Es wird ein bewegtes Jahr werden am Arbeitsmarkt. Widersprüchliche Entwicklungen werden sich 2024 verschärfen: zunehmende Arbeitslosigkeit bei zunehmendem Mangel an (Fach-)Personal. Weitergehendes Händeringen um Arbeitskräfte und gleichzeitig Automatisierung und Abbau, dort, wo es geht – immerhin ist ein durchschnittliches Lohnplus von über acht Prozent bei, wie heißt es so schön, Minuswachstum der Wirtschaft zu verkraften. Oder: enormer Bedarf an Aufschulung und Weiterbildung bei gleichzeitig eingefrorenen Budgets. Pensionierungswellen der Babyboomer mit parallel sinkendem Nachschub an Jungen, steigenden Recruitingkosten und Phänomenen im Bewerbungsprozess wie Ghosting.

Dass junge Menschen schneeflockenartig unbelastbar, sogar faul seien, ist lediglich bequem für die ältere Generation, die gerne alles zack, zack so erledigt hätte, wie es geschmeidig wäre.
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Unternehmen haben nebst jeweiliger interner Adaption an die Bedürfnisse einer neuen Arbeitswelt nach Flexibilität eine Reihe von Dilemmata aufzulösen und nebenbei auch noch neue Reportingqualitäten zu liefern, was ihre ökologische und soziale Wirkung betrifft. Das verlangt das sogenannte ESG-Regime (Environmental Social Governance). Dazu sind nun auch Daten zu liefern, was die geschlechtsspezifische Entlohnung betrifft – die EU-Lohntransparenzrichtlinie ist beschlossen und steht nationalstaatlich zur Umsetzung an, inklusive Entschädigungszahlungen und Strafen.

Viele Verbesserungen

Es ist zu erwarten, dass sich der Schlagabtausch um die Arbeitszeit im Nationalratswahlkampf verschärfen wird und damit die Stimmen der Arbeitnehmervertretungen noch einmal forscher werden.

Aus der Perspektive der Arbeitenden ließe sich konstatieren: Es sind viele Verbesserungen auf dem Weg, beim Ringen um die Macht haben tendenziell die Arbeitnehmer den Vorteil. Nicht alle in allen Branchen, aber viele in vielen Branchen.

Flexibilisierung, Individualisierung, Remote Work, Digitalisierung und lebensphasengerechtes Arbeiten sind echte Trends. Darüber liegen aber auch Narrative, die falsche Trends sind.

Vorsichtiges Urteilen

Etwa der Trend zum Unglücklichsein. Demnach werden alle immer unglücklicher in der Arbeit. Festgemacht an Einzelbeispielen und Umfragen, die lediglich exakt passende Fragen stellen, hat sich das zu einem wulstigen medialen Trend aufgetürmt. Oder die Geschichte, dass die Jungen faul seien und eigentlich eh niemand mehr arbeiten will, wie kürzlich wieder The Atlantic Kim Kardashian mit ihrer Exegese aus Social Media zitierte: "No one wants to work anymore." Bei all den kreativen Wortschöpfungen wie etwa "quiet quitting" (Dienst nach Vorschrift), "bare minimum Monday" (am Montag möglichst wenig hackeln) oder "coffee badging" (wenn es halt sein muss ins Büro, aber nur zum Einstempeln und auf ein paar Kaffee) ist es eigentlich kein Wunder, dass Menschen zu diesem Schluss kommen. Wahrer werden solche Social-Media-Blasen damit aber nicht.

Dass junge Menschen schneeflockenartig unbelastbar, sogar faul seien, ist lediglich bequem für die ältere Generation, die gerne alles zack, zack so erledigt hätte, wie es geschmeidig wäre. Wenngleich dieses Narrativ in seiner Wirkung fatal ist: All jene zu verunglimpfen, die anders arbeiten wollen als ein vermeintlich ewig gültiger Leistungsimperativ es für alle vorgibt, ist perfid und fortschrittsfeindlich.

Insofern sollten wir alle auch vorsichtig sein mit unseren Urteilen und uns die Mühe der Differenzierung machen. Denn der Trend ist nicht immer dein Freund. (Karin Bauer, 26.12.2023)