Der Feuerwehreinsatz in Oberösterreich, der zu einer harschen Abschiebediskussion führte, liegt inzwischen eine Woche zurück. Am vergangenen Mittwoch brannte vor der Asylwerberunterkunft in Steyregg ein Müllcontainer – mutmaßlich entzündet von einem oder mehreren der rund 120 minderjährigen Bewohner des ehemaligen Co-Hotels am Rande der oberösterreichischen Stadtgemeinde.

Jugendliche, die um das Feuer tanzten, hätten die Löscharbeiten behindert und weibliche Einsatzkräfte belästigt, schilderte die Freiwillige Feuerwehr. Im Bericht der Polizei, die etwas später eintraf, ist hingegen von Übergriffen auf Feuerwehrfrauen keine Rede. Auch in den Tagen davor hatte es vor Ort Feueralarme gegeben.

Feuerwehren in Steyregg beim CoHotel, Asylunterkunft der BBU
Flüchtlinge und Einsatzkräfte vor dem Co-Hotel in Steyregg: In den Tagen um Weihnachten mussten Feuerwehr und Polizei mehrfach dorthin ausrücken.
FF Steyregg

Seither herrscht Empörung in Land und Bund. Die unbegleiteten – ohne Angehörige nach Österreich geflohenen – 15- bis 17-jährigen Burschen, großteils aus Syrien und Afghanistan, hätten ihr Recht auf ein Hiersein verwirkt, meinen in Steyregg viele. Sie erhalten Unterstützung in sozialen Medien sowie aus der FPÖ, die in Oberösterreich gemeinsam mit der ÖVP regiert. Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) forderte "Konsequenzen" ein, um "für Recht und Ordnung zu sorgen".

Jugendliche großteils sich selbst überlassen

Wie aber konnte es zu dem Chaos vor dem Heim überhaupt kommen? Was sind die Ursachen? Kenner des heimischen Asylwesens wundern sich nicht. "Im Grunde habe ich schon seit Monaten auf so etwas gewartet", sagt Lukas Gahleitner von der NGO Asylkoordination. Auch dass es gerade im Heim der Bundesbetreuungsagentur (BBU) für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Steyregg zu solchen Problemen gekommen ist, sei wenig überraschend.

In dem Ex-Hotel nämlich seien über die Feiertage "120 Jugendliche mit Fluchterfahrungen großteils sich selbst überlassen worden". Zwar sei das, so Gahleitner, nicht aus bösem Willen geschehen: "Die BBU macht, was sie kann." Doch fehlende Unterbringungsalternativen in den Bundesländern, aber auch in den eigenen BBU-Bundes-Grundversorgungsquartieren hätten die Lage eskalieren lassen. Hinzu kämen Probleme bei der Personalsuche. Am Abend des Containerfeuers in Steyregg waren etwa für die 120 Jugendlichen nur zwei Betreuungspersonen anwesend.

Heizungspanne trug zu Quartierknappheit bei

Tatsächlich musste die BBU etwa im heurigen Herbst ihr UMF-Heim Mariabrunn in Wien räumen – ein mit Stadt und Bezirk lange vereinbarter Schritt. Das ehemalige Hotel in Steyregg füllte die dadurch entstandene Lücke im Quartierangebot. Dann jedoch stellte sich heraus, dass es im UMF-Heim der BBU im Kärntner Finkenstein zu einer Heizungspanne gekommen war, die auf die Schnelle nicht behoben werden konnte. Das Heim ist bis dato nicht belegbar. Das erhöhte den Druck, in Steyregg mehr Jugendliche unterzubringen. Auch drei weitere BBU-Einrichtungen für allein geflohene Minderjährige in Reichenau, Korneuburg sowie im Lager Traiskirchen sind gut gefüllt.

Warum aber muss die Bundesbetreuungsagentur BBU derart mit Unterbringungsplätzen in Großquartieren herumjonglieren – zumal BBU-Sprecher Thomas Fussenegger betont, dass "so viele Jugendliche langfristig nicht in solchen großen Einheiten untergebracht werden sollten"? Es hat mit einem strukturellen Problem im österreichischen Asylwerber-Versorgungssystem zu tun. Dieses ist im Vergleich zu etlichen anderen EU-Staaten zwar einigermaßen gut aufgestellt – doch in der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger herrscht akuter Geldmangel. Das hat dazu geführt, dass gerade in Hinsicht auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die mehr Betreuung als erwachsene Asylsuchende bräuchten, notorischer Quartiermangel herrscht.

Halb so viel Geld wie für Kinder aus Österreich

Konkret erhalten Quartiergeber pro unter 18-jährige Person und Tag derzeit maximal 95 Euro – zum Vergleich: Für einen Erwachsenen ohne besonderen Betreuungsbedarf können 25 Euro pro Tag in Rechnung gestellt werden. Die Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden seit sieben Jahren nicht erhöht, auch Inflationsanpassungen gab es nicht.

Auf dieser Grundlage seien UMF-Wohnprojekte nicht finanzierbar, sagt Christoph Riedl, Asylexperte der Diakonie. In der Kinder- und Jugendhilfe für Minderjährige aus Österreich betragen die Tagsätze das Doppelte. "Dabei ist der Betreuungsbedarf bei jugendlichen Flüchtlingen sogar höher", sagt Riedl: "Das sind Minderjährige, die auf ihrer Flucht oft Unsägliches erlebt haben und intensive Fürsorge sowie Therapien brauchen."

Die Zahl dieser Kinder und Jugendlichen in Österreich ist überschaubar. Rund 1.900 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befinden sich derzeit bundesweit in der Grundversorgung. 1.350 von ihnen sind in Wohnprojekten untergebracht, die die Bundesländer zur Verfügung stellen und von NGOs oder auch Wirten betrieben werden.

Es geht um 400 Minderjährige

Die restlichen etwa 550 Minderjährigen leben in Grundversorgungsquartieren der BBU wie etwa in Steyregg – wobei rund 400 von ihnen ebenfalls bereits in Länderversorgung sein sollten: Der Bund, und damit die BBU, ist nur unmittelbar nach einem Asylantrag für die Versorgung eines Flüchtlings zuständig, egal ob es sich um eine minderjährige oder um eine erwachsene Person handelt. Sobald ein Asylverfahren läuft, haben die Bundesländer die Betreuung zu übernehmen.

Für diese 400 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fehlen geeignete Wohnplätze in den Bundesländern. Kleinteilige Projekte mit guter Betreuung sind um 95 Euro pro Tag wirtschaftlich nicht tragfähig, daher bringt die BBU sie notgedrungen in Großquartieren unter. Das führt zu Verwerfungen und hat wohl auch in Steyregg mit zum Flüchtlingstumult beigetragen. Im September 2023 haben die Landesflüchtlingsreferentinnen und -referenten das Innenministerium aufgefordert, die Tagsätze für UMF auf 121 Euro zu erhöhen. Im Dezember haben sie das erneuert. Aus dem Innenministerium hieß es am Mittwoch, man sei mit den Ländervertretungen in ernsthaften Verhandlungen. (Irene Brickner, 3.1.2024)