Wien – Ab 1. Jänner 2024 kämpft der ORF mit 14 neuen Formaten um die Gunst des jungen Publikums. Und zwar rund um die Uhr, konzipiert als 24-Stunden-Streamingangebot. ORF Kids heißt der neue Kinderkanal. Alexandra Schlögl und Yvonne Lacina-Blaha leiten ihn.

Alexandra Schlögl (links) und Yvonne Lacina-Blaha leiten den neuen ORF-Kinderkanal ORF Kids.
Alexandra Schlögl (links) und Yvonne Lacina-Blaha leiten den neuen ORF-Kinderkanal ORF Kids.
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STANDARD: Am 1. Jänner geht es los mit ORF Kids: Welche Erwartungen haben Sie in puncto Quoten?

Lacina-Blaha: Für uns ist es jetzt schon ein Erfolg, weil wir den Themen der Kinder mehr Platz geben können. Wie es ankommen wird, darauf sind wir selbst gespannt.

Schlögl: Vieles wird über direktes Feedback vom Publikum kommen. Die Quoten oder Abrufe sind für mich am Beginn zweitrangig, mir ist das Feedback der Eltern und Kinder wichtiger.

STANDARD: Das Kinderprogramm richtet sich an die Drei- bis 14-Jährigen, also an eine sehr breite Zielgruppe. Wie kann dieser Spagat programmatisch gelingen?

Schlögl: Ja, das ist eine große Herausforderung. Auch weil wir der Meinung sind, dass Jugendliche nicht unbedingt auf jener Plattform ihr Programm suchen, wo auch Kinder schauen. Unsere Hauptzielgruppe sind sicherlich Volksschulkinder, wie auch im linearen Programm von ORF 1. Die werden wir in erster Linie bedienen, auch wenn es Formate gibt, mit denen wir junge Teenager erreichen wollen.

Lacina-Blaha: Wir haben Formate wie "Hallo, was machst du?" oder "Ganz Ohr", die sich von der Bildsprache, der Tonalität und der Machart den Gewohnheiten der Jugendlichen anpassen. Und mit der Themensetzung hoffen wir, dass wir auch Kinder erreichen, die über das Volksschulalter hinausgehen.

Schlögl: Zum Beispiel mit "Science Busters for Kids". Das ist das Bühnenprogramm Martin Puntigams und Dr. Martin Moders, das sie vom Humor und Inhalt sonst auch an Gymnasium- oder Mittelschulkinder richten. Oder das Musikformat "Kling Klang", wo so viele Infos über Musikinstrumente dabei sind. Das könnte auch ältere Kinder und Jugendliche ansprechen.

Lacina-Blaha: Wesentlich ist, dass das gesamte Programm gewalt- und werbefrei ist. Sollte ein Fünfjähriger also bei ORF Kids landen und dort das Format sehen, das für Zwölfjährige gedacht ist, so ist das auch in Ordnung. Thematisch ist vieles miteinander verwoben.

STANDARD: Dreijährige sollten aber nicht unbedingt fernsehen, wie Entwicklungspsychologinnen und Experten sagen. Viele machen es trotzdem, und deswegen entwickelt man Programm für Sie?

Schlögl: Für die ganz Jungen sehen wir eher die On-Demand-Plattform vor, wo der "Kasperl" zu sehen ist, der "ABC Bär" oder eine englische Lernserie. Solche Dinge müssen die Kinder nicht im Onlinekanal schauen, sondern sie können vielleicht ein, zwei Folgen auf Abruf konsumieren, wenn es ihnen ihre Eltern einstellen.

Lacina-Blaha: Es liegt nicht in unserer Hand, wie viele Kinder schauen dürfen. Unsere Aufgabe ist es, ein kuratiertes Programm anzubieten.

Schlögl: Eines unserer Ziele ist es, dass es für Eltern beruhigender ist, ihr Kind mit ORF Kids zu konfrontieren als zum Beispiel mit Youtube Kids, wo sich das Kind selbst durchklicken kann und man nicht immer weiß, wo es landet. Wir bieten einen geschützten Bereich, dem Eltern vertrauen können.

STANDARD: Wie alt sind Ihre Kinder, und was dürfen sie schauen?

Schlögl: Meine Tochter ist neun, sie schaut das ORF-Kinderprogramm nur noch am Rande, muss ich ehrlich sagen. Sie orientiert sich bereits nach oben und schaut gerne Realserien wie "Find me in Paris". Und natürlich gibt es auch den einen oder anderen Film, den wir gemeinsam auswählen, wie etwa "Ostwind". Oder die "Geschichten vom Franz" – der Film wird am 1. Jänner um 16.35 Uhr auch auf ORF Kids gezeigt und ist anschließend on demand abrufbar.

