Wollen sie, oder wollen sie nicht? Wer sich auch nur ein bisschen für Bitcoin (BTC) interessiert, blickt aktuell nach Washington. Eine wegweisende Entscheidung für die ganze Kryptobranche steht an, aller Voraussicht nach wird die US-Börsenaufsicht SEC am Mittwoch über die Zulassung eines speziellen Bitcoin-ETFs entscheiden. Die Erwartungshaltung ist groß, seit Oktober zieht der Kurs des Krypto-Aushängeschilds an und ist um rund 60 Prozent gestiegen, das Vorjahr endete mit einem Kursplus von 170 Prozent. Am Montagabend hatte der Kurs die 47.000-Dollar-Marke überschritten, aktuell notiert er etwas darunter.

Was bringt dieser neue Bitcoin-ETF? DER STANDARD hat die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Das Gros der Marktteilnehmer und Experten geht von einer Genehmigung aus. Potenzielle Emittenten börsengehandelter Fonds wie Blackrock und Ark haben geänderte Formulare eingereicht, was von Analysten als letzter Anstoß für das Angebot der Anlageprodukte angesehen wird.
REUTERS/Eric Gaillard

Frage: Was ist besonders am erwarteten Bitcoin-ETF?

Antwort: Grob heruntergebrochen kann man sagen, dieser ETF ermöglicht es, an den größten Börsen der Welt direkt in Bitcoin zu investieren. Es handelt sich um einen sogenannten Bitcoin-Spot-ETF. Das heißt, man kauft und verkauft Bitcoin zu den aktuellen Preisen und kann damit spekulieren. Bisher waren lediglich einige Bitcoin-Future-ETFs zugelassen – das sind Hebelprodukte, die den Bitcoin-Preis nachbilden. Dabei gewinnen oder verlieren Anleger nur an Kursgewinnen, halten aber die Kryptowährung nicht selbst.

Frage: Worin liegt also der Unterschied?

Antwort: Der Zugang zu Bitcoins wird deutlich vereinfacht – vergleichbar mit traditionellen Finanzprodukten wie Aktien oder Anleihen. Denn man muss sich nicht selbst um die Verwahrung in einem Wallet kümmern. Das übernimmt der Emittent des ETFs, der im Übrigen auch die tatsächlichen Coins kauft. Wer Anteile an einem BTC-ETF kauft, hält BTC also nicht direkt selbst, sondern bekommt ein Zertifikat, das besagt, dass man Anspruch auf die gekaufte Menge X hat. Das Konzept ist dasselbe wie bei einem Goldzertifikat.

Auswirkung auf den Kurs?

Frage: Was kann eine Genehmigung für den Kurs bedeuten?

Antwort: Kursprognosen sind bei Kryptowährungen immer ein bisschen wie Kaffeesudlesen. Fakt ist, dass die Spekulationen und die Hoffnung auf Zulassung seit Oktober den Preis treiben. In Expertenkreisen heißt es regelmäßig, dass zum Jahresende ein neues Allzeithoch erwartet wird, auch das Überschreiten der 100.000-Dollar-Marke ist regelmäßig Thema. "Die Einführung dieses ETFs würde Bitcoins Rolle als erste und einzige digitale Commodity bestätigen, und viele Hundert Milliarden an institutionellem Geld könnten investiert werden. Das würde bedeuten, dass es im Finanzsektor zum Karriererisiko wird, sich nicht ernsthaft mit Bitcoin zu beschäftigen", sagte Bitcoin-Experte Niko Jilch unlängst im Gespräch mit dem STANDARD. Die Zulassung hat das Potenzial, den Kurs weiter stark steigen zu lassen, eine Absage kann das Gegenteil bewirken. Fix ist das alles nicht.

Frage: Wann ist mit welcher Entscheidung zu rechnen?

Antwort: Ein genauer Zeitpunkt wurde nicht bekanntgegeben, aber spätestens am 10. Jänner, also am Mittwoch, stimmt das entsprechende SEC-Gremium ab. In Insiderkreisen heißt es, dass die Behörde vermutlich über mehrere Anträge parallel entscheiden wird. Bereits am Montag hatte eine Reihe von Investmentmanagern die Gebühren bekanntgegeben, die sie für ihre geplanten Spot-Bitcoin-ETFs erheben wollen. "Die Erwartungen der Anleger sind zu Recht hoch", sagte Ben Laidler, Stratege bei Etoro. Die Gebühren gehören in der Regel zu den letzten Details, die vor der Einführung eines ETF festgelegt werden.

Frage: Würde sich dadurch der Käuferkreis erweitern?

