Das Zusammenleben von Menschen ist heute vielfältiger als noch vor einer Generation. So genießen homosexuelle Paare die gleichen Rechte wie die herkömmlichen Mann-Frau-Verbindungen – und sind auch deshalb zunehmend sichtbar.

Um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen, müssen queere Paare jedoch eigene Wege gehen. Lesbischen Frauen zum Beispiel stehen Kinderwunschkliniken mit Samenbanken offen, deren Angebote auch Heterosexuelle nutzen, wenn es mit dem Schwangerwerden der Partnerin nicht klappt. Oder aber zwei Frauen suchen einen Samenspender in ihrem Bekanntenkreis für eine sogenannte Heiminsemination.

Lesbisches Paar mit Sohn auf einem Sofa
Frauenpaar mit Sohn: Die automatische Elternschaft ab Geburt bringt queeren Paaren auch sozialrechtlich mehr Sicherheit.
IMAGO/MASKOT

Damit ersparen sie sich das medizinische Umfeld einer Klinik, das vielfach als belastend empfunden wird. Und ist das Kind dann da, so kann es den Samenspender unkompliziert kennenlernen, wenn das so vereinbart und gewünscht wird. Wurde hingegen eine Samenbank in Anspruch genommen, geht diese Info an das Kind erst auf dessen Wunsch, wenn es 14 Jahre alt ist.

Novelle von Paragraf 144 ABGB

Bis zum heurigen Jänner hatte eine Heiminsemination für lesbische Paare aber einen gravierenden Nachteil: Nur die leibliche Mutter des Kindes galt ab Geburt als Elternteil. Ihre Partnerin musste den Nachwuchs erst im Rahmen der sogenannten Stiefkindadoption an Kindes statt annehmen. Dem stimmten die allermeisten privaten Samenspender zwar zu, doch für die queere Familie stellte es einen Unsicherheitsfaktor dar. Um ihn auszuschließen, war der Gang in die Kinderwunschklinik für Frauenpaare also alternativlos.

Ab 2024 ist das für verheiratete oder eingetragene Frauenpaare nun anders. Grund dafür ist eine Novellierung von Paragraf 144 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB), der die Abstammung eines Kindes regelt. Egal ob der Nachwuchs in der Klinik oder daheim gezeugt wurde, gelten in lesbischen Familien nun beide Frauen ab Geburt des Kindes rechtmäßig als Eltern.

Damit wurde die Folgewirkung einer seit 2015 geltenden Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes saniert, die erstmals eine Elternschaft weiblicher gleichgeschlechtlicher Paare regelte. Aus themabezogenen Gründen kam darin die Heiminsemination nicht vor – also musste im Fall einer Heiminsemination die nicht gebärende Partnerin das Kind erst adoptieren. Die Stiefkindadoption war gleichgeschlechtlichen Paaren schon davor durch den Verfassungsgerichtshof eröffnet worden.

Paar aus Wien ging zum Verfassungsgerichtshof

Erreicht wurde die jetzige Verbesserung für etliche Familien – genaue Zahlen, wie viele Frauenpaare mit Kindern in Österreich leben, gibt es nicht – durch ein in eingetragener Partnerschaft lebendes Frauenpaar aus Wien. "Wir waren zuerst in einer Kinderwunschklinik, haben aber nach einigen erfolglosen Versuchen festgestellt, dass wir uns mit dieser Art, ein Kind zu zeugen, nicht wohlfühlen", berichtet Luca F. "Als wir es dann zu Hause mit einem privaten Samenspender versucht haben, war meine Frau gleich schwanger."

Am 18. Dezember 2019 kam ihr durch Heiminsemination gezeugtes Kind auf die Welt, zwei Monate lehnte der Wiener Magistrat den Antrag der Partnerin, als Elternteil ins Zentrale Melderegister eingetragen zu werden, ab. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigte diese Entscheidung.

Diese wollten die zwei Frauen nicht auf sich sitzen lassen. Unterstützt von der Wiener Rechtsanwältin Doris Einwallner wandten sie sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Auch den Höchstrichtern kamen bei der Beschwerdeprüfung Bedenken ob der Ungleichbehandlung verschiedener Frauenpaare. Sie starteten ein Prüfverfahren, das im August 2022 mit der Aufhebung des Paragrafen 144 ABG in der damaligen Form endete.

Anwältin: Österreich bei LGBTIQ-Gleichstellung "ziemlich weit"

Begründung: Die Notwendigkeit einer Stiefkindadoption von Kindern, die privat gezeugt wurden, diskriminiere die betroffenen Frauenpaare und widerspreche dem Recht auf Privat- und Familienleben laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dem Gesetzgeber wurde bis Ende 2023 Zeit für eine Reparatur gegeben. Am 16. Dezember letzten Jahres beschlossen ÖVP und Grüne sowie SPÖ und Neos die Paragraf-144-Reform. Dagegen war nur die FPÖ.

Sehr erfreut über diese Änderung ist Barbara Schlachter vom Verein zur Unterstützung von Regenbogenfamilien, Famos. Auch sozialrechtlich bringe sie für die betroffenen Paare große Erleichterung, sagt Schlachter: "Davor konnte die Partnerin der Mutter weder Elternzeit beantragen, noch war die rechtliche Situation geklärt, sollte es vor der Adoption zu einer Trennung kommen oder der leiblichen Mutter etwas zustoßen."

Insgesamt sei Österreich nach dieser Novelle bei der Gleichstellung queerer Familien "schon ziemlich weit", kommentiert wiederum Anwältin Einwallner. In Deutschland etwa sei in dieser Frage noch nichts entschieden worden. Auf eine Stiefkindadoption ihres Wunschkindes seien hierzulande jetzt nur noch schwule Männer angewiesen, deren Kind von ihrem Partner gezeugt wurde und durch eine Leihmutter auf die Welt gekommen ist. (Irene Brickner, 8.1.2024)