STANDARD: Und auch auf Streamingplattformen wie Netflix?

Schlögl: Ja, das haben wir mittlerweile auch zu Hause. Ich bin schon noch die klassische Fernseherin, die am liebsten linear konsumiert. Aufgrund der Sehergewohnheiten meiner Tochter musste ich mich ein bisschen umorientieren, aber dass sie sich alleine dort durchklickt, das gibt es definitiv nicht. Das fände ich als Mama nicht so beruhigend. ORF Kids werde ich sie aber schauen lassen.

STANDARD: Und bei Ihnen?

Lacina-Blaha: Meine Tochter ist gerade acht Jahr alt geworden. Durchklicken gibt es bei mir auch nicht. Sie schaut das ORF-Kinderprogramm. Was sie auch sehr mag, sind Shows wie "Dancing Stars". Wir haben das zu Hause als Event inszeniert, als gemeinsamen Fernsehabend mit Popcorn. Das finde ich schön. Und sie schaut sich auch die "ZiB Zack Mini" an. Bei ORF Kids werde ich ihr die Verantwortung übertragen, dass sie sich hinsetzen und durchklicken kann, und sagen: Such dir die Sendung aus.

Schlögl: "Dancing Stars" kann ich bestätigen, aber auch etwa "Klein gegen Groß". Solche Familienshows gemeinsam zu sehen ist ein besonderes Feeling.

STANDARD: War Kika, der Kanal der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland, das Vorbild bei der Konzeption von ORF Kids?

Schlögl: Er ist inhaltlich genau auf unserer Linie, wir haben auch Koproduktionen, die wir in Kika ausstrahlen. Ehrlicherweise kann man es aber nicht vergleichen. Kika bekommt sein Programm aus ganz Deutschland von allen öffentlich-rechtlichen Stationen und hat um einiges mehr Budget als wir. Aufgrund der Rahmenbedingungen kann ORF Kids kein zweiter Kika sein, so realistisch müssen wir sein. Wir wollen österreichisches, eigenproduziertes Programm bieten.

Lacina-Blaha: Wir haben immerhin in den sechs Monaten der Konzeption mit viel Herzblut 14 Eigenproduktionen geschafft. Noch im Juni sind wir vor einem leeren Papier gesessen.

Schlögl: Yvonne setzt einen Teil der Produktionen mit ihrem "ZiB Zack Mini"-Team um, und wir haben auch externe Firmen, die für uns arbeiten, sonst hätten wir das nicht alles so schnell umsetzen können. So viele Menschen und Firmen wie jetzt wollten noch nie beim Kinderprogramm mitarbeiten. Das zeigt, welche Bedeutung es hat.

STANDARD: Und ein Teil des Programms kommt aus dem Haus, gespeist von anderen Redaktionen?

Schlögl: Wir bekommen von der Religion mit der Serie "Weltenbummler" ein Format, das Weltreligionen beleuchtet. Mit der Kultur und dem RSO gibt es Gespräche oder mit der Wissenschaft, die ihre Mitarbeit angeboten hat. Wir werden sehen, was noch kommt.

Lacina-Blaha: Ich finde es schön, dass Menschen aus dem Haus und außerhalb des Hauses mitarbeiten wollen. Wir hatten schon lange den Wunsch nach mehr Sendefläche und arbeiten mit Kinderfragen wie "Wo hört das Weltall auf?" bis zu "Warum heißt der Muskelkater Muskelkater?". Wir wollten das breiter aufstellen. Jetzt haben wir diese Möglichkeit mit mehreren Formaten.

STANDARD: Wie lange dürfen die Formate auf der Plattform ORF On dann verfügbar sein?

Schlögl: Die Eigenproduktionen dürften unbegrenzt zur Verfügung stehen, wobei wir das wahrscheinlich redaktionell so steuern werden, dass wir sie nach ein paar Wochen austauschen. Bei Serien ist es anders, da hängt es von den Lizenzen ab.

STANDARD: Der Gesetzgeber gibt vor, dass ORF Kids ein Vollprogramm ist, das rund um die Uhr Programm zu senden hat. Finden Sie das nicht auch ein eigenartiges Signal an die Kinder, dass sie theoretisch durchgehend schauen können?

Lacina-Blaha: Die Verantwortung liegt bei den Eltern. Das Programm ist auf Abruf, aber ich verstehe, dass die Frage kommt.

Schlögl: Meine spontane Idee dazu wäre gewesen, in der Nacht nicht für die Kinder, sondern für die Eltern Retro-Kinderprogramm zum Wiedersehen zu senden.

STANDARD: Welche Kindersendung haben Sie am liebsten geschaut?

