Die Wiederverwendung brachliegender Liegenschaften ist ein Hebel zur Senkung des viel zu hohen Bodenverbrauchs in Österreich. Denn ein Grundstück, das schon einmal genutzt wurde, ist bereits gewidmet und zählt somit nicht zur Neuinanspruchnahme von Boden.

Das sogenannte Flächenrecycling müsste also das Gebot der Stunde sein, denn der Druck, den Bodenverbrauch zu minimieren, wird immer größer. Darauf machte auf dem zweiten "Brachflächengipfel" des Klimaschutzministeriums und des Umweltbundesamts unter anderem Wohnbauforscherin Andrea Jany in ihrer Keynote, musikalisch umrahmt vom Song "Baun" von Sigrid Horn, aufmerksam. Um das Thema voranzutreiben, hat das Klimaministerium im Vorjahr eine Förderschiene etabliert sowie den sogenannten "Brachflächendialog" ins Leben gerufen. Er soll Vernetzung, Austausch und Kooperationen ermöglichen und so das Thema Flächenrecycling auch stärker in die Köpfe der Entscheiderinnen und Entscheider bringen – und einmal im Jahr soll der wachsenden Szene mit dem Brachflächengipfel eine Plattform zur Verfügung stehen.

Zu diesem Zweck wurde außerdem der "Erdreich"-Preis ins Leben gerufen, mit dem Vorzeigeprojekte privater, kommunaler und betrieblicher Initiativen, die sich besonders für Bodenschutz einsetzen, gewürdigt werden sollen. Die diesjährigen Gewinnerinnen und Gewinner wurden im Rahmen des zweiten Brachflächengipfels am Montag von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) ausgezeichnet. 50 Einreichungen gab es, in fünf Kategorien hat eine Fachjury die Sieger erkoren.

Flächenrecycling in Großweikersdorf

Mehrere kleine Bauteile anstatt eines langen Riegels sorgen für eine harmonische Einfügung in die gebaute Umgebung.
Das Gemeindezentrum Großweikersdorf, geplant von Smartvoll, holte sich den 1. Preis in der Kategorie Flächenrecycling.
Romana Fürnkranz

In der Kategorie "Flächenrecycling" haben die Smartvoll Architekten, die schon im Vorjahr bei der Premiere des Preises dabei waren, neuerlich abgeräumt. Sie haben in der niederösterreichischen Gemeinde Großweikersdorf für eine Liegenschaft, auf der sich zuvor eine alte Fleischerei befand, ein neues Gemeindezentrum geplant, das unter anderem das Rathaus mit großem Sitzungssaal, ein Vereinshaus sowie ein Ärztezentrum beinhaltet. Der langgezogene Baukörper wurde dabei mehrmals unterteilt, es sieht jetzt wie eine Aneinanderreihung mehrerer kleinerer Häuser aus, allesamt zudem aus Holz gefertigt.

Rundherum entstand viel Platz für Feste und andere Veranstaltungen.
Rundherum entstand viel Platz für Feste und andere Veranstaltungen.
Romana Fürnkranz

Es gibt in Großweikersdorf zwar auch bereits ein Fachmarktzentrum am Ortsrand, man habe dort aber einen "noch halbwegs intakten" Ortskern vorgefunden, berichtete Philipp Buxbaum von den Smartvoll Architekten auf der Veranstaltung. Das neue Gemeindezentrum nicht am Ortsrand, wie es kurz im Gespräch war, sondern mitten im Zentrum zu errichten, sei jedenfalls die richtige Entscheidung gewesen, um dem berühmten "Donut-Effekt" gegenzulenken. Das neue Gemeindezentrum, das letztlich auch ein "Gemeinschaftszentrum" und "eine einzige große Einladungsgeste" geworden sei, ist nun seit etwa vier Jahren in Betrieb.

Ausgezeichnetes Projekt auch in Traun

Ein weiterer Preisträger in dieser Kategorie ist Entwickler Hannes Horvath mit seiner Hand GmbH, der in den vergangenen acht Jahren das Areal der ehemaligen Textilfabrik Graumann mitten in Traun (OÖ) zu einem gemischt genutzten neuen Stadtviertel umgestaltet hat. Hinter einem Riegelbau mit sogenannten "Neubaulofts", die hier "Graumann-Lofts" heißen und teils komplett nutzungsoffen, teils gewerblich (unter anderem mit Co-Working) bespielt werden, entstanden mehrere Gebäude mit Eigentumswohnungen.

