Wien – Nach jahrelangen Diskussionen könnte nun tatsächlich eine Videoübertragung von Befragungen im Untersuchungsausschuss kommen. Die Volkspartei blockierte eine solche Live-Veröffentlichung der parlamentarischen Aufklärungsarbeit bisher, indem sie sie an eine Gesamtreform der Geschäftsordnung für U-Ausschüsse koppelt. Die heimlich angefertigte Tonaufnahme eines Gesprächs mit dem ehemaligen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek habe nun aber für ein Umdenken in seiner Partei gesorgt, sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker am Dienstag.

Christian Stocker
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sagt, seine Partei hat ihre Position geändert.
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Stocker hatte schon am Sonntagabend bei der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" kundgetan, dass er persönlich kein Problem mit einer Übertragung hätte. Bis zuletzt war aber unklar, ob der Rest seiner Partei diese Position teilt. Das scheint mit Stockers Pressekonferenz am Dienstag bestätigt.

Gespräche mit anderen Parteien

Der türkise Nachdenkprozess sei angestoßen worden, "weil plötzlich diese heimlichen Mitschnittaufnahmen höher bewertet worden sind als die Aussagen des Sektionsschefs Pilnacek im U-Ausschuss", sagte Stocker. Die ÖVP argumentiert ja, dass Pilnacek im Ausschuss politische Interventionsversuche negiert habe – was im Widerspruch zum Inhalt der Tonaufnahme steht, in der der Jurist nach seiner Befragung im U-Ausschuss versuchte Einflussnahme durch die ÖVP beklagt hat. So eindeutig, wie die Volkspartei das darstellt, ist der Widerspruch freilich nicht.

"Wenn wir eine Bild- oder Tonaufnahme hätten, wo sich jeder auch Bild und Ton ansehen könnte, wäre aus meiner Sicht diese Angelegenheit sofort erledigt", sagt Stocker. Anders als bisher sei die Zustimmung der ÖVP zu einer Übertragung nicht an andere Reformen gekoppelt. Man werde die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der anderen Parteien zu Gesprächen für die Reform einladen. Dass die neuen Regeln schon für die zuletzt eingebrachten Untersuchungsausschüsse gelten, hält Stocker als Ziel für "durchaus erreichbar".

Neos gegen "Orgie" 

Die Neos würden einer Live-Übertragung zustimmen, versicherten sie noch vor der ÖVP-Pressekonferenz – wenn es denn schon zwei U-Ausschüsse im Wahlkampfjahr gebe, sollten diese wenigstens unter besseren Bedingungen stattfinden. Insgesamt aber versuchen die Neos, dem U-Ausschuss-Geplänkel der anderen Parteien mit Sachpolitik zu begegnen. "Wir wissen ganz, ganz viel, was zu tun wäre", sagt Generalsekretär Douglas Hoyos. Die "Orgie an Untersuchungsausschüssen, die hier eingereicht wird", münde hingegen in einen "Kampf alle gegen alle".

Nikolaus Scherak
Nikolaus Scherak von den Neos spricht sich für Reformen statt U-Ausschüsse aus.
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Vizeklubchef Nikolaus Scherak kritisiert, dass sich die eingebrachten Untersuchungsausschüsse "ausnahmslos mit Dingen beschäftigen, von denen wir schon längst wissen, wie man sie verbessern kann". Hätte man ernsthaftes Interesse an Reformen, "dann muss man sich hinstellen und versuchen, diese Reformen anzugehen". Das sind aus Sicht der Neos: "absolute Transparenz" und ein Deckel für Regierungsinserate; die Schaffung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts; ein "echtes" Informationsfreiheitsgesetz ohne Ausnahmen für kleine Gemeinden; ein lückenloses Korruptionsstrafrecht; und ein verschärftes Parteiengesetz. (sefe, 28.11.2023)