Kolleginnen und Kollegen plaudern in der Kaffeeküche in der Arbeit
Nur kurz zum Plaudern rein, dann schnell wieder heim?
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Mal zu Hause am Laptop, mal zum Teamtag ins Büro: Wenn 2020 bis 2022 einen Vorteil für die Arbeitswelt hatte, dann war es die maximale Flexibilisierung. Die wollte danach kaum jemand missen. Außer manche Arbeitgeber: In den USA beorderten Disney, Amazon, IBM und sogar Zoom die Menschen wieder ganz oder an manchen Tagen in der Woche wieder in die Büros.

Sich dazu bevormunden zu lassen wollten sich aber wohl nicht alle Arbeitenden gefallen lassen. Den postpandemischen Rückholungen durch viele große Firmen trotzt nun eine neue Bewegung, die sich auch im Internet breitmacht.

Gesicht gezeigt

Beim sogenannten Coffee-Badging kommen Mitarbeitende zum Unternehmensstandort, holen sich einen Kaffee, plaudern eventuell kurz mit den Kolleginnen und Kollegen und machen sich dann wieder auf den Weg nach Hause, um von dort weiterzuarbeiten. Es soll einen Akt des Widerstands darstellen: Ich lasse mich zwar blicken, aber will so schnell es geht wieder von zu Hause aus arbeiten. Die Anwesenheitspflicht wurde trotzdem erfüllt.

In Deutschland gibt es dazu sogar eine Studie: Laut Remote-Anbieter Owl Labs praktizieren 38 Prozent der in Deutschland Arbeitenden Coffee-Badging. Befragt wurden 2000 Menschen ab 18 Jahren. 16 Prozent der Befragten gaben an, es einmal probieren zu wollen. Laut Auswertung war 2023 das Jahr der Rückkehr: Knapp die Hälfte der Befragten gab an, aktuell Vollzeit im Büro zu arbeiten, tatsächlich wollen dies jedoch nur 18 Prozent. Zwei Drittel hätten am liebsten sogar ein gesetzliches Recht darauf, von zu Hause aus zu arbeiten.

Englischsprachige Schlagwörter wie Coffee-Badging gibt es in Bezug auf Arbeit immer öfter: Mit dem Quiet Quitting ("stille Kündigung") wollen Arbeitnehmende nicht mehr über dem Limit arbeiten und sich wohler fühlen, indem sie auf Überstunden verzichten. Mit dem Office-Peacocking (im Englischen auf das Wort Pfau bezogen) sollen Arbeitgeber wiederum die Büros so einladend gestalten, dass die Angestellten wieder von selbst auftauchen wollen. Im Grunde geht es aber immer um das Gleiche: wie Mitarbeiter heute zufriedengestellt werden können. Flexible Zeit- und Ortseinteilung auf Vertrauensbasis sind für viele heute ein Hauptkriterium bei der Entscheidung für einen Job.

Unzufriedenheit vermeiden

Doch wie sieht es unter heimischen Arbeitgeberinnen aus? DER STANDARD hat bei verschiedenen Führungskräften nachgefragt, ob sie ein Coffee-Badging wahrnehmen und wie sie für Zufriedenheit im Team sorgen – damit so ein Verhalten gar nicht vorkommt.

Lilian Teuffenbach, Head of People Development & Culture bei Magenta, berichtet zwar von Teamtagen im Büro, nimmt aber kein Coffee-Badging wahr. "Wir schaffen bewusst Möglichkeiten zur Vernetzung wie Workshops, gemeinsamen Sport und Events", erzählt Teuffenbach, "wenn man den zwischenmenschlichen Faktor fördert, nutzen die Bürotage viele als willkommene Abwechslung zum Homeoffice."

"Meine Herangehensweise wäre es, diesem Trend mit einer offenen Einstellung zu begegnen", meint Bettina Reibenegger. Sie ist Head of Communication beim österreichischen Getränke-Start-up Waterdrop. "Als Führungskraft ist es mir wichtig, dass wir als Team kommunizieren und gemeinsam Lösungen finden." Bei ihr im Unternehmen gebe es pro Monat ein bestimmtes Kontingent an Remote- oder Homeoffice-Tagen, die sich die Mitarbeitenden selbst einteilen können.

Bei der Raiffeisen berichtet Elke Berger, Leiterin Human Resources Niederösterreich/Wien, von klaren Spielregeln rund um Telearbeit und Homeoffice – und zwar zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. "Das individuelle Teleworking-Ausmaß wird zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden vereinbart, die konkrete Verteilung ist Aufgabe der Selbstorganisation der Teams unter Führung der Vorgesetzten." Manche Teams hätten fixe Tage, andere wiederum würden ihre Pläne für Präsenz und Homeoffice wöchentlich bearbeiten.

Agil reagieren

Zwar mit klaren Absprachen, aber wenn man ihnen, so gut es geht, die freie Wahl lässt, würde sich ein Team gut entwickeln, sagt dazu Luka Petek, Senior-Management-Berater und Leiter des Bereichs Agile Transformation bei der Unternehmensberatung PwC. Denn heute gehöre es in Unternehmen dazu, die Bedürfnisse jedes Einzelnen mitzudenken.

In gewisser Weise sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden als Kunden sehen, empfiehlt Petek, und sich flexibel an deren Wünsche anpassen. Es brauche wiederkehrende agile Routinen wie Teamgespräche, Fragebögen oder Feedback, um die Zufriedenheit messen zu können. In vielen heimischen Betrieben herrsche aber noch Verbesserungsbedarf bei der "Kundenorientierung". Eine Umfrage von PwC unter 53 Personen in österreichischen Firmen ergab: Ein Viertel ist der Meinung, dass die vorherrschende Arbeitskultur zu sehr in traditionellen Denkweisen verwurzelt sei. Da gelte es anzusetzen – bevor sich die Mitarbeitenden bald ganz woanders einen Kaffee holen. (Melanie Raidl, 7.12.2023)