Vergangenen Herbst wurde es vielen in Österreich etwas leichter ums Herz. Die Inflation ist langsam, aber stetig etwas zurückgegangen – auch in Österreich. Im November war es dann mit der spürbaren Entspannung vorbei. Die Inflation betrug weiterhin 5,3 Prozent – nur um 0,1 Prozentpunkte weniger als im Oktober. Und war somit immer noch weitaus höher als im Rest der Eurozone. Da wurden Waren und Dienstleistungen nur um vergleichsweise moderate 2,4 Prozent teurer. Daran hat sich wenig geändert – im Gegenteil. Im Dezember lag die Inflation laut Schnellschätzung der Statistik Austria sogar wieder bei 5,6 Prozent (im Vergleich zum Vorjahresmonat, Anm.), ist also wieder gestiegen. Vor allem Strom, der im Dezember vor einem Jahr durch die Strompreisbremse günstiger geworden ist, wirke nun im Jahresvergleich nicht mehr preisdämpfend, erklären die heimischen Statistiker. "Außerdem schwächten die Treibstoffpreise die Inflation deutlich weniger ab als in den Monaten zuvor", so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. Auch im Euroraum legten die Preise im Dezember um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Der Abstand bleibt also groß.

Standortproblem

Die großen heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS sehen dies als veritables Problem. "Die Inflation ist nicht nur ein soziales Problem, sondern es wird für Österreich immer mehr zum Standortproblem", warnte IHS-Chef Holger Bonin anlässlich der Präsentation der Konjunkturprognose im Dezember. Der Inflationsunterschied zu den anderen europäischen Ländern würde sich nur langsam verringern.

Eine Beschäftigte in einem Supermarkt an der Kassa. 
Das Leben ist teuer geworden. Hierzulande gilt das ganz besonders.
APA/GEORG HOCHMUTH

Bonin und Wifo-Chef Gabriel Felbermayr forderten unisono von der Regierung einen stärkeren Fokus auf die Inflationsbekämpfung, etwa durch eine Senkung der staatlichen Ausgaben. Außerdem wünschen sich die beiden Ökonomen angebotsseitige Strukturreformen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken und das Produktivitätswachstum anzukurbeln.

Das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut hat sich den Preisanstieg von Ende August bis Ende November 2023 angeschaut. Die Daten bestätigen, was ohnehin jeder spürt: Das Leben ist trotz des Abflachens der Inflationsraten teuer geworden. Auch im Gesamtjahr 2023 liegt Österreich mit seiner Teuerung deutlich über dem Durchschnitt. Der heimische Preisanstieg im Jahr 2023 (bis Ende November 2023) ist demnach mit 5,2 Prozent höher als der Durchschnitt der Eurozone (3,3 Prozent) und der EU (3,7 Prozent).

In Österreich ist die Inflation sehr viel höher als im Rest der Eurozone
Teuerung Österreich und Eurozone.
Momentum Institut

Der österreichische Preisanstieg sei der dritthöchste von den zwanzig Ländern der Eurozone und der siebenthöchste von den 27 EU-Ländern, berechnet das Momentum-Institut. Für Chefökonom Oliver Picek ist klar: "Österreich hat zu wenig und zu spät auf Preisbremsen gesetzt. Es hat Übergewinne in Branchen zugelassen, die massiv die Preise erhöht haben – auch um die eigenen Gewinne zu steigern. Der wirtschaftliche Preis dafür ist die höchste Inflationsrate im politischen Westeuropa", meint Picek. Die Verlängerung der Strompreisbremse bis Ende 2024 hält er für richtig und wichtig, "doch für Gas und Fernwärme fehlt eine Preisbremse". Das hätte dazu geführt, dass die Gaspreise für Haushalte hierzulande mit 23,2 Prozent am stärksten in der gesamten EU gestiegen seien.

