Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und der Korruptionsexperte Martin Kreutner am Freitag im Rahmen eines Pressegesprächs.
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Nach den Enthüllungen rund um den im Oktober verstorbenen Justizsektionschef Christian Pilnacek kündigte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) eine Untersuchungskommission an. Diese soll aufklären, ob tatsächlich etwas an Pilnaceks Vorwürfen dran sein könnte, wonach sich die ÖVP – insbesondere Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka – mit Wünschen an Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, gewandt habe, um Ermittlungen abzudrehen und Hausdurchsuchungen zu verhindern. Aufgenommen wurden dessen Aussagen heimlich bei einer abendlichen Runde mit zwei Bekannten – einer davon drückte die Aufnahmetaste – im Sommer dieses Jahres in einem Wiener Innenstadtlokal.

Seit gut einer Woche arbeitet das Ministerium nun daran, die U-Kommission auf Schiene zu bringen – am Freitag präsentierte Zadić im Rahmen eines Pressegesprächs erste Details. Leiten wird die Kommission der Korruptionsexperte Martin Kreutner. Der Tiroler führte von 2001 bis 2010 das Büro für Interne Angelegenheiten im Innenministerium, war bis 2019 Generalsekretär der International Anti-Corruption Academy in Laxenburg und ist einer der Initiatoren des Antikorruptionsvolksbegehrens. Er fungierte außerdem als Berater etwa für die Vereinten Nationen, die OSZE und Transparency International. Zadić zeigte sich erfreut, mit Kreutner einen "ausgewiesenen Experten" für diese Aufgabe gewonnen zu haben.

Video: Korruptionsexperte Kreutner leitet Untersuchungskommission.
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Wer die weiteren – im Übrigen weisungsunabhängigen – Mitglieder der Kommission sein werden, wurde noch nicht bekanntgegeben. Es werden jedenfalls sechs bis sieben Mitglieder sein, die laut Zadić "zeitnah vorgestellt" werden. Bestellt würden laut Kreutner etwa Praktiker aus Staatsanwaltschaften und der Justizverwaltung, zumindest ein Mitglied soll aus dem internationalen Fachbereich kommen.

"Verdachtsmomente und Vorwürfe"

"Vor kurzem sind neue Verdachtsmomente ans Licht gekommen, die eine versuchte politische Einflussnahme auf die Justiz vermuten lassen", begründet Zadić die Einrichtung der U-Kommission. Diese solle für Aufklärung und Transparenz sorgen. Kreutner sprach vor Journalistinnen und Journalisten von "Verdachtsmomenten und Vorwürfen", die im Raum stehen würden und denen es nachzugehen gelte. Denn der Rechtsstaat könne nur dann funktionieren, wenn "Verlass auf die Justiz ist, dass sie unabhängig vorgeht".

Ihre Arbeit wird die U-Kommission mit 15. Dezember aufnehmen. Aufklären soll diese etwa, ob es vom 1. Jänner 2010 bis zum 1.12.2023 Einflussnahmen auf staatsanwaltschaftliche Vorgänge gegeben hat. Den Startzeitpunkt markiert dabei der Amtsantritt Pilnaceks als Sektionschef im Justizressort. Ebenfalls untersucht wird, ob es Interventionen etwa von politischen Parteien auf die Justizverwaltung gegeben hat. Abgeschlossen werden sollen die Untersuchungen bis 31. Mai 2024. Die Ergebnisse sollen am 15. Juni 2024 in einem abschließenden Bericht präsentiert werden.

Kein leichtes Unterfangen

Ein leichtes Unterfangen wird die Aufarbeitung jedenfalls nicht. Immerhin liegen die Vorwürfe zum Teil mehr als zehn Jahre zurück. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man etwas untersuchen soll, das es womöglich offiziell gar nicht gibt. Interventionen sind in der Regel nichts, das veraktet wird.

Die U-Kommission plant jedenfalls, Akten anzufordern, unter anderem von Untersuchungsausschüssen. Zudem sollen Personen in der Causa interviewt werden – wobei die Kommission keine Möglichkeit hat, jemanden vorzuladen oder ihn oder sie unter Wahrheitspflicht zu befragen.

Pilnacek selbst ist mittlerweile verstorben und kann daher nicht mehr Stellung beziehen. Sprechen möchte man etwa mit Sobotka. Pilnacek erwähnt in der aufgetauchten Tonaufnahme explizit, dass ihm Sobotka vorgeworfen habe, Verfahren nicht eingestellt zu haben. Der Nationalratspräsident weist das vehement von sich. Auch Beatrix Karl, die von 2011 bis 2013 Justizministerin war, will man zum Gespräch laden. Laut Pilnacek sei Karl aus dem Amt geflogen, weil sie die Ermittlungen gegen die Schwarzen in der Telekom-Affäre nicht abgewehrt habe. Die Ex-Ministerin kommentierte das bisher nicht. Darüber hinaus wird es auch die Möglichkeit geben, sich anonym an die Kommission zu wenden. Kreutner kündigte an, dass es bei Bedarf auch die Möglichkeit geben werde, bestimmte Aussagen für den Endbericht zu anonymisieren.

Keine Einmischung der Ministerin

Festgestellt werden soll am Ende etwa, ob Ermittlungen behindert worden seien. Wobei "Interventionen, wenn sie stattfinden, nicht so stattfinden, dass jemand sagt, 'Das dürft ihr nicht ermitteln' oder 'Ihr müsst das und das ermitteln'", betonte Kreutner. Man werde sich daher auch anschauen, ob es einen übermäßigen Prozentsatz an Berichtspflichten gegeben habe – ein Staatsanwalt könne nämlich auch dadurch "gelähmt" werden, indem er "dreimal am Tag berichten" müsse. Weitere internationale Beispiele seien etwa das ständige Austauschen eines Sekretariats oder die Nichtbesetzung von Leitungsfunktionen.

Zadić und Kreutner betonten außerdem, dass die Kommission nicht die Arbeit der ebenfalls ermittelnden Staatsanwaltschaft doppeln werde. "Wir sind nicht die Ober-Oberstaatsanwaltschaft oder die Ober-Oberbehörde." Man werde auch nicht alle Verfahren seit 2010 nachkontrollieren können, sagte Kreutner. Das sei nicht die Aufgabe der Kommission – vielmehr gehe es um das Feststellen struktureller und systemischer Mängel. Darauf aufbauend werde man dann Empfehlungen abgeben.

Die Justizministerin will sich jedenfalls nicht in die Arbeit der Kommission einmischen und führte an, kein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern zu haben. (Sandra Schieder, 1.12.2023)