Schlögl: Damals gab es nicht allzu viel, und ich habe alles gesehen, was es gab. Vom "Kasperl" bis zu "Am Dam Des". Was gab es noch?

Lacina-Blaha: "Die Sendung mit der Maus" zum Beispiel.

Schlögl: Ja, ich erinnere mich noch an Serien, die ich geliebt habe wie der "Pumuckl", "Pan Tau", "Flipper" und Klassiker wie "Biene Maja", "Heidi" oder "Wickie". Ich war kein Kind, das nicht fernsehen durfte. Oder "1, 2 oder 3". Das waren Formate, die wir heute noch senden und die immer noch erfolgreich sind.

Lacina-Blaha: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich habe alles geschaut, was es gegeben hat.

STANDARD: In welche Richtung wird es inhaltlich gehen? Geht es auch um gesellschaftsrelevante Themen wie Gendern, Klima, Politik?

Lacina-Blaha: Die Herausforderung ist, den dramaturgischen Bogen zu spannen: Von der Frage, welches Faschingskostüm ziehe ich an, den Pinguin oder den Löwen? Und wie ist das jetzt mit der Klimakrise bisher? Und betrifft mich das? Wir haben auch eine Sendung, die "Klimakrach" heißt, wo es um die Auswirkungen des Klimas geht. Die "ZiB Zack Mini" ist täglich mit diesen Themen befasst und ordnet sie ein. Sie wird künftig auch die Erstausstrahlung um 17.55 Uhr auf ORF Kids haben und am nächsten Tag dann in ORF 1 um 6 und um 8 Uhr in der Früh. Beim Format "Ganz Ohr" greifen wir auch Kinderfragen auf und suchen die Antworten für sie. Thematisch kann hier alles dabei sein. Unsere Aufgabe ist es, den Kindern die Welt zu präsentieren und ihnen zu helfen, sie einzuordnen. Natürlich darf der Spaß nicht zu kurz kommen. Ich möchte nicht, dass man sich denkt: Oh, was ist mit dieser Welt los? Es soll leichte, lustige Sachen geben, um durchatmen zu können.

Schlögl: Es geht um spielerische Wissensvermittlung – etwa bei "Klimakrach", wo es eine Puppe namens Waldemar gibt, die sicher für Jüngere ansprechend ist. Ob es um die richtige Hühnerhaltung geht oder darum, was es für das Klima bedeutet, wenn wir mit Flugzeugen und Schiffen Obst und Gemüse importieren. Das sind für alle Altersgruppen wichtige Themen. Wir wollen Fakten spielerisch verpacken. Und mit Humor garnieren.

Lacina-Blaha: Wir haben auch einen Talk, um den Kindern die Gelegenheit zum Mitdiskutieren zu geben. Unsere Vision ist es, Kindern nicht nur Programm zu bieten, sondern sie einzubeziehen. Ihnen eine Stimme zu geben und ihre Themen sichtbar zu machen.

Schlögl: Dann haben wir noch das Format "So denkt das junge Österreich". Das ist eine Straßenumfrage, wo die Meinung der Kinder zu unterschiedlichen Themen eingeholt wird.

Lacina-Blaha: Die "ZiB Zack Mini" arbeitet ja immer wieder monothematisch. Jetzt hatten wir etwa das Thema Zukunft über Essen oder Fortbewegung. Das haben wir mit Kindern gedreht und sie einbezogen.

STANDARD: Wie viel kann man Kindern auf der Nachrichtenebene zumuten, wenn es um Weltpolitik, Krieg und andere Katastrophen geht? Ist das eine Frage der Dosis oder eher, wie man es präsentiert?

Lacina-Blaha: Es kommt sehr auf die Dosis an. Wir setzen in der "ZiB Zack Mini" sehr auf unsere Erklärvideos. Das ist ein wichtiges Element, um komplexe Themen gut aufbereiten zu können. Sie sind optisch schön, man hat eine gewisse Distanz, kann sie aber gut nachvollziehen. Man möchte die Kinder zwar vor vielen Dingen schützen, das ist aber oft der falsche Weg. Wenn man etwas über die Welt weiß, kann man sich eine Meinung bilden. Das ist unsere Aufgabe. Wichtig ist, dass am Ende des Beitrags keine Fragen offenbleiben. Ich möchte nicht, dass ein Kind nach der "ZiB Zack Mini" dasitzt und sich denkt: Oje! Und wenn wir merken, dass ein Thema zu groß ist, dann packen wir es in eine monothematische Sendung. Wir müssen den Kindern aber auch sagen: Leider Gottes, so ist die Welt.

STANDARD: Wie oft kann man Kinder mit solchen Nachrichten konfrontieren?

