Die Bedürfnisse sind oft recht unterschiedlich, ob beim Kennenlernen oder auch innerhalb von Beziehungen. Was ist Verführung heute, und braucht es diese noch? Vielleicht klingt das Wort Verführung für manche heute altmodisch – die Frage ist immer: Was verstehen man darunter, was der Mensch des Begehrens? Ich bespreche hier die Anbahnung zu Erotik und Sex, abseits von Klischees wie Rosensträußen und unterm Fenster gesungenen Ständchen! Sie können es nennen, wie Sie wollen, ob Anbahnung, Verführung, Einladung oder Anmache, irgendwelche Signale und Handlungen braucht es, sonst kommt es nicht zu körperlicher, emotionaler und lustvoller Annäherung – oder auch zu Sex – von zwei, die miteinander wollen.

Paar liegt im Bett
Die gegenseitigen Bedürfniswelten müssen vor allem auch kommuniziert werden, um sie ausleben zu können.
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Auch wenn viele davon träumen, dass der Sex, dauerhaft "von alleine" passiert, am besten spontan und in jeder Lebenslage: Ich finde es altmodisch, dass auch heute noch die Rolle des Verführers oft den Männern zugedacht ist – doch eines nach dem anderen.

Der Faktor Verführung

Verführung zum Kennenlernen funktioniert ja oft super. Denn da sind zwei Personen, die einander interessant finden, meistens mit ihrer ganzen Aufmerksamkeit beim Anderen. Alles ist spannend und prickelnd, wir sind neugierig, charmant, oft hinreissend, weil wir ja Neues erleben wollen, auch uns selbst intensiv spüren wollen – wenn die Chemie miteinander zumindest halbwegs passt.

Natürlich zeigen wir beim Kennenlernen meist unsere verführerischen "Schokoladenseiten", schlüpfen selbst manchmal in "Rollen", die wir zwar wirklich sein können, aber in einem Alltagsleben nicht dauerhaft gelebt werden. Dennoch: in einer Kennenlernphase, die womöglich zu einer Beziehung führen kann – oder auch wenn es einfach nur um Spaß miteinander geht –, da ist meist Leichtigkeit und Spiel in der Verführung selbstverständlich. Es geht ja in dieser Phase auch genau darum, um Eros, um Interesse, um Flirt, und eben (noch) nicht um alltägliche Abstimmungen und Commitments.

Oft wird zu spät geredet

Innerhalb von Beziehungen gibt es spannenderweise oft sehr unterschiedliche Bedürfnisse zur Verführung, sicherlich, weil wir oft mehr bei uns selbst sind und weniger da, wo wir gefallen wollen. Aber natürlich auch, weil ja schon viel miteinander erlebt, diskutiert und vielleicht auch verletzt wurde, da können Anbahnungs-Labyrinthe entstehen, Wege voller Fallen und Eierschalen.

Das kann entspannte Annäherung schwierig gestalten, klar. Die Entscheidung beider, trotz aller Alltags-Herausforderungen bewusst auch erotisches, sexuelles Miteinander freudvoll zu leben, könnte manches vereinfachen. Was ich immer wieder sehr spannend finde: Viele Menschen, die gerne miteinander ein erotisches Miteinander führen wollen, reden nicht, nämlich oft gar nicht, einladend miteinander darüber. Warum eigentlich nicht? Viele reden spät, sehr spät, erst dann, wenn es Vorwürfe werden. Schade.

Unterschiedliche Bedürfniswelten

Sehr oft höre ich von Männern, dass ihre Frau ja "nie" Initiative zeige und von Frauen, dass sie "ansatzlos" oder "im Vorbeigehen" von ihrem Partner eindeutig angefasst werden oder mehr oder weniger "zusammenhanglos" verbale Eindeutigkeiten hören, die sie in dem Moment und auf diesem Weg, in dieser Direktheit abtörnen.
Ich weiß, manche Menschen erkennen die Signale der anderen Person nicht, weil es da oft völlig unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Viele unterschiedliche Wege, Signale und Tempi können einander zu mehr erotischem Miteinander einzuladen – oder eben auch genau das Gegenteil bewirken. Wie wäre es, wenn Sie selbst mal reflektieren, was Sie alles oder wie Sie es manchmal bis öfter selbst gerne hätten? Wie schön wäre es dann, auch noch einladend miteinander darüber zu sprechen und einander eigene Bedürfniswelten vorzustellen?

Es gibt andere Wege

Um eine Frau zu verführen, könnte es durchaus als einladend wahrgenommen werden, wenn es vor einem spontanen "Ich will jetzt ...!!" (psst ... da wäre auch ein "Ich will DICH jetzt!" unter Umständen schon ein Gamechanger ...) bewusste Aufmerksamkeit gibt. Beispielsweise Blickkontakt, eine liebevolle oder auch verführerische, erotische SMS, ein entspanntes, positives Gespräch, ein Lächeln, kleine Berührungen, echte Küsse oder eine liebevolle Umarmung, zärtliche Worte,...

Kurzgefasst: Ehrliches Interesse an Frau als Mensch (also nicht an einer ihrer Rollen als Mutter, Businessfrau, Haushaltsmanagerin, whatever!) ist gefragt. Dies wissen auch sehr gebildete, intellektuelle Männer oft nicht.
Und ja, das mag relativ einseitig klingen, dennoch: Dies bestätigt sich oft in der Praxis. Immer wieder höre ich von Frauen: "Ich hätte ja schon Lust auf ihn und auf guten Sex mit ihm, aber so?" Viele Frauen finden es nicht verführerisch oder gar erregend, wenn es ohne irgendein Fünkchen von entspannter zweisamer und verbindender Kontaktaufnahme "zu schnell zu eindeutig" wird. Ja, klar, Ausnahmen bestätigen wie immer wieder die Regel.

Um einen Mann zu verführen, braucht es oft anderes, nämlich durchaus genau das, was Mann selbst gerne gibt. Eindeutigkeit. Gezielte Berührungen. Klare Signale. Spontanität. Ein "jetzt!". Oft, aber eben nicht immer – ich weiß, so mancher Mann möchte auch erst mal eine Umarmung, Küsse, gute Gespräche.

Jede Geste zählt

Heute habe ich viele vermeintliche Geschlechterklischees besprochen, die in meiner Arbeit jedoch oft genau so thematisiert werden. Selbsterkenntnis, Austausch, Einladungen und auch Überraschungsmomente sind hilfreicher als Sprachlosigkeit und Vorwürfe. Jede kleine Geste, jeder liebevolle, interessierte, vielleicht begehrliche Blick kann verbinden und einladen. Go for it and enjoy. (Nicole Siller, 15.12.2023)