Starfield
"Starfield" war kein schlechtes Spiel, aber es hat die hohen Erwartungen kaum erfüllt.
Microsoft/Bethesda

Ob 2023 es das "beste Spielejahr seit langem" war, ist eine Frage der Perspektive: Fürs Publikum waren große Hits wie "Baldur's Gate 3", "Alan Wake 2", "Super Mario Wonder", "Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" oder "Spiderman 2" Grund zur Freude. Für sehr, sehr viele Menschen, die in der Videospielbranche arbeiten, ist der Blick zurück bitter. Fast 7000 Entlassungen hat die Branche im letzten Jahr vermeldet – von Studioschließungen über Mitarbeiterreduktionen bis hin zu sonstigem Stellenabbau.

Die Qualität der Spiele hat damit nicht unbedingt etwas zu tun, allerdings wird vor allem bei Großproduktionen jeder Miss- oder auch nur Halberfolg brenzlig. Wenn ein aufwendig produziertes Spiel wie das im Frühjahr nur auf mäßiges Interesse gestoßene "Forspoken" oder das fast völlig unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaunchte Fantasy-Call-of-Duty "Immortals of Aveum" unter den Erwartungen bleibt, reißt das manchmal auch ganze Studios in den Abgrund.

Die folgenden fünf Spiele haben auch im "guten Spielejahr" 2023 für ungläubiges Entsetzen, bittere Enttäuschung oder gar emotionale Abwehr gesorgt. Manche davon waren einfach schlecht – andere wiederum haben die in allzu lichte Höhen gepushten Hype-Erwartungen zumindest bei manchen bitter enttäuscht.

Die Siedler: Neue Allianzen

Fans der Aufbaustrategie-Wuselserie "Die Siedler" hatten es schwer. Zuerst ließ der inzwischen achte Teil der deutschen Erfolgsserie wegen chaotischer Produktionswirren ganze 13 Jahre auf sich warten – und dann, beim Release, hätten sich viele der Fans dann doch lieber in diese Zeit des naiven Hoffens auf einen würdigen Nachfolger zurückgewünscht. Wie beim Säulenheiligen aller aufwendigst glorreich vergeigten Fortsetzungen, dem altehrwürdigen Duke Nukem, wurde die lange Entwicklungszeit nämlich lediglich dafür genutzt, die legendäre Reihe aufs Gründlichste an die Wand zu fahren.

Zugegeben: Die Grafik von "Neue Allianzen" ist ganz hübsch, allerdings ist das schon das einzig Positive, was in den meisten Rezensionen zu diesem Spiel zu lesen war. Zu flach, zu lahm, zu uninteressant, zu simpel, unfertig, kaputt, technisch katastrophal – eine Games-Gurke, wie sie im Buch steht.

Redfall

Eigentlich ist das Entwicklerstudio Arkane Garant für interessante, spannende und vor allem eigenwillige Spiele, die ihr Publikum seine eigenen Wege finden und gehen lassen. Das im Mai veröffentlichte "Redfall" ist allerdings ein Paradebeispiel für das gefürchtete Phänomen "Design by Committee", bei dem alles, was gerade vermeintlich populär ist, ohne Rücksicht auf Verluste in nicht unbedingt dafür geeignete Spielkonzepte gestopft wird. Die Frustration der Entwickler darüber, dass das Vampir-Open-World-Spiel unbedingt ein Service-Game-artiger Multiplayer-Loot-Shooter sein musste, merkt man dem blutleeren Spiel in jeder Minute an. Einer Reportage des Branchen-Aufdeckers Jason Schreier zufolge hätten sich einige der desillusionierten EntwicklerInnen nichts sehnlicher gewünscht, als dass Microsoft dem Projekt noch vor dem Release den Gnadenstoß versetzt.

Auch dem Auge wird von dieser Gurke kein Trost geboten: Dem mittelmäßigen bis mangelhaften Gameplay von "Redfall" steht ebensolche Grafik gegenüber – nicht wenige SpielerInnen haben voller Unglauben im Optionsmenü des Spiels nach dem Regler gesucht, um das im 2010er-Jahre-Look dahinstagnierende Spiel von den vermeintlichen Mindest-Settings hochzuschrauben – erfolglos.

