Blick auf das Gebäude des Supreme Courts in Washington
"Equal justice under law", gleiches Recht unter dem Gesetz, steht auf der Fassade des Gebäudes des US-Höchstgerichts in Washington.
Foto: Reuters / Kevin Wurm

In einem Urteil, das von Beobachterinnen und Beobachtern als "Bombe", "Sprengstoff" und "ein gewaltiger Moment für die Demokratie" beschrieben wurde, beantwortete der Oberste Gerichtshof von Colorado die Frage, ob der frühere US-Präsident Donald Trump 2024 auf den Stimmzettel kommt, mit Nein. Mit einer Mehrheit von vier zu drei entschied das Gericht im Dezember, dass Absatz 3 des 14. Zusatzartikels, dem zufolge "Aufrührer" keine zentral- oder bundesstaatlichen Ämter innehaben dürfen, Trumps Schicksal besiegelt.

Diese Entscheidung folgt der Feststellung eines untergeordneten Gerichts, dass Trump Ende 2020 und Anfang 2021 wissentlich und vorsätzlich versucht hat, die ordnungsgemäße Übergabe der Macht zu stören. Er hat falsche Behauptungen über einen angeblichen Wahlbetrug aufgestellt, seine Anhängerinnen und Anhänger aufgefordert, die Auszählung der Stimmen zu manipulieren, und war an einem Plan beteiligt, zertifizierte Wahlmänner durch falsche Pro-Trump-Kandidaten zu ersetzen. Nach Ansicht des Gerichts kommen diese Handlungen einem aktiven Aufstand gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten gleich.

In einem Atemzug

Aufgrund dieser Handlungen wird Trump nun in einem Atemzug mit früheren Regierungsmitgliedern genannt, die nach der Gründung der Konföderierten Staaten von Amerika in den Jahren 1860 und 1861 den Austritt ihrer jeweiligen Bundesstaaten aus der Union erklärt hatten. Ihr gescheiterter Versuch mündete in einem langen und blutigen Konflikt. Das Ende des Bürgerkriegs (1861–65) wurde mit einem Paket von Verfassungszusätzen besiegelt, die manchmal als Amerikas "zweite Gründung" bezeichnet werden: der 13. Verfassungszusatz, der die Sklaverei abschafft, der 15. Verfassungszusatz, der die Rassenbeschränkungen bei den Wahlen aufhebt, und der 14. Zusatz, der "jeder Person" bundesstaatliche Rechte auf ein rechtsstaatliches und faires Verfahren gewährt und in Absatz 3 als zusätzlichen Schutz der Demokratie Aufrührer von öffentlichen Ämtern ausschließt:

"Niemand darf Senator oder Abgeordneter im Kongress oder Wahlmann für die Wahl des Präsidenten oder Vizepräsidenten werden, irgendein ziviles oder militärisches Amt im Dienste der Vereinigten Staaten oder eines Einzelstaates bekleiden, der, nachdem er [...] auf die Einhaltung der Verfassung der Vereinigten Staaten vereidigt worden ist, an einem Aufstand oder Aufruhr gegen sie teilgenommen oder ihre Feinde unterstützt oder begünstigt hat."

Auch Präsidentenamt?

Beide Gerichte in Colorado waren sich einig, dass Trump "an einem Aufruhr" teilgenommen habe. Ihre rechtlichen Analysen jedoch gingen auseinander. Das Bezirksgericht hielt es für unmöglich, Trump von der Teilnahme an den Vorwahlen in Colorado auszuschließen, weil die Präsidentschaft nicht unter den Begriff "Amt" falle. Der Oberste Gerichtshof Colorados bezeichnet diese Auslegung als absurd.

