Metallarbeiter schweißt Platten zusammen
In Deutschland wird aktuell eine Reduktion der Arbeitszeit von 35 auf 32 Wochenstunden in der Metallindustrie diskutiert.
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Ein großer Knackpunkt bei der Umsetzung einer Viertagewoche für möglichst viele Beschäftigte sind die Jobs in der Produktion und Industrie. Während in Büros am Donnerstag einfach Schluss gemacht werden kann, gibt es in der Fertigung Schichten, die Arbeit geht laufend weiter. In der Diskussion um allgemein kürzere Arbeitszeiten stehen viele produzierende Betriebe diesen eher skeptisch gegenüber.

Gerade hat die bayerische Metall- und Elektroindustrie vor den Folgen einer tariflichen Viertagewoche gewarnt. In einer Mitgliederbefragung sollen 29 Prozent der 396 befragten Unternehmen den Arbeitgeberverbänden VBM und Bayme mitgeteilt haben, sie würden "Arbeitsplätze sicher ins Ausland verlagern", würde die Viertagewoche bald eingeführt werden. Weitere 50 Prozent würden dies "ernsthaft in Betracht ziehen". Außerdem: Werde die tarifliche Viertagewoche mit 32 Wochenstunden in Deutschland eingeführt, würden 15 Prozent der Unternehmen der Umfrage zufolge die Tarifbindung beenden und zusätzlich 48 Prozent ein Ende in Betracht ziehen.

Dass viele Unternehmen mit Abwanderung und dem Verlust von Stellen drohen, kommt für den Arbeitsrechtsexperten Michael Trinko vom Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) wenig überraschend. "Wenn es um mehr Lohn oder kürzere Arbeitszeit geht, gibt es oftmals eine natürliche Abwehrhaltung seitens der Arbeitgeber", sagt er. "In Deutschland wird aber eine Reduktion der Arbeitszeit von 35 auf 32 Wochenstunden in der Metallindustrie diskutiert, hierzulande liegt die Normalarbeitszeit in dieser Branche bei 38,5 Stunden." Vereinzelt gebe es aber auch schon heimische Unternehmen, die eine Viertagewoche mit weniger Wochenstunden bei vollem Lohn umgesetzt hätten – und davon nicht mehr abrücken wollen. Und diese sind quer durch alle Branchen vertreten – vom Handwerk bis zur Fertigung.

Verdichten statt Verkürzen

Doch nicht überall, wo mit einer Viertagewoche geworben wird, sind auch weniger Wochenstunden gemeint. Während sich Beschäftigte von einer Viertagewoche meist eine Arbeitszeitreduktion versprechen, verstehen Unternehmen darunter oft ein Zusammenschieben der Arbeitsstunden. Im vergangenen Jahr wurde dieser Ansatz auch von einigen Betrieben getestet, beispielsweise beim Motorradhersteller KTM oder beim Handelskonzern Lidl in Österreich. Langfristig hat sich die Arbeitsverdichtung dort nicht bewährt.

Auch in Belgien, wo Ende 2022 ein Recht auf eine Viertagewoche bei gleicher Arbeitszeit eingeführt wurde, sei dieses Modell laut Medienberichten gescheitert. Eine Untersuchung des auf Personalwesen spezialisierten Unternehmens Securex ergab, dass das Angebot kaum genutzt werde. Lediglich 0,45 Prozent der belgischen Beschäftigten hätten seit der Einführung umgesattelt. Nur jüngere Arbeitnehmende im Alter zwischen 20 und 30 Jahren freute der neue Beschluss merklich: 50 Prozent nahmen die Viertagewoche bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit an. Der belgische Arbeitsminister äußerte nun, dass das Recht auf Wahlfreiheit zwischen vier und fünf Arbeitstagen nur ein zusätzliches Angebot für mehr Flexibilität sei. Er rät Betrieben, künftig eine tatsächliche Verkürzung der Arbeitszeit zu testen.

Blick zum Nachbarn

Eine Arbeitsverdichtung sei auch laut Trinko auf Dauer keine Lösung: "Der zusätzliche Tag ist dann dringend notwendig, wenn die Arbeitstage regulär zehn und mit Überstunden sogar zwölf Stunden dauern." Mit der Forderung des Gewerkschaftsbundes nach einer Arbeitszeitverkürzung habe dieser Ansatz "nichts zu tun". Wie genau eine Reduktion der Wochenstunden in der Praxis umgesetzt werde, sei laut dem Arbeitsrechtsexperten aber eine individuelle Entscheidung. "Es gibt viele verschiedene Modelle, die in den Betrieben zum Einsatz kommen. Im Endeffekt geht es uns einfach um weniger Arbeitszeit, ob das neue Stundenpensum dann über vier oder fünf Tage verteilt wird, spielt dabei eine untergeordnete Rolle."

Argumente für eine kürzere Arbeitswoche lieferten in den letzten Jahren bereits einige Studien: Geringe Fluktuation, weniger Krankenstände, mehr Wohlbefinden und das bei meist gleichbleibender oder gar gesteigerter Produktivität lautet das Fazit. Eine neue Möglichkeit, dies zu erreichen, testet nun der italienische Konzern Lamborghini. Seit Anfang Dezember wird bei dem Automobilhersteller abwechselnd einmal fünf und einmal vier Tage pro Woche in zwei Schichten gearbeitet. Auf das Jahr gerechnet ergeben sich dadurch zusätzlich 22 freie Tage für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der neue Vertrag betrifft 2.100 Beschäftigte und sieht 500 Neueinstellungen vor.

Und auch bei unseren deutschen Nachbarn startet im Februar ein großangelegter Versuch: Eine Beratungsagentur und die Initiative "4 Day Week Global" untersuchen in einem Pilotprojekt sechs Monate lang 50 Unternehmen und die Auswirkung einer verkürzten Arbeitswoche. Im Beirat des Projekts sind auch Vertetende der IG Metall, des Arbeitgeberverbandes BDA sowie des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Konkret soll untersucht werden, welche Auswirkungen die Umstellung auf die Produktivität der Arbeitnehmenden hat. Mitmachen können auch österreichische Betriebe, hieß es vorab in einer Aussendung. Ein bundesweiter Pilotversuch steht hierzulande aber bislang noch aus. (Anika Dang, Melanie Raidl, 8.1.2024)