Es war ein Auftritt, der in die Geschichte des Internets eingehen dürfte: Im Rahmen des Dealbook Summits der New York Times wurde Elon Musk vor wenigen Tagen auf den Rückzug immer mehr Werbender von X, also jener Social-Media-Plattform, die nicht mehr Twitter heißen will und die im Besitz des Tesla-Chefs steht, angesprochen. Seine Antwort ließ an Deutlichkeit wenig zu wünschen. "Go fuck yourself" rief er jenen Firmen zu, die nach einem unterstützenden Kommentar Musks zu einem antisemitischen Posting ihr Geld lieber woanders ausgeben wollen.

Elon Musk
Tesla- und X-Chef Elon Musk ist nie um eine Kontroverse verlegen.
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Wenig überraschend war das nicht geeignet, die Situation zu entschärfen. Ganz im Gegenteil wurde der Exodus der Werbenden damit nur weiter befeuert. Der neueste Eintrag in der Liste ist einer, der X besonders schmerzen dürfte.

Walmart gibt sein Geld lieber woanders aus

Ausgerechnet in der größten Shopping-Zeit des Jahres hat die US-Handelskette Walmart angekündigt, künftig nicht mehr auf X zu werben. "Wir haben herausgefunden, dass wir unsere Kunden auf anderen Plattformen besser erreichen können", formuliert man es gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters diplomatisch.

Walmart schließt sich dabei einer illustren Runde an Firmen an: Ob Apple, Disney oder IBM, sie alle wollen ihre Werbung nicht mehr in einem solchen Umfeld platziert sehen. Auch praktisch alle großen Filmstudios haben sich mittlerweile zurückgezogen.

Neben Musks eigenem Auftreten, das etwa Disney-Chef Bob Iger explizit als Grund für den Rückzug der eigenen Werbeetats nennt, dürfte den Firmen auch zunehmend Sorge bereiten, in welchem Umfeld sie aufscheinen. So hatte eine Untersuchung von Media Matters belegt, dass Werbung großer Firmen immer wieder neben neonazistischen Inhalten positioniert wurde. Musk hatte sich teilweise persönlich dafür stark gemacht, bekannte Rechtsextreme, die vor Jahren gesperrt wurden, auf die Plattform zurückzuholen.

Eine "neue" Strategie

In dieser Situation versucht es die Werbeabteilung von X nun mit einer neuen Strategie. Statt große Firmen will man zunehmend kleine- und mittelständische Unternehmen (SMBs) dazu bringen, auf der eigenen Plattform zu werben. Gegenüber der Financial Times betont ein Firmensprecher, dass das zwar schon immer "Teil des Plans" war, aber dass man diese Initiativen nun verstärken werde. SMBs seien ein unterschätzter Antrieb für das Werbegeschäft, den man bisher zu wenig bedient habe.

Der große Zerstörer

Das Auftreten von Musk wirft zunehmend aber die Frage auf, ob ihn das alles überhaupt noch interessiert. Bereits im Interview mit der New York Times schien er weniger an der Rettung seiner Firma als an der Klärung der Schuldfrage interessiert zu sein. So betonte er, dass das von ihm als "Boykott" beschriebene Verschieben von Werbeetats die eigene Plattform umbringen werde. Aber auch, dass dann klar sei, wer daran schuld sei.

Elon Musk hatte Twitter vor etwas mehr als einem Jahr für rund 44 Milliarden Euro übernommen. Nach einer riesigen Kündigungswelle und vielen umstrittenen Entscheidungen ist das Werbegeschäft aktuellen Zahlen zufolge um mehr als 60 Prozent eingebrochen. Der Wert des Unternehmens hat sich damit selbst laut Twitters eigenen Einschätzungen mehr als halbiert. (apo, 3.12.2023)