Antwort: Die Genehmigung wäre ein riesiger Schritt, was die gesellschaftliche Akzeptanz von Bitcoin angeht. Sie würde vor allem Vertrauen in die Anlageklasse schaffen. Bitcoin würde dadurch so richtig massenfähig und im Investmentmainstream verankert. Ein solcher ETF ermöglicht es institutionellen Investoren wie Pensionsfonds, Family-Offices oder großen Vermögensverwaltern, in die Digitalwährung zu investieren. Diesen Marktteilnehmern war das aus regulatorischen Gründen bisher zumeist nicht erlaubt. Die Käuferschicht würde also auf einen Schlag wachsen und vermutlich viel frisches Geld in den Markt schwemmen. Außerdem haben Bitcoin und andere Anlageklassen in der Vergangenheit nicht viel Korrelation gezeigt, das eigene Portfolio ließe sich somit also wirkungsvoll diversifizieren.

Frage: Geht es heuer nur um die Zulassung des ETFs? Welche Faktoren können noch eine Rolle spielen?

Antwort: Bei Kryptowährungen geht es nie nur um einen Einflussfaktor. Auch der nachlassende Zinsdruck macht den Bitcoin für Anlegerinnen und Anleger wieder attraktiver. Zudem steht im April das sogenannte Halving an, ab dem nur noch halb so viele neue Coins geschaffen werden. In der Vergangenheit führte das stets zu einer Kursrally.

Frühere Anträge

Frage: Gab es bereits früher Anträge bei der SEC?

Antwort: Zahlreiche namhafte Vermögensverwalter wie Blackrock, Fidelity, Invesco oder Wisdom Tree haben aktuell Anträge auf den börsengehandelten BTC-Fonds bei der SEC liegen. Die ersten Versuche für einen solchen ETF gab es bereits im Jahr 2013. Wegen des Risikos möglicher Marktmanipulationen wurden die Anträge aber stets abgelehnt.

Umstritten bei Fans

Frage: Der ETF gilt in der Krypto-Fanszene als sehr umstritten. Warum?

Antwort: Kritikern zufolge wird die Grundidee des Bitcoins, die Dezentralität, durch einen solchen Fonds ausgehöhlt. Von "Zähmung" oder "Unterwerfung durch das traditionelle Finanzsystem" ist immer wieder zu lesen. Bitcoin über besagten ETF zu kaufen ist bequem und einfach. Es ist die Eigenverwahrung, die viele abschreckt und gleichzeitig eine der größten Stärken der Digitalwährung darstellt. Man verwahrt die Coins selbst, braucht keinen Intermediär. Verliert man den Zugang zu den eigenen Coins, sind sie weg. Niemand hilft mit einem neuen Zugangscode aus, kann auch niemand. Dabei wollte Satoshi Nakamoto mit seiner Idee doch genau das vermeiden, nämlich dass Drittparteien mitverdienen. Der österreichische Kryptoökonom Alfred Taudes hatte einen Bitcoin-ETF im Sommer 2023 im Gespräch mit dem STANDARD hingegen als "einen Widerspruch in sich" bezeichnet: Denn viele Kritiker bemängeln, dass ein ETF weiter dazu beiträgt, das Prinzip der Dezentralität von Kryptowährungen auszuhöhlen.

Frage: Gibt es Risiken?

Antwort: Unabhängig von der Einführung des ETFs wird der Kryptomarkt hochvolatil bleiben. Wie Gold generiert Bitcoin kein Einkommen, sondern lebt von der Kursentwicklung. Der Anlagewert des Spot-ETFs ergibt sich rein aus dem BTC-Kurs. Einen rechtlichen Rahmen zum Schutz von Anlegern gibt es weiterhin nicht, auch Klarheit darüber, wie man mit Risiken wie Betrug, Kursmanipulation und Verlust umgeht, ist ausständig. Künftige Gesetze, beispielsweise neue Steuervorschriften, könnten sich negativ auf den ETF auswirken. Außerdem müssen Vermögensverwalter für ein rentables Geschäft sehr viele Coins halten, das macht sie zu einem attraktiven Ziel für Cyberkriminelle.

Frage: Ist Bitcoin noch eine Währung oder nur noch eine Anlageklasse?

Antwort: Der Bitcoin hat seine Rolle als digitales Gold manifestiert, es gibt viele Ähnlichkeiten zum begehrten Edelmetall. Beispielsweise, dass kaum jemand damit im Alltag bezahlt – auch wenn Bitcoin-Zahlungen seit der Einführung des sogenannten Lightning-Networks erheblich erleichtert und vor allem beschleunigt wurden. (Andreas Danzer, 9.1.2024)