Frau sitzt am Sofa, isst ein Nutellabrot. Hunde wollen es ihr wegschnappen.
Junge schätzen Homeoffice oft, da es besser mit dem Privatleben vereinbar ist. Aber auch Ältere mögen die Ruhe beim Arbeiten zuhause.
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Wenn Biologie und Technologie im richtigen Augenblick zusammentreffen, kann das die Welt verändern. Das dürfte der Fall beim Coronavirus sein, das vor drei Jahren die Welt in seinen Bann schlug und hunderte Millionen zwang, vom eigenen Zuhause aus zu arbeiten. Ein Jahrzehnt früher wäre das schwierig gewesen, aber dank der neuen Kommunikationssysteme wie Zoom oder Teams funktionierte es – und übertraf dabei alle Erwartungen.

Für Nicholas Bloom, Wirtschaftsprofessor an der kalifornischen Stanford University, wird Homeoffice ein fixer Bestandteil der Arbeitswelt bleiben und in den kommenden Jahren noch weiter wachsen – auch ohne Pandemie. "Die Technologie wird immer besser werden, und Technologie ist alles", sagt er im Interview mit dem STANDARD und der FAZ, das – logischerweise – über Zoom geführt wurde. "In 30 Jahren werden wir zurückschauen und sagen: Die Technologie im Jahr 2023 war so rückständig. Telearbeit wird in Zukunft noch viel einfacher werden." Das Gespräch fand im Rahmen der Digital Academy of Behavioral Economics der Beratungsfirma Fehr Advice statt. Es gebe durch diese Entwicklung sehr viele Gewinner und nur wenige Verlierer, zeigt sich der Managementexperte überzeugt.

Höhere Zufriedenheit

Die größten Gewinner seien die Arbeitnehmenden, deren Arbeitszufriedenheit durch die Möglichkeit, von daheim aus zu arbeiten, steigt. "Die meisten Menschen arbeiten sehr gerne zu Hause, zumindest zeitweise", sagt Bloom. Davon profitierten auch die Unternehmen, weil glückliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger oft den Job wechselten. Jede neue Stellenbesetzung koste einen Arbeitgeber im Durchschnitt 20.000 Dollar.

Dazu kämen die Einsparungen bei Büromieten, was vor allem in teuren Städten wie San Francisco, New York oder London wichtig sei. Diese Vorteile würden potenzielle Verluste an Produktivität mehr als aufwiegen. Schließlich sei die gesamte Gesellschaft auf der Gewinnerseite. "Es wird weniger gependelt, es gibt weniger Verkehr, und die Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern", sagt Bloom. Er rechne sogar damit, dass Homeoffice die Geburtenrate steigern werde, weil es die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert. "Die Regierungen sollten diese Chance ergreifen und massiv fördern", empfiehlt er.

Aber wie schaut es mit dem Verlust an Innovationskraft in Unternehmen aus, wenn sich die Mitarbeitenden nicht mehr an der Kaffeemaschine treffen und austauschen können? Das hänge bei den in vielen Unternehmen schon üblichen Hybridmodellen von der Zahl der Homeoffice-Tage ab, antwortet Bloom: Bei drei Tagen im Büro – vorzugsweise Dienstag bis Donnerstag – gebe es keinen Verlust an Innovation, bei zwei Tagen nur geringe. Verbringt man nur noch einen Tag gemeinsam mit dem Team oder arbeitet nur noch von zu Hause aus, dann gehe wertvolle Kommunikation verloren. "Aber dafür wird es billig."

Die Gewinnenden

Vollständige Telearbeit erlaube es auch, dass Menschen über große Entfernungen zusammenarbeiten, weil sie entweder anderswo wohnen oder unterwegs sind. "Viel von dem, was ich mache, wäre ohne Telearbeit gar nicht möglich", sagt Bloom mit Verweis auf seine wissenschaftlichen Kooperationen. Bei den Präferenzen verschiedener Altersgruppen sieht Bloom eine Art U-Form. Junge Menschen kämen gerne ins Büro, um sich auszutauschen und zu lernen, und hätten oft zu wenig Platz in ihren kleinen Wohnungen. Bei 30- bis 50-Jährigen, oft mit Kindern im Haus, sei die Präferenz fürs Homeoffice am stärksten. Sie nehme im Alter wieder etwas ab, auch weil sich manche vor der Technologie fürchten.

Doch eine große Gruppe von älteren Arbeitnehmern würden von Homeoffice am meisten profitieren: jene mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen. "Es ist viel leichter für sie, zu Hause an einem Tisch zu arbeiten und sich gelegentlich hinlegen zu können, als ins Büro zu fahren und dort den ganzen Tag im Lärm zu sitzen", sagt Bloom. "40 Stunden in der Woche im Büro zu sein ist eine Herausforderung für viele." Die meisten US-Arbeitnehmer über 60 hätten gesundheitliche Probleme, und Homeoffice hätte deren Beschäftigungsrate um fünf Prozent erhöht.

Drei Verlierer

Durch den Trend zum Homeoffice gibt es für Bloom auch drei Gruppen von Verlierern, zumindest in den USA: die Eigentümer von Büroimmobilien, deren Wert sinken wird; Großstädte, die dadurch mit weniger Steuereinnahmen rechnen müssen; und öffentliche Verkehrsmittel, die weniger genutzt werden. "Die Kosten für den öffentlichen Verkehr bleiben gleich, aber die Einnahmen sind bis zu 30 Prozent gesunken", beschreibt Bloom die finanzielle Schere, die auch den Ausbau von Öffis zu bremsen droht. "Aber insgesamt sehen wir hier einen Gewinn für die Gesellschaft." (Eric Frey, 9.1.2024)