Chatbot, Handybildschirm, Sprechblasen, Linien
Was gilt es bei künstlicher Intelligenz im Unterricht zu beachten?
Illustration: Getty Images / Dusan Stankovic

Die Entscheidung der Wirtschaftsuniversität in Prag, Bachelorarbeiten angesichts der Herausforderungen durch KI-Tools wie ChatGPT abzuschaffen, ist ein Weckruf für Österreichs Bildungssystem. Besonders bei der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) müssen wir uns fragen: Sind wir bereit für einen Paradigmenwechsel?

Die VWA – als dritte Säule der Reifeprüfung für AHS und BHS – soll Schülerinnen und Schüler auf wissenschaftliches Arbeiten vorbereiten. Doch in einer Zeit, in der KI-Tools leicht zugänglich sind, muss man sich fragen, ob die VWA in ihrer jetzigen Form noch ihrem Zweck dient. Als zukunftsfähigere Alternative bieten sich Projekte an, die Kreativität, Zusammenarbeit und kritischen Umgang mit digitalen Tools fördern. Bei diesen Projekten könnten die positiven Aspekte künstlicher Intelligenz wie Unterstützung bei der Ideenfindung, der Konzepterstellung und der Recherchearbeit integraler Bestandteil sein. Die VWA könnte so gestaltet werden, dass sie nicht nur eine akademische Übung bleibt, sondern auch praktische Fähigkeiten vermittelt.

Mutige Annahme

Das Bildungsministerium hat Mitte November eine Handreichung zum Umgang mit ChatGPT und der VWA herausgegeben. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, da es einen offiziellen Rahmen bietet. Doch es gibt Fallstricke: Die Zitierweise von Anweisungen (Prompts) ist nicht immer nachvollziehbar, da jeder Prompt unterschiedliche Ergebnisse bringt. Zudem kommt nun noch mehr Betreuungs- und Beziehungsarbeit auf Lehrpersonen zu, um unsachgemäßen, fehlerhaften KI-Einsatz zu verhindern.

Dieser zusätzliche Aufwand ist zweifelsohne Teil des dynamischen Berufsbilds von Lehrkräften, die sich regelmäßig neuen pädagogischen Herausforderungen stellen, sollte aber trotzdem nicht außer Acht gelassen werden. Zudem ist in dem Leitfaden die Vorhersage enthalten, dass mittelfristig die VWA-Plagiatssoftware auch KI-generierte Texte erkennen wird. Angesichts der globalen Diskussionen über die Schwierigkeiten bei der Erkennung von KI-Inhalten erscheint diese Annahme des Ministeriums optimistisch, wenn nicht sogar mutig.

Verpflichtende Erklärung

Zumindest eine begrüßenswerte Regelung im Leitfaden des Bildungsministeriums ist die Adaptierung der "Eigenständigkeitserklärung" für Schülerinnen und Schüler. Sie ist eine verpflichtende Erklärung, in der die Jugendlichen bestätigen, dass sie ihre abschließenden Arbeiten selbstständig verfasst haben und alle verwendeten Hilfsmittel und Quellen einschließlich KI-basierter Tools korrekt angegeben haben. Diese Maßnahme ist immerhin ein Bemühen, die Eigenverantwortung zu fördern und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards zu gewährleisten.

Die "Eigenständigkeitserklärung" ist nicht nur eine formale Anforderung, sie ist auch ein wichtiges Werkzeug zur Aufklärung über akademische Integrität. Bei einem Verstoß könnten in der Theorie und nach meinem Verständnis Konsequenzen wie die Aberkennung der Arbeit folgen. Freilich nur in der Theorie, weil es derzeit ja noch keine erfolgreichen Tools gibt, diesen Betrug nachzuweisen. Das wird bestimmt eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren, sollte die VWA so bleiben, wie sie derzeit ist.

Ein Wendepunkt

Die derzeitige Situation erfordert jedenfalls dringend ein Umdenken und Handeln. Wir müssen diesen Teil der Reifeprüfung hinterfragen und/oder anpassen, um sie nicht nur zukunftsfähig zu machen, sondern auch relevant für die Herausforderungen, die unsere Schülerinnen und Schüler in einer von KI geprägten Welt erwarten. Die Prager Entscheidung muss uns motivieren, unseren eigenen Zugang kritisch zu überdenken. Bildungssysteme weltweit – also auch das österreichische – stehen an einem Wendepunkt, an dem die Integration von KI nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit ist.

Schulen und Universitäten sind gefordert, innovative Wege zu finden, um mit den Herausforderungen und Chancen dieser Technologien umzugehen. Dies erfordert nicht nur eine Anpassung der Lehrpläne und Prüfungsformate, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Art und Weise, wie wir Lernen und Lehren verstehen. (Bernhard Gmeiner, 15.12.2023)