Er war sichtlich zufrieden. "Herzlichen Glückwunsch an Präsident Aleksandar Vučić", twitterte der ungarische Premier Viktor Orbán, nachdem Vučićs rechtspopulistische Fortschrittspartei in Serbien am Sonntag erwartungsgemäß abgeräumt hatte.

Orbán und Vučić sind enge Verbündete, bilden eine Allianz antiliberaler Europäer, die den Rechtsstaat und die Freiheit einschränken. Ihre Methode ist Einschüchterung. Sie propagieren eine völkisch definierte Nation. Sie wollen keine Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger, genau deshalb lehnen sie Diversität und Pluralismus ab. Gleichzeitig füttern sie loyale Liebdiener mit Geld und Posten. Angesichts dieser "Lenkungsmethoden" und fehlender Medienfreiheit erachten Beobachter die Wahl vom Sonntag als Scharade.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić
Enge Verbündete: der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić.
AP/Darko Vojinovic

Sie diente Vučić aber auch dazu, seine "serbische Welt" zu demonstrieren, die Nachfolger-Idee von "Großserbien", wie sie Slobodan Milošević in den 1990er-Jahren verfolgte. Die serbische Verwaltung verteilte zuletzt viele Staatsbürgerschaften in den Nachbarstaaten – das sichert Vučić Wähler und untergräbt die Souveränität der Nachbarn.

Dass all dies unwidersprochen geschehen kann, zeigt, dass die Erweiterung auf dem Westbalkan gescheitert ist. Die EU hat ihre transformative Kraft verloren, weil sie ihre Versprechungen nicht einhält; weil sie keine Standards mehr einfordert; weil Reformen nicht belohnt werden und nationalistischen Erpressungen nachgegeben wird.

Es gibt weder eine Strategie noch ein regel- und wertebasiertes Vorgehen. Im Gegenteil: EU-Staaten erhalten die Strafmaßnahmen gegen die Regierung des kleinen demokratischen Kosovo, wo erst im September serbische Milizen einen Terroranschlag verübten, aufrecht. Dem Kosovo wurde trotz Reformen kein Kandidatenstatus verliehen – die Republik Moldau aber bekam ihn.

Die EU-Staaten haben den Westbalkan in ihren toten Winkel gestellt, damit sie nicht mehr sehen, was dort geschieht. Ignoranz und Selbsttäuschung gehen so weit, dass Diplomaten noch immer so tun, als könnten sie ein Abkommen zwischen Serbien und Kosovo erreichen, obwohl Vučić diesem längst eine Absage erteilt hat. Man will nicht zugeben: Die EU hat keinen Hebel mehr. Die Heuchelei führt bei den Menschen aber zu Vertrauensverlust.

Vertreter der Zivilgesellschaften kritisieren immer öfter, dass westliche Staaten den Balkan vorrangig als kolonialen Raum begreifen, aus dem Rohstoffe für die Industrienationen – vor allem Mineralien für die Energiewende – und billige Arbeitskräfte besorgt werden.

Deutsche Konzerne wie Lidl unterstützen das Regime durch Werbung in den Systemmedien, die Kreml-Propaganda betreiben. Von Zeitenwende keine Spur, es kommt höchstens zu kosmetischen Veränderungen. So erklärte Lidl dem STANDARD auf Nachfrage, dass man ab 2024 keine Werbung mehr beim regierungsnahen Sender Happy TV schalten werde: Das Geld werde nun dem öffentlich-rechtlichen Sender RTS zugutekommen. Man füttert also das gleiche System, nur eben einen anderen Player.

Auch die EU verteilt weiter hunderte Millionen Euro an Serbien. Was könnte noch einen Unterschied machen? Vielleicht der Widerstand jener EU-Steuerzahler, denen die ernsthafte Entwicklung von Rechtsstaat und die Demokratie auf dem Balkan doch ein Anliegen ist. (Adelheid Wölfl, 18.12.2023)