Blick in den Leobener Geschworenengerichtssaal.
Markus Sulzbacher

Im Jahr 2010 ist bei einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas in Graz ein Sprengsatz detoniert. Erst rund elf Jahre später führte eine Aussage eines Informanten zu mehreren Verdächtigen – und drei davon, alle damals in der rechtsextremen Szene aktiv, stehen seit Dienstag in Leoben in der Steiermark vor Gericht.

Der zweite Verhandlungstag wurde durch die Aussagen eines Verfassungsschutzmannes bestimmt. In seiner Aussage machte er nämlich die Identität des Informanten öffentlich und sorgte so für überraschte Gesichter im Gerichtssaal. Der Mann war nämlich unmittelbar vorher als Zeuge einvernommen worden und ist der Bruder eines der Angeklagten. Er ist auch ein bekannter Neonazi, der seit Jahren in der Skinheadszene aktiv ist, ein Rechtsrockkonzert organisierte und für die FPÖ tätig war. Zuletzt fiel er auf, als er gemeinsam mit Neonazis das Begräbnis eines SS-Mannes besuchte, der in der Szene als Ikone galt.

Staunende Gesichter

Laut den Aussagen des Verfassungsschützers soll er den Hauptangeklagten erkannt haben, als ihm der Verfassungsschützer ein (unscharfes) Foto einer Überwachungskamera zeigte, das den Täter vom Anschlag auf das Flüchtlingsheim zeigen soll. Dadurch kamen im Jahr 2020 die Ermittlungen ins Rollen. Er war "eine Art V-Mann", sagte der Verfassungsschutzmann, eine "Gelegenheitsperson".

Nachdem der Name des Informanten bekannt war, zitierte ihn die Richterin Sabine Anzenberger erneut ins Gericht. Und sie fragte ihn, warum er nicht erwähnt habe, dass er Informant war. Er antwortete, dass er nur gesagt habe, es "könnte der Hauptangeklagte sein". Dies habe er allerdings auch heute bei seiner Aussage gesagt.

Weitere Aussagen des Verfassungsschutzmannes, der mittlerweile im Innenministerium in Wien arbeitet, sorgten ebenfalls für staunende Gesichter. So sagte er aus, er habe einem weiteren Zeugen ebenfalls das Foto gezeigt und gefragt, ob dies der Hauptangeklagte sei. Dies sei bejaht worden. Nachdem er dies erzählt hatte, wurde Richterin Anzenberger lauter. Sie erklärte ihm, dass dies nicht zulässig sei. Er hätte auch andere Fotos vorlegen müssen.

Aufnahme unauffindbar

Auch stellte sich heraus, dass die Verfassungsschützer einfache Sachverhalte nicht überprüft hatten. Auch in diesem Zusammenhang wurde die Stimme der Richterin lauter. Zusätzlich stellte sich heraus, dass eine von den Staatsschützern mit einem Handy aufgenommene Aussage nicht auffindbar ist – und zwar eine Gesichtsfelderkennung durchgeführt wurde, aber keine genaue Auswertung des Videos, die etwa Aufschluss über die Größe des Mannes auf dem Foto geben könnte. Die Richterin war sichtlich schockiert und verärgert.

Die Verteidiger der Angeklagten stellten auch immer wieder die Frage, ob der Verfassungsschutz dem Hauptangeklagten Wörter und Aussagen in den Mund gelegt habe. Dies wurde entrüstet zurückgewiesen.

Überraschung

Das Outing des Informanten war die zweite große Überraschung im Prozess, nachdem der Hauptangeklagte am Vortag nach drei Stunden Verhandlung und einer scharfen Befragung seitens der Richterin sein Geständnis widerrufen hatte. Er erklärte, dass er alles erfunden habe und die beiden Mitangeklagten nichts damit zu tun hätten. Eine Erzählung, die ihm der Staatsanwalt nicht abnahm. Nach seinem Rückzieher war immer wieder Thema, ob er bedroht und deswegen seine Aussage zurückgezogen hat. Seine Mutter sagte aus, sie wisse, dass er Angst habe. Sie aber nicht in Erfahrung bringen konnte, wovor oder vor wem.

Diesbezüglich wurde der Informant befragt, der der Frau eine Messenger-Nachricht schickte, die diese als Drohung auffasste. Darin erwähnte er, welche Kosten auf die Familie zukommen könnten, wenn die "Wahrheit ans Licht" komme. Darauf angesprochen, betonte der Informant, dass es keine Drohung war und es ihm leid tue, wenn die Nachricht als solche wahrgenommen wurde. Im Zuge seiner Vernehmung wurde klar, dass er der Kopf der Skinheadszene im Raum Mariazell ist.

Der Prozess wurde auf Februar vertagt. (Markus Sulzbacher, 20.12.2023)