nehmen. Hans Peter Haselsteiner, der über die Familienstiftung rund 15 Prozent an der Signa Holding und rund 9,2 Prozent der an der Signa Development hält, ist nicht zu erreichen. Sein Verhältnis zu Signa-Gründer Benko soll extrem abgekühlt sein, ebenso jenes zu Alfred Gusenbauer. Der frühere Bundeskanzler (SPÖ) ist im Signa-Beirat und Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime und der Development. Zudem hat er Sitz und Stimme in Haselsteiner zuzuordnenden Gesellschaften: Er ist Vorsitzender der Haselsteiner-Familien-Privatstiftung, der HPH-Privatstiftung und Aufsichtsratsvorsitzender der Strabag SE.

Haselsteiner soll angesichts der jüngsten Entwicklungen bei Signa und der kürzlich bekannt gewordenen Honorarrechnungen des Ex-Kanzlers erwägen, sich von Gusenbauer zu trennen, wie von Insidern zu hören ist. Bestätigen lässt sich das mangels Kommunikationsbereitschaft der beiden Betroffenen nicht. Apropos Stiftung: Karin Fuhrmann, im Brotberuf Steuerberaterin bei TPA, die auch für Signa arbeitet, sitzt im Vorstand der Benko-Privatstiftung. Auch sie beantwortet unter Verweis auf Verschwiegenheitspflichten keine Fragen.

Wie geht es weiter? Wird die Signa Holding insolvent?

Der Kreditschützer KSV 1870 konnte am Montag noch nicht abschätzen, wie sich die Causa entwickelt. Erschwerend sei bei einer möglichen Insolvenz der Signa-Gruppe, dass das Konglomerat extrem verschachtelt ist. Allein in Österreich zählten rund 250 Unternehmen zur Signa-Gruppe, die bekannteste ist die Signa Holding mit Sitz in Innsbruck.

Aus Bankkreisen war auch am Montag zu vernehmen, dass es wohl sehr ernst werden dürfte. Ohne frisches Geld wird erwartet, dass Signa bereits am Dienstag Insolvenz anmelden muss.

Würden im Ernstfall alle Signa-Gesellschaften in die Insolvenz geschickt werden? Das muss nicht sein, sagt Karl-Heinz Götze, Leiter der Insolvenz-Abteilung beim KSV. "Ein Dominoeffekt ist nicht zwangsläufig". Das liege an der uneinheitlichen Struktur der einzelnen Gesellschaften, die unterschiedlich finanziert seien und bei denen auch die Eigentümerschaft jeweils eine andere sei. Wie viele Beschäftigte in Österreich von einer etwaigen Insolvenz betroffen wären, sei daher nicht genau zu beziffern.

Die Beschäftigten dürften jedenfalls am Dienstag über die Entwicklungen informiert werden, in Betriebsversammlungen. Das drang aus dem verschwiegenen Unternehmen heraus. (Nicolas Dworak, Renate Graber, Alexander Hahn, András Szigetvari, 27.11.2023)