Zur Bahnhofstraße hin befinden sich die
Die "Graumann-Lofts" in Traun sind eine Entwicklung von Hannes Horvath.
Christian Redtenbacher

In Traun war der Ortskern "ausgesaugt", sagte Horvath auf dem Brachflächengipfel. Seit ein paar Jahren hat allerdings die Linzer Straßenbahnlinie 4 ihre Endstation beim Schloss Traun, ganz in der Nähe des neuen, in der Bahnhofstraße gelegenen "Graumann-Viertels," das sei dem Projekt sehr entgegengekommen – "auch wenn zunächst alle Leute mit der Straßenbahn rausgefahren sind, zum großen Einkaufszentrum". Die Plus City Pasching liegt nämlich entlang der Linie. Mittlerweile hätten sich wieder einige Nahversorger im Ortskern angesiedelt, und es gebe auch bereits Nachahmerprojekte im Umfeld, berichtete Horvath. Die Graumann-Lofts seien nun, rund ein Dreivierteljahr nach dem Start, zu etwa 80 Prozent vermietet.

Über der gemeinsamen Tiefgarage für die Wohnbauten ist ein kleiner Park entstanden.
Christian Redtenbacher

Ein harter Kampf seien die Stellplätze gewesen, man konnte die Anzahl aber von 1:2 (zwei Stellplätze pro Wohnung) auf 1:1,5 runterverhandeln, ein Mobilitätskonzept mit Carsharing und E-Lastenrad zum Ausleihen half dabei. "Einige Stellplätze sind uns trotzdem übrig geblieben", sagte Horvath. Neben dem Mobilitätskonzept sei die Kommunikation "das Herzstück" des ganzen Projekts gewesen, denn es war zuerst notwendig, "eine Marke zu schaffen". Mit den Graumann-Lofts sei das gelungen.

Dritter Preisträger in dieser Kategorie wurde der Donau Gewerbepark Krems für die Revitalisierung eines leerstehenden Industrieareals.

Preise in weiteren Kategorien

In vier weiteren Kategorien gab es Preisträger. Beim "Flächensparen" wurde die Hausgemeinschaft Körnerstraße 16 in Innsbruck-Pradl ausgezeichnet, die einen klassischen Altbau so um- und ausgebaut hat, dass nun 35 statt 17 Personen darin wohnen können und eine Sharing-Gemeinschaft daraus entstanden ist. Die KLAR!-Region Südliches Weinviertel wurde für ihre intensive Auseinandersetzung mit den Themen Zentrumsentwicklung und Ortskernbelebung und das daraus entstandene Positionspapier "Leerstand und Baulandmobilisierung Südliches Weinviertel" ausgezeichnet. Ferner bekam die Marktgemeinde Schwarzenau für die Belebung und Gestaltung des Ortskerns durch ein multifunktionales Gemeindezentrum einen Erdreich-Preis.

In der Kategorie "Bodengesundheit" wurden das Projekt "Bodenkoffer" der LEADER-Region Oberinnviertel-Mattigtal ausgezeichnet, das Landwirtinnen und Landwirten eine einfache, eigenständige Bodenanalyse ermöglicht. Außerdem erhielt der Verein Boden.Leben, der Bäuerinnen und Bauern ein Netzwerk zum Austausch von Bodenwissen ermöglicht, einen Preis, ebenso wie Alfred Grand, der sich mit der Bedeutung von Regenwürmern für die Bodengesundheit beschäftigt.

In der Kategorie "Kommunale Vorreiter" wurde die Stadtgemeinde Tulln an der Donau für die Umwandlung eines versiegelten Parkplatzes am Nibelungenplatz in eine grüne Oase ausgezeichnet. Die Stadtgemeinde Bad Vöslau erhielt den Preis für die Neugestaltung des Stadtzentrums und die Aktivierung innerstädtischer Konversionsflächen. Außerdem wurden die Bestrebungen der Gemeinde Krenglbach um den Bodenschutz mit dem Preis gewürdigt.

Und schließlich noch die Preisträger in der Kategorie "Partizipation": Hier wurde das Klimaschutzprojekt "Boden ErLeben" der KLAR!-Region Waldviertel Kernland für die Bewusstseinsbildung über die Bedeutung des Bodens im Volksschulalter ausgezeichnet, ebenso wie die Universität für Bodenkultur Wien mit dem Projekt "HuLK", in dem Schülerinnen und Schüler sich mit den Themen gesunde Böden und Lebensmittelversorgung auseinandersetzten. Und das Projekt "Das Grüne Eck Perau" vom Magistrat Villach, Abteilung Stadtgrün, in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro für Landschaftsplanung Lenaplant, wurde für die Entwicklung und Entstehung des Quartiersparks, wo auch Kinder in die Planung einbezogen wurden, ausgezeichnet. (Martin Putschögl, 28.11.2023)