Diesem Gericht zufolge umfasste die offensichtliche Bedeutung des Wortes "Amt" bei der Abfassung des Verfassungszusatzes ohne jeden Zweifel auch das Präsidentenamt. Außerdem wäre es nach Ansicht des übergeordneten Gerichts auch unsinnig, anzunehmen, die Verfasser des Artikels hätten eidbrüchige Aufständige von jedem Amt ausschließen wollen, außer dem mächtigsten Amt im Staat. Sicher glaubt niemand, Jefferson Davis, der ehemalige Präsident der Konföderation, der zuvor als Senator und Kriegsminister geschworen hatte, die US-Verfassung zu verteidigen, wäre geeignet, US-Präsident zu werden. Das Kongressprotokoll, in dem die Debatten über den Zusatzartikel dokumentiert sind, stützt diese Auslegung eindeutig.

Genug Spielraum

Noch ist das letzte Wort in dieser Kontroverse nicht gesprochen. Anfang Februar wird sich der Supreme Court damit befassen. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten mit seiner extrem konservativen Mehrheit hat genug Spielraum, um das Urteil aus Colorado zu kippen. Er könnte die Feststellungen beider bundesstaatlicher Gerichte in Bezug auf Trumps Teilnahme an einem Aufruhr zurückweisen. In der Regel folgen höhere Gerichte jedoch den Feststellungen der untergeordneten Gerichte. Schließlich müssen sie sich im Berufungsverfahren auf Protokolle verlassen und können das Verhalten von Zeugen oder andere Hinweise auf deren (mangelnde) Glaubwürdigkeit nicht so beurteilen, wie es bei der ersten Beweisaufnahme möglich ist.

Es gibt aber weitere offene Fragen. Zum Beispiel hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten nie darüber entschieden, ob Absatz 3 "selbstvollziehend" ist oder ob es einer gesetzgebenden Maßnahme des US-Kongresses bedarf, bevor er angewendet werden kann. Der Oberste Gerichtshof von Colorado argumentiert, die Bundesstaaten dürften ihre eigenen Wahlgesetze in Bezug auf einen in der Verfassung verankerten Ausschluss von Kandidaten auslegen, ohne auf Leitlinien eines Bundesgerichts zu warten.

Gorsuch-Urteil

Dabei beruft sich das Gericht sehr geschickt auf ein Urteil, das Richter Neil Gorsuch gesprochen hat, bevor er 2017 Mitglied des Höchstgerichts wurde, und das diese Auslegung unterstützt. Aber natürlich haben im Laufe der Zeit schon viele Richter ihre Meinung geändert. Ob sich das hohe Gericht einer großzügigen oder engen Definition des Begriffs "Amt" anschließen wird, kann derzeit niemand sagen.

"Es sind schwere Zeiten für die Republik."

Manche nennen den Supreme Court den "ungefährlichsten Teil" der US-amerikanischen Regierungsgewalt, weil er weder wie der Kongress den Geldhahn zudrehen kann noch wie der Präsident die Streitkräfte kontrolliert. Seine einzige Währung ist die Bereitschaft der Öffentlichkeit, seine Autorität zu akzeptieren. Diese Währung hat in letzter Zeit an Wert verloren, nicht zuletzt aufgrund mehrerer Fälle ethischen Fehlverhaltens und der schockierenden Änderung der durch das Urteil Roe v. Wade etablierten Rechtsprechung, nach der jede Frau das Recht hat, über die Fortsetzung ihrer Schwangerschaft selbst zu entscheiden.

Bei der Entscheidung, ob Trump wirklich an einem Aufruhr beteiligt war und ob Absatz 3 sich auch auf das Präsidentenamt bezieht, sollte der Supreme Court auch überlegen, ob es die schwindende Unterstützung in der Bevölkerung noch (viel) weiter aufs Spiel setzen will. Es sind schwere Zeiten für die Republik und für ein Gericht, dessen Ansehen durch den Anschein von Interessenkonflikten und politischer Einflussnahme bereits stark gelitten hat. (Richard K. Sherwin, Copyright: Project Syndicate, 11.1.2024)