Mitarbeiterin in einem Supermarkt vor einem Kühlregal stehend, Produkte schlichtend
Wie fair sind die Preise im Handel? Die Wettbewerbshüter sehen hier genauer hin.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Die Inflationsrate liegt hierzulande über dem Eurozonendurchschnitt, im November 2023 um 2,5 Prozentpunkte. Unabhängig davon ist das Preisniveau in bestimmten Bereichen aber schon länger vergleichsweise hoch. Etliche identische Güter sind zum Beispiel in Österreich im Lebensmittelhandel teurer als in Deutschland. Zu diesem Befund kam im Frühjahr eine Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Persistente, hohe Unterschiede bei den Preisniveaus sind im europäischen Binnenmarkt erklärungsbedürftig.

Hohe Preise

Die Gründe für diese Abweichungen sind mannigfach. Unterschiede in der Antiteuerungspolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten spielen aktuell eine große Rolle, können aber den langfristigen Trend nicht gänzlich erklären. Da wird der Ruf nach den Wettbewerbsbehörden laut. Klar, für Geldwertstabilität sind nicht die Hüter des Wettbewerbs verantwortlich, sondern die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Aber in einer Währungsunion liegen nationale Abweichungen von der durchschnittlichen Inflationsrate in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten.

Ein eingeschränkter Wettbewerb und hohe Marktkonzentrationen führen regelmäßig zu höheren Preisen. Eine Belebung des Wettbewerbs hingegen hat einen preisdämpfenden Effekt. Es ist auffällig, dass Österreich unter den westeuropäischen Staaten nicht nur höhere Preise hat, sondern dass es sich erst vergleichsweise spät ein modernes Wettbewerbsrecht gegeben hat. Eine unabhängige Wettbewerbsbehörde wurde erst 2002 geschaffen (das deutsche Bundeskartellamt 1958), ein modernes Kartellrecht erst 2005.

"Märkte sind für Menschen da, nicht umgekehrt", so titelte kürzlich eine Veranstaltungsreihe der Europäischen Kommission. Aber dafür muss der Wettbewerb funktionieren.

Dauerhaftes Monitoring

Neue wirtschaftspolitische Vorhaben, etwa zur Sicherung der Versorgungssicherheit, zur Entwicklung und Skalierung neuer Industrien oder zur Begleitung der grünen Transformation sollten nicht auf Kosten des inländischen Wettbewerbs gehen. Denn weniger Wettbewerb geht letztlich zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Bei Gesetzesvorhaben sollte daher die Verhinderung von Monopolen sowie das Absichern von fairen Marktbedingungen mitgedacht werden. Ein dauerhaftes Wettbewerbsmonitoring der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen, würde positiv dazu beitragen. Dafür ist jedoch ein besserer Datenzugang notwendig.

Das Vereinigte Königreich könnte ein Vorbild dafür sein, wie eine Stärkung des Instruments der Branchenuntersuchung funktionieren kann. Dort kann die Wettbewerbsbehörde nicht nur Empfehlungen aussprechen, sondern auch Maßnahmen anordnen. Konkret dienen diese einem erleichterten Markteintritt oder Zugang zu bestimmten Leistungen, und reichen von Transparenzmaßnahmen bis hin zur Entflechtung einzelner Unternehmensteile.

Verschärfte Fusionskontrolle

Die robuste Bekämpfung von Missbrauch ist für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts wichtig. Hier gibt es in Deutschland schon strengere Regeln. Noch besser ist es, wenn wettbewerbsschädliche Marktmacht erst gar nicht entstünde. Eine effektive Fusionskontrolle sollte genau das erreichen. Diese zu stärken könnte bedeuten, die bestehenden äußerst weiten Rechtfertigungsmöglichkeiten für wettbewerbsschädliche Unternehmenszusammenschlüsse zu überdenken. In aller Regel entfalten Zusammenschlüsse, welche den Wettbewerb beschränken, keine gegenläufigen volkswirtschaftlichen Vorteile. Mit Ministerratsbeschluss vom Mai dieses Jahres hat die Bundesregierung in Aussicht gestellt, das Kartellrecht im Bereich der Fusionskontrolle und bei Branchenuntersuchungen zu verschärfen. Das ist ausdrücklich zu begrüßen.

Hohe und stabile Gewinnmargen sollten eigentlich zu Markteintritten führen. Diese wären wünschenswert. Denn neue Wettbewerber im Markt sind grundsätzlich hilfreich, um versteinerte Strukturen aufzubrechen. Vor diesem Hintergrund sind auch faire Außenhandelsbeziehungen und ein funktionierender Binnenmarkt in der EU ausschlaggebend.

Unfaire Praktiken

Ein anderer Aspekt ist die Fairness gegenüber kleineren und mittleren Lieferanten von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. Zuletzt zeigte die BWB, dass sich vier von zehn österreichischen Lieferanten von unfairen Handelspraktiken betroffen sahen, und hat jetzt erste Verfahren zu Gericht gebracht. Die BWB schlug auch eine Verschärfung des Gesetzes vor.

Auch in der digitalen Welt ist Wettbewerb wichtig. Die Digitalisierung erleichtert zwar den Preisvergleich und das Auffinden von Alternativen, sie fördert aber auch Preisdiskriminierung. Die Hotelübernachtung kostet dann etwa mehr, weil die Buchung auf einem iPhone getätigt wird. Verbraucherinnen und Verbraucher können so leicht ausgenützt werden, im Gegensatz zu Unternehmen verfügen sie meist nicht über den notwendigen Marktüberblick. Neben dem Wettbewerb spielt auch die Stärkung des Verbraucherschutzes eine wesentliche Rolle. Auch hier gibt es internationale Modelle, an denen Österreich sich inhaltlich und institutionell orientieren könnte.

Weiße Flecken

Apropos international: Gerade die Digitalisierung mit ihren globalen Internetkonzernen macht eindrücklich klar, wie wichtig internationale Behördenkooperation ist. Hierzu braucht es aber zum Beispiel bilaterale Verträge, damit inländische Vorgaben nicht durch Ausweichen in das Ausland umgangen werden. In Wettbewerbsangelegenheiten sind die Schweiz und das Vereinigte Königreich derzeit weiße Flecken auf der Landkarte. Der Vollzug endet sonst an den Landesgrenzen, die Kartelle tun das nicht.

Anlässlich der Teuerungskrise macht es Sinn, über weitere Reformen nachzudenken und von erfolgreichen Beispielen im Ausland zu lernen. Denn Wettbewerbsvollzug und Wettbewerbspolitik können viel zu fairen Marktbedingungen, Innovation, Qualität, niedrigeren Preisen und letztlich zur Wettbewerbsfähigkeit Österreichs auf internationalen Märkten beitragen. (Natalie Harsdorf-Borsch, Gabriel Felbermayr, 2.12.2023)