Video: Inflation im Dezember auf 5,6 Prozent gestiegen.
APA

Hohe Gaspreise

Im EU-Schnitt seien hingegen die Gaspreise im abgelaufenen Jahr um 20,9 Prozent billiger geworden, im Euroraum sogar um knapp ein Viertel (minus 24,6 Prozent). Im Großhandel seien die Gaspreise wieder auf Normalniveau, an die Konsumenten und Konsumentinnen würden die niedrigeren Preise aber nur zögerlich weitergereicht. Zur Erinnerung: Auf europäischer Ebene ist mit einem Höchstpreis für Gas ein Deckel gegen extreme Preisausschläge eingezogen worden. Auf einen Preiseingriff nach Art der Strompreisbremse wurde hingegen nach langen Debatten verzichtet. Ein Argument dagegen lautete etwa: Dann müsste man auch Besitzer von Brennholz-, Fernwärme- oder Pelletsheizungen unterstützen. Die Strompreisbremse nütze hingegen allen Haushalten.

Die Gaspreise sind hoch
Österreichische Verbraucher spüren den Anstieg bei den Gaspreisen besonders deutlich.
Momentum Institut

Nicht allen Haushalten nützt bekanntlich die Mietpreisbremse, die nach langen Debatten dann zumindest in abgeschwächter Form gekommen ist. Heuer werden bekanntlich die Kategoriemieten nicht angehoben. Ab 2025 greift die Mietpreisbremse auch bei Richtwertmieten, freie Mieten werden hingegen nicht angetastet. Lückenhaft sei die Maßnahme, urteilt das Momentum-Institut und fordert: Die Mietpreisbremse müsse auch für private Mietverträge kommen. Österreich sei bei den Wohnungsmieten 2023 mit einer Erhöhung von durchschnittlich 9,3 Prozent das Land mit dem fünfthöchsten Preisanstieg in der gesamten EU, so das Momentum-Institut. In den Ländern, die eine Mietpreisbremse eingeführt hätten, seien die Mieten weniger stark gestiegen: In Spanien liege der Anstieg bei 2,1 Prozent, der EU-Schnitt der Mieterhöhungen liege mit drei Prozent ebenfalls deutlich unter dem österreichischen Wert.

Mieten sind deutlich gestiegen
Die Mietpreisbremse kam spät und erfasst nicht alle Mieten.
Momentum Institut

So weit, so unerfreulich. Doch wie geht es nun weiter? Die Inflationsrate soll heuer auf 4,0 (Wifo) beziehungsweise 3,9 Prozent (IHS) sinken und damit weiterhin deutlich über dem prognostizierten Eurozonenschnitt sowie dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent liegen. Die Inflation in Österreich dürfte damit 2024 und 2025 um knapp einen Prozentpunkt höher sein als im Euroraum – unter anderem wegen der hartnäckigen Teuerung bei Industriegütern, Nahrungsmitteln und vor allem Dienstleistungen. Was ist nun zu tun?

Monika Köppl-Turyna vom industrienahen Forschungsinstitut Eco Austria sieht das ähnlich wie die Chefs von Wifo und IHS. Der Unterschied zum Rest der Eurozone sei ein Problem für die Wettbewerbsfähigkeit. Sie verweist auf Zweitrundeneffekte durch die Lohnerhöhungen. "Eine Senkung der Lohnnebenkosten könnte die Kaufkraft sichern und gleichzeitig eben die Lohnstückkosten nicht steigen lassen." Für die von der Teuerung besonders betroffenen Gruppen (primär nicht erwerbstätige Personen) gelte es, "natürlich weiterhin gezielt (zu) helfen" – ohne Gießkanne, mit gezielten Auszahlungen. Hanno Lorenz vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria warnt vor Wahlzuckerln, die die Inflation erneut anfachen könnten. "Das gilt auch für Konjunkturprogramme, wo viel Geld in die Hand genommen wird, welches aber nicht nur die Wirtschaft, sondern eben auch die Preise anfeuern würde." Anders als das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut rät man vor "Markteingriffen zur Preisbekämpfung" strikt ab, "da diese die Inflation nur verstecken, aber nicht beseitigen".

Vielmehr gehe es nun darum, Maßnahmen zu setzen, die die Produktion, also das Angebot, erhöhen, damit die Preise sinken. Lorenz denkt dabei etwa an den "Abbau von Bürokratie und die Stärkung des Wettbewerbs durch den Abbau von Regulierungen wie Gebietsschutz, Gewerbeordnung, aber auch durch Anreize zu mehr Unternehmensgründung, privatem Wagniskapital oder Forschung". Dass davon im Wahljahr 2024 etwas in Angriff genommen wird, könnte ein Wunschtraum bleiben. (Regina Bruckner, 5.1.2024)