Zeichnung eines Dinosauriers, der einen kleineren verschlingt
So oder so ähnlich könnte es ausgesehen haben, wenn ein Gorgosaurus libratus einen kleinen, vogelähnlichen Dinosaurier der Art Citipes elegans verschlang.
Illustration: Julius Csotonyi/Royal Tyrrell Museum of Palaeontology.

Nicht umsonst gelten ausgewachsene Tyrannosauriden wie T. rex als die gefürchtetsten Wesen ihrer Zeit. Mit einer Länge von bis zu zwölf Metern und bis zu sechs Tonnen Gewicht waren sie eine imposante Erscheinung für sich. Ihre kräftigen Kiefer und scharfen Zähne ermöglichten es ihnen außerdem, weitaus größere und gepanzerte Pflanzenfresser zu töten. Wie sich jedoch die Jungtiere der fleischfressenden Raubtiere ernährten, war bisher noch unklar. Neue Erkenntnisse dazu birgt ein rund 75 Millionen Jahre altes Fossil eines jugendlichen Tyrannosaurus der Art Gorgosaurus libratus: Zum ersten Mal wurden auch versteinerte Überreste des Mageninhalts gefunden.

Schon bisher war bekannt, dass Tyrannosauriden-Jungtiere weniger robuste Zähne als erwachsene Tiere hatten und sich ihre Anatomie im Lauf ihres Lebens stark veränderte. Offen blieb, ob sie bei der Beute von ausgewachsenen Prädatoren mitfraßen oder bei der Nahrungssuche auf sich allein gestellt waren und sich somit ihr Speiseplan je nach Entwicklungsstufe änderte. Auf Letzteres deuten nun die Ergebnisse der im Fachblatt "Science Advances" veröffentlichten Untersuchung hin.

Fossiler Schädel
Der Schädel des jugendlichen Gorgosaurus ist noch um einiges zarter als der eines erwachsenen Tieres.
Royal Tyrrell Museum of Palaeontology.

Haxen bevorzugt

Während Präparationsarbeiten im Labor des Royal Tyrrell Museum of Palaeontology im kanadischen Alberta entdeckten Forschende in der Bauchhöhle des gut erhaltenen Gorgosaurus-Exemplars Teile von zwei jungen, vogelähnlichen Dinosauriern der Spezies Citipes elegans. Sie waren das letzte Mahl des jungen T.-rex-Verwandten, bevor er aus unbekannter Ursache starb. Das Fossil wurde bereits 2009 in der Dinosaur Park Formation in Alberta, einer der weltweit ausgiebigsten Dino-Fundstätten, ausgegraben. Der Gorgosaurier-Jungspund war zwischen fünf und sieben Jahre alt, etwa vier Meter lang und wog ungefähr 350 Kilogramm – ungefähr ein Zehntel des Gewichts erwachsener Tiere.

Sein Mageninhalt gibt so einiges preis: So waren die Citipes-Exemplare, die er verspeist hatte, jünger als ein Jahr und mit etwa neun bis zwölf Kilo etwa so groß wie ein stattlicher Truthahn. Darüber hinaus war der Gorgosaurus-Teenie offenbar wählerisch. Er hatte nur die Hinterbeine, die fleischigsten Teile, gefressen. Der Verdauungsgrad der Citipes-Knochen weist außerdem darauf hin, dass der halbstarke Gorgosaurus die beiden Tiere im Abstand von Stunden oder Tagen gefressen hatte, die kleinen Dinos also ein beliebter Snack gewesen sein dürften.

Fossile Überreste des Gargosaurus samt Mageninhalt
Im Bauchraum des jungen Gorgosaurus sind noch die Überreste seiner letzten Mahlzeit (rot markiert) konserviert.
Royal Tyrrell Museum of Palaeontology

Verschiedene ökologische Nischen

"Das ist das erste Mal, dass wir einen direkten Beweis dafür haben, dass junge Tyrannosauriden kleinere, junge Dinosaurier fraßen", sagt Darla Zelenitsky, Dinosaurier-Paläobiologin von der Universität Calgary, gemeinsam mit dem Paläontologen François Therrien vom Tyrrell Museum Hauptautorin der Studie. Ältere Tyrannosaurus-Vertreter hätten sich wohl nicht mit derartig kalorienarmmn Kleinvieh abgegeben, fügt Zelenitsky hinzu.

Die Funde legen jedenfalls nahe, dass Tyrannosauriden je nach Lebensalter verschiedene ökologische Nischen besetzten. In jungen Jahren dürften sie eher kleine, junge Dinosaurier gejagt haben. Im Alter von etwa elf Jahren, als Schädel und Zähne vollständig ausgereift waren, sind sie dann dazu übergegangen, große Pflanzenfresser auf ihren Speiseplan zu setzen. Diese altersbedingten Unterschiede in der Nahrung könnten einen evolutionären Vorteil dargestellt haben, da auf diese Weise mehrere Generationen relativ friedlich das gleiche Ökosystem teilen konnten, vermutet das Forschungsteam.

Die halbverdauten Hinterbeine im Magen des jungen Gorgosauriers sind übrigens auch ein Unikat: Sie sind die bisher vollständigsten fossilen Überreste von Citipes elegans – und sind wohl der nächste Forschungsgegenstand der Paläontologen. (kri, 12.12.2023)