Redfall
"Redfall" hat ebenfalls viele Erwartungen enttäuscht.
Bethesda

Starfield

Moment – "Starfield", eine Gurke? Das von beispiellosem Hype, monatelanger intensiver Vorberichterstattung und sorgfältig orchestrierter Embargopolitik begleitete SF-Rollenspiel hat seit dem Launch im September angeblich über 12 Millionen SpielerInnen angezogen und zum Teil hymnische Rezensionen eingefahren. Trotzdem schimmert in zahllosen Kommentaren auf Reddit und in den Rezensionen auf Steam immer wieder auch bodenlose Enttäuschung, Zorn und Verbitterung durch. Von 130.000 Rezensionen auf Steam sind fast 50.000 negativ – ein mehr als deutlicher Hinweis darauf, dass sich Groll breitmacht. Dass sich seit kurzem Bethesda-Mitarbeiter selbst vermehrt per Antwort auf die negativsten Steam-Kritiker zu Wort melden, beweist, dass der Unmut der Spielerschaft auch den Machern nicht egal ist – auch kein besonders souveräner Look für ein Spiel, dessen Hype ein paar Schuhnummern zu groß war.

Noch bitterer als der Bedarf nach Rezensionstuning ist allerdings, dass erst vor wenigen Tagen eines der von "Skyrim" bekannten, legendärsten Modding-Teams mit deutlichen Worten der Frustration das Handtuch geworfen und die Arbeit an der eigentlich heißersehnten Koop-Mod "Starfield Together" eingestellt hat. Der vom Projekt-Lead genannte Grund, kurz und brutal: "This game is f***ing trash." Autsch.

The Day Before

Was für ein Absturz: Vom "Most wishlisted game" Anfang 2023 auf Steam zur Bruchlandung mit tausenden negativen Rezensionen direkt nach Veröffentlichung Anfang Dezember, gekrönt von der Auflösung des Studios und der völligen Entfernung des Early-Access-Desasters aus dem Downloadstore – eine beinahe griechische Release-Tragödie im Schnelldurchlauf. Dabei hätte alles so schön sein können: eine riesige Open-World-MMO-Sandbox in der urbanen Zombie. Apokalypse war von den Machern von "The Day Before" versprochen worden.

Dass sich das Game dann aber doch stattdessen beim Release als Extraction-Shooter herausstellte, hat dann doch einigermaßen überrascht – aber nicht so sehr wie die Qualität des Gebotenen. Irgendwie auch schade, dass dieser Bauchfleck nach seinem völligen Verschwinden fortan wohl nur mehr als düstere Legende durchs globale Unterbewusstsein spuken wird – als abschreckendes Beispiel hätte das Spiel vielleicht noch einen Nutzen gehabt.

Gollum
"Gollum" war in vielerlei Hinsicht ein Debakel.
Daedalic

Der Herr der Ringe: Gollum

Auch eine der namhaftesten Lizenzen der Welt nützt nichts, wenn auch Saurons feuriges Auge beim Anblick des Desasters namens "Gollum" zu tränen beginnt. Das, was die deutsche Entwicklungsabteilung des Hamburger Publishers Daedalic Ende Mai auf eine hoffnungsfrohe Spielerschaft losgelassen hat, hatte nur entfernte Ähnlichkeit mit dem, was man sich erwartet hatte. Oder Moment: ein Spiel über einen kleinen, von Hass und unheilvoller Macht des Einen Rings entstellten erbärmlichen Bösewicht, der sich in der ewigen Nacht feuchter Tunnel von Würmern und kalten Fischen ernährt und sich mit übellaunigen Orks, Goblins und sonstigem Ungeziefer herumschlägt – in gewisser Weise hat "Gollum" das Spaßpotenzial exakt dieser Beschreibung gewissenhaft übererfüllt.

Ein Spiel, das so schlecht war, dass es sogar eine Dokumentation über seinen Crash gibt – bitter für die großteils nicht daran schuldigen Entwickler, die nach dem Debakel vor die Tür gesetzt wurden.

Welche Spiele haben Sie 2023 besonders enttäuscht? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen! (Rainer Sigl, 23.12.2023)