Lacina-Blaha: Wir achten sehr auf die Mischung. Bei einem anhaltenden Konflikt möchte ich nicht wie die "Zeit im Bild" tagesaktuelle Details liefern. Wir schauen uns ganz genau an, wann es wieder Kinder betrifft. Muss das ein Kind wissen? Ist es zumutbar? Und ist diese Geschichte erzähl- und erklärbar? Das sind unsere Parameter. Bei monothematischen Sendungen, die sich etwa mit einem Krieg auseinandersetzen, kann man natürlich am Ende der Sendung keinen "Rausschmeißer" machen, damit das Kind schmunzelt. Was man aber machen muss, ist das Einordnen. Den Sack zumachen. "Und wenn ihr noch Fragen habt, dann könnt ihr uns schreiben." – Diese Botschaft ist uns sehr wichtig. Das machen tatsächlich sehr viele Kinder, das Postfach ist voll. So kann man auch als Reaktion auf Unklarheiten reagieren.

STANDARD: Die Themen müssen den Kindern erklärbar sein. Was kann man nicht thematisieren, weil es zu komplex und nicht begreifbar ist?

Lacina-Blaha: Ganz schwierig ist das Thema Missbrauch. Das ist ein höchst sensibles Thema, das wir nicht mit nur einem Beitrag abhandeln würden, sondern mit einer ganzen Sendung beleuchten müssen. Und zum Beispiel auch Rat auf Draht bitten, uns ein Interview mit Tipps zu geben. Mit wem spricht man? Wo holt man sich Hilfe? Das ist eine große Verantwortung. Aber diesen Dingen muss man sich stellen. Vermutlich gibt es kein Thema, das wir nicht aufgreifen würden, wenn es Kinder betrifft.

STANDARD: Haben Sie dann den Prozess gegen Florian Teichtmeister thematisiert?

Lacina-Blaha: Das haben wir nicht. Wir haben aber eine monothematische Sendung gemacht: Was ist, wenn mich jemand angreift? Wie gehe ich damit um? Oder wie ist das mit den Fotorechten? Wann darf jemand Fotos von mir machen? Dann haben wir punktuell Beiträge gemacht, die auf der Metaebene stattfinden, um den Kindern zu erklären: He, ihr habt Rechte. Das ist dein Körper, du kannst über ihn bestimmen. Die Bandbreite ist sehr groß, um solche Themen für Kinder aufzurollen. Nur einen aktuellen Fall zu thematisieren bringt einem Kind nicht wirklich etwas. Wir verrichten die Bergwerksarbeit und klopfen das Thema frei.

Schlögl: Es soll nicht Angst auslösen, sondern Lösungsansätze bieten.

Lacina-Blaha: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, und wie ich vorhin schon gesagt habe: Man darf ein Kind nicht mit Fragen zurücklassen. Das ist ein schmaler Grat. Auch die Geschichte, die auch uns als Kind beschäftigt hat: Was ist mit dem Mann mit dem weißen Auto, der Kinder mitnimmt? Das Thema Kindesentführungen: Berichtet man darüber, wenn es einen Verdacht gibt, oder macht man das eben auf einer übergeordneten Ebene, dass man nicht mit Fremden mitgehen darf. Mir ist es lieber, man lässt den Anlassfall raus.

STANDARD: Die Science Busters werden sich in ihrem Format Fragen widmen wie: Kann man Popcorn rauchen? Eine Frage, die viele beschäftigt, vielleicht als kleiner Spoiler. Kann man Popcorn rauchen?

Schlögl: Die Formulierungen kommen von Martin Puntigam persönlich. Das ist mit Humor versehen. In dieser Folge geht es um Stickstoff. Was passiert, wenn man Popcorn in flüssigen Stickstoff taucht? Das wurde mit unterschiedlichen Dingen ausprobiert. Mit einer Rose, mit einem Würstel oder eben Popcorn. Die Rose, die selbst viel Wasser enthält, erstarrt zu Eis. Popcorn wiederum zerspringen nicht, weil sie selbst kein Wasser enthalten. Also, Popcorn rauchen ist ein Stickstoffversuch. Es geht nicht um das klassische Rauchen, denn Rauchen hat im Kinderprogramm nichts verloren.

STANDARD: Das heißt, Sie werden Kinder damit nicht auf blöde Ideen bringen?

Schlögl: Nein, und damit das ja nicht der Fall ist, haben wir vorne, zwischendurch und hinten einen Hinweis, dass sie es nicht nachmachen sollen. Wir nehmen das sehr genau und sind verantwortungsbewusst. Die Kinder werden das nicht nachmachen, die haben sicherlich auch keinen Stickstoff zu Hause. In dieser Sendung handelt es sich um wissenschaftliche Experimente und nicht um Mitmachprogramme für Kinder. (Oliver Mark, 29.12.2023)