Laut jüngster Eurobarometer-Umfrage unter EU-Bürgern hat Österreich den höchsten Wert an Unzufriedenheit mit der EU. Wie äußert sich diese Unzufriedenheit?

Ein besonders aussagekräftiges Beispiel dafür konnte man vor zwei Wochen in der Kronen-Zeitung, dem Zentralorgan der österreichischen Unzufriedenheit mit dem Leben an sich, finden. Dr. Gerhard Drexel, Miteigentümer und Aufsichtsratspräsident des Supermarktkonzerns Spar und laut Krone "Legende des rot-weiß-roten Lebensmittelhandels", übt heftige EU-Kritik: "EU trampelt auf Boden herum!" Was will uns die Legende damit sagen? Drexel präzisiert: "Die EU-Kommission vernachlässigt auf das Sträflichste den Schutz der Gesundheit von Menschen, Natur und Böden."

Supermarktketten gehören zu den großen Bodenversieglern des Landes.
Getty Images

Die EU trampelt also nicht wegen eines Wutanfalls auf Boden herum, sondern weil sie den Bodenschutz vernachlässigt. Das wirft spontan eine Frage auf: Handelt es sich hier um ein Legenden-Bildungsproblem oder einfach um legendäre Chuzpe? Supermarktketten gehören zu den eifrigsten Bodenversieglern des Landes. Österreich hat die höchste Supermarktdichte innerhalb der EU. Der Vorwurf, dass die EU nichts für den Bodenschutz tut, ist aus dem Mund vom Spar-Aufsichtsratspräsidenten ungefähr so, als würde der Flughafen-Wien-Aufsichtsrat beklagen, dass die EU nichts zur Eindämmung des Flugverkehrs unternimmt.

Zwangsläufige Teuerung

Zumindest, was den Chuzpe-Faktor anbelangt, bemüht sich die Konkurrenz mitzuhalten. Marcel Haraszti, Chef von Rewe-Österreich, erklärte in einem ZiB2-Interview, warum Lebensmittel in heimischen Supermärkten so viel teurer sind als in Deutschland. Schuld sei die Dichte an Lebensmittelgeschäften hierzulande, denn: "Wir haben höhere Logistikkosten, weil wir einfach mehr Standorte andienen." Das heißt: Weil die Supermärkte unser Land zubetonieren, müssen sie auch die Lebensmittel teurer machen. Diesem Gedanken wohnt eine gewisse, von seinem Urheber möglicherweise nicht so intendierte Logik inne: Wenn es immer weniger fruchtbaren Boden für Lebensmittel gibt, werden die Lebensmittel zwangsläufig teurer.

Auf jeden Fall kann man den Chefs von Spar und Rewe einen guten Ratschlag auf ihren weiteren Lebensweg mitgeben: Wenn Sie, meine Herren, wirklich etwas tun wollen für mehr Bodenschutz und niedrigere Lebensmittelpreise, dann lassen Sie doch einfach keine Supermärkte mehr in die grüne Wiese bauen. Stattdessen könnte man die im ganzen Land immer häufiger zu beobachtenden ausgestorbenen Ortskerne wieder mit Filialen beleben.

Wenn wir dann in Österreich nicht mehr die höchste Supermarktdichte Europas haben, ersparen Sie sich auch noch was bei den Logistikkosten, und Ihre Kunden freuen sich über günstigere Preise. Also eine Win-win-win-win-Situation für Ihre Konzerne, die Konsumenten, die Ortskerne und den Bodenschutz. Und wenn Sie dazu, warum auch immer, nicht in der Lage sind, dann machen Sie bitte den Platz frei für Nachfolger, die das endlich umsetzen. Sollten Sie Bedenken haben, dass dieser Schritt als Resultat einer selbstkritischen Reflexion Ihrerseits interpretiert werden könnte, bietet sich für die offizielle Kommunikation ein bewährtes Wording an: "Schuld ist die EU!" (Florian Scheuba, 21.12.2023)