Wolfgang Katzian, Präsident, Österreichischer Gewerkschaftsbund
"Lohnnebenkosten sind Lohnbestandteile: Der Beitrag der Arbeitgeber zur Krankenversicherung, der Beitrag der Arbeitgeber zur Pensionsversicherung", so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.
Heribert Corn

Das Wachstum in Österreichs Wirtschaft kehrt 2024 zurück, bleibt aber hinter den bisherigen Erwartungen. Das prognostizierten das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) bereits Ende Dezember. Ging das Wifo im Oktober noch davon aus, dass das BIP um 1,2 Prozent zulegen wird, lag die Wachstumserwartung zwei Monate später nur noch bei 0,9 Prozent.

Die Inflation soll 2024 zwar zurückgehen, in Österreich aber immer noch über dem Euroraumdurchschnitt liegen. Als Inflationstreiber gelten unter anderem die hohen Lohnabschlüsse, zuletzt haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft im Handel auf eine Erhöhung der Gehälter um durchschnittlich 8,43 Prozent geeinigt.

ÖGB-Präsident zufrieden mit Herbstlohnrunde

Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), zeigte sich am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" zufrieden mit der diesjährigen Herbstlohnrunde. Das Ziel sei gewesen, entlang der rollierenden Inflation gute Kollektivvertragsabschlüsse zu machen. Es gebe dieses Jahr echte Reallohnzuwächse, "da haben wir einiges richtig gemacht", so Katzian.

Der Weg dahin war allerdings steinig, gerade die Abschlüsse im Handel erforderten mehrere Verhandlungsrunden und brachten zunehmende Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern mit sich. Die Arbeitgeber würden die Beschäftigten im Handel behandeln "wie einen nassen Fetzten", erklärte der ÖGB-Präsident etwa nach einer Verhandlungsrunde Ende November. "Sozialpartnerschaft ist etwas Freiwilliges und kann nur funktionieren, wenn man das Visavis ernst nimmt. Die Angebote für den Handel waren von großer Respektlosigkeit geprägt", erklärte Katzian seine Aussage am Mittwoch gegenüber Ö1.

Angesprochen auf die Signa-Insolvenzen, wollte Katzian noch keine Gesamtbeurteilung abgeben. Man müsse schauen, wie die Dinge weitergehen, es gebe einiges aufzuklären. Der ÖGB-Präsident geht jedenfalls davon aus, dass es entsprechende Untersuchungen auf parlamentarischer Ebene wie auch im Rahmen der Finanzbehörden geben wird. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass jede Insolvenz eine Katastrophe für die Kolleginnen und Kollegen, die dort beschäftigt sind, sei. "Am Ende des Tages sind es die Leute, die ihren Arbeitsplatz und damit die Existenzgrundlage verlieren", so Katzian.

Katzian gegen Senkung der Lohnnebenkosten

Einer Senkung der Lohnnebenkosten, wie sie aus Wirtschaftskreisen gefordert wird, erteilt Katzian eine klare Absage: "Das mit den Lohnnebenkosten geht mir jetzt schon wirklich am Hammer", meinte er gegenüber Ö1. "Lohnnebenkosten sind Lohnbestandteile: Der Beitrag der Arbeitgeber zur Krankenversicherung, der Beitrag der Arbeitgeber zur Pensionsversicherung." Dinge, die die Gewerkschaft im Lauf von Jahrzehnten erkämpft habe. "Das machen wir sicher nicht."

Zu alternativen Ideen für eine Ankurbelung der Konjunktur verwies Katzian auf den Zehnpunkteplan des ÖGB. Primär müsse die Inflation gesenkt werden. Weitere Maßnahmen wären eine Förderung für den gemeinnützigen Wohnbau, der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Netzinfrastruktur, der Ausbau der Kinderbetreuung sowie eine Qualifizierungsoffensive im AMS, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und insgesamt der Ausbau des Industriestandortes. "Ich will, dass Österreich ein Industrieland bleibt, aber dafür müssen wir auch schauen, wie wir die Transformation aufgrund der Klimakrise gut gestalten."

In diesem Zusammenhang fordert Katzian auch einen Gipfel mit der Bundesregierung und den Sozialpartnern. Auch vor der kommenden Nationalratswahl müssten Weichen gestellt werden, um die Konjunktur anzukurbeln. Über die Aufstellung der SPÖ in diesem Bereich wollte Katzian nicht sprechen, die Partei würde sich aber gut vorbereiten.

Kritik von Wirtschaft und Neos

Kritik an Katzians Aussage kam am Mittwoch vonseiten der Wirtschaft. "Wer meint, er bekenne sich zum Industriestandort Österreich, aber eine Lohnnebenkostensenkung sei nicht nötig, hat den Ernst der Lage nicht erkannt", reagierte etwa Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Nur durch eine Reduktion der Lohnnebenkosten werde es Betrieben möglich sein, Arbeitskräfte auch in Zeiten von flauer Auftragslage zu behalten.

Eine "massive Senkung der Lohnnebenkosten" fordert auch die Industriellenvereinigung (IV) in einer Aussendung. "Die derzeitige Struktur des österreichischen Steuer- und Abgabensystems belastet den Faktor Arbeit überdurchschnittlich hoch. Das wirkt wachstumshemmend und setzt falsche Anreize für die aktive Teilnahme von Menschen am Wertschöpfungsprozess", betonte Christoph Neumayer, Generalsekretär der IV.

Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger ortet die Verantwortung für die derzeitige Arbeitslosenquote von 7,8 Prozent bei SPÖ-geführten Bundesländern. Wien, Kärnten und das Burgenland weisen höhere Zahlen auf als andere Länder. "Reine Lippenbekenntnisse zum Wirtschaftsstandort angesichts der Verluste an Wettbewerbsfähigkeit durch die Lohnpreisspirale reichen nicht mehr aus, und die Rezession in Teilen der Wirtschaft ist echt und muss dringend eingedämmt werden", so Egger, der für eine Senkung der Lohnnebenkosten plädiert.

Die Neos wiederum sehen mehrere Möglichkeiten, bei nicht arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten einzusparen. Vorschläge habe die Partei bereits eingebracht, betonte Neos-Wirtschafssprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. "Die Wirtschaftskammer-Umlage zwei kann man ersatzlos streichen, denn sie geht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nichts an." Auch bei der Wohnbauförderung und Arbeitslosenversicherung gebe es Spielraum, so Loacker.

Oberösterreichs AK-Präsident fordert höhere Körperschaftssteuer

Wenig Freude bei Wirtschaftsvertretern wird wohl auch die Forderung von Oberösterreichs Arbeiterkammer-Präsident Andreas Stangl auslösen. Dieser meinte, die Senkungen der Körperschaftssteuer 2023 und 2024 müssten zurückgenommen werden. Denn die Schieflage im Steuersystem sei nach wie vor besonders hoch, und durch die Senkung würden dem Staat pro Jahr mehr als 1,1 Milliarden Euro entgehen.

"Beschäftigte und Konsument:innen zahlen beinahe 80 Prozent aller Steuern. Nur 1,4 Prozent stammen von Vermögen. Damit liegt Österreich nur auf dem fünftletzten Platz im Vergleich der 38 Mitgliedsstaaten der OECD. Auch Unternehmen tragen im Vergleich zu anderen Staaten in Österreich besonders wenig bei", begründete Stangl seinen Vorstoß. (mae, APA, 3.1.2024)