Jodie Foster und Kali Reis in
Jodie Foster und Kali Reis in "True Detective: Night Country" – ab 15. Jänner auf Sky.
HBO/Sky

Natürlich liegt es nahe, nach Parallelen zu "Das Schweigen der Lämmer" zu suchen. Jonathan Demme verfilmte* 1991 den Thriller über eine junge FBI-Agentin und ihren Pakt mit einem teuflischen Serienkiller. Die unheimliche Anziehungskraft des Bösen wurde im Kino schnell Mode, unzählige Filme und Serien des Genres zitieren seither daraus – von "Sieben" bis "Akte X", von "Dexter" bis "Hannibal". Der Film ist Geschichte.

Auch wegen Jodie Foster, deren Rolle der Agentin Clarice Starling Ikone wurde. Mehr als 30 Jahre später ist die Oscar-Preisträgerin wieder Ermittlerin, und wieder spielen Herkunft und Motive in den Fall hinein. "True Detective: Night Country" legt unverkennbar einige Schneisen zu "Das Schweigen der Lämmer". Aus der unerfahrenen, ehrgeizigen Clarice Starling wurde die gestandene Liz Danvers, Police Officer in Ennis/Alaska, einem eisigen Ort, in dem im Winter die Sonne nie aufgeht und an den sie versetzt wurde. Tatsächlich zitiert die Serie mehrmals aus dem Film – inklusive eines schönen Quid-pro-quo-Moments in Folge drei. Vergleiche seien okay, sagt Foster, darauf angesprochen: "Ich denke, das ist in Ordnung. Ich habe nur zwei solche Rollen gespielt, und es ist jetzt 30 Jahre später. Es ist ein großartiger Film. Der Vergleich macht mir nichts aus."

Mit "True Detective" schuf HBO 2014 ebenfalls einen Ausnahmethriller. Woody Harrelson und Matthew McConaughey gingen als gegensätzliche Charaktere auf Verbrecherjagd und sahen dabei nicht nur das Böse im anderen, sondern auch in sich selbst. Zwei weitere Staffeln folgten, enttäuschten aber. Am 15. Jänner startet die vierte Staffel auf Sky. So viel vorweg: Sie ist gut, sehr gut sogar.

True Detective: Night Country mit Jodie Foster | Trailer - Staffel 4 | Sky
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Darum geht es in "True Detective: Night Country"

Was ist in der Forschungsstation Tsalal passiert? 150 Kilometer nördlich des Polarkreises findet ein Essenslieferant eine menschliche Zunge. Und sonst nichts. Acht Wissenschafter, die dort stationiert waren, sind spurlos verschwunden – fluchtartig, wie das zurückgelassene Sandwich am Tisch und der Fernseher vermuten lassen, aus dem "Twist and Shout" in Endlosschleife plärrt.

Die Wissenschafter suchten an dem unwirtlichen Ort nach dem Ursprung des Lebens. So heißt es jedenfalls, genau wissen es die Bewohner des nahe gelegenen Ortes Ennis nicht. Und auch Police Officer Liz Danvers tappt im Dunkeln, ebenso wie die Kollegin Evangeline Navarro, die dazustößt. Die beiden hassen einander bis aufs Blut, das hat mit einer Geschichte von früher zu tun und wird noch eine Rolle spielen.

Zumindest dem Beatles-Song bereitet die robuste Danvers ein abruptes Ende mit treffsicheren Schlägen auf das Gerät: "Not a Beatles fan", entschuldigt sich Danvers für ihre energische Reaktion. In Tsalal ist von Leben nichts zu finden, ganz im Gegenteil: "We are all dead", steht auf dem Flipchart. Da kommt noch mehr.

Der Aufenthaltsort der vermissten Wissenschafter wird am Ende der ersten Folge entdeckt und sorgt für den ersten Schockmoment, und das ist erst der Anfang von Ermittlungen, die umso verworrener werden, je mehr die Polizei herausfindet. Was haben die Wissenschafter mit dem ungelösten Mord an einer Ureinwohnerin zu tun, der Jahre zuvor begangen wurde? Von dem Fall ist Navarro bis heute besessen, Danvers hingegen will damit nichts mehr zu tun haben. Warum? Sind übernatürliche Dinge im Spiel? Geister der Vergangenheit, die sich im eisigen Dunkel wieder unter die Lebenden mischen? Oder hängen die Morde ganz real mit der Wasserverschmutzung durch das örtliche Bergbauunternehmen zusammen? Vielleicht ist es eine Mischung von allem?

Wer hat's gemacht?

Erstmals zeichnet nicht Nic Pizzolatto für "True Detective" verantwortlich, sondern die mexikanische Autorin und Regisseurin Issa López. Mit finsterer Spannung, lebendigen Charakteren, wohldosiertem Mysteryhorror und einem Hauch von Übernatürlichem verleiht sie "Night Country" eine Stimmung permanenter Bedrohung.

Gedreht wurde die Serie in und um Reykjavík sowie in den nordisländischen Städten Akureyri und Dalvík, wo das gesamte fiktive Dorf Ennis aufgebaut wurde – samt amerikanischer Verkehrsschilder, Schnapsladen, Tankstelle und Weihnachtsdekoration. Stimmig dazu der gesamte Soundtrack, oder gibt es einen Titelsong, der besser für "True Detective: Night Country" passen würde als Billie Eilishs "Bury a Friend"?

Die Ermittlerinnen

Die Rolle der Liz Danvers ist Foster auf den Leib geschrieben: eine hemdsärmelige Ermittlerin mit Sinn für groben Humor, die Kollegen auf sicherer Distanz hält und selbst Probleme mit der Nähe zur indigenen Stieftochter hat. Die Serie erzählt Liz' Vorgeschichte, einschließlich der Frage, warum sie als eine Art berufliche Strafe nach Ennis versetzt wurde und gezwungen war, dorthin zu ziehen.

Wie bei "True Detective" üblich, gibt es mit Evangeline Navarro eine zweite, gleichwertige Heldin. Navarro (Kali Reis) ist eine bullige State Trooper mit Inupiaq-Herkunft, die in Ennis aufgewachsen ist. Auch sie hat ihre tragische Geschichte, an der sie bis heute kiefelt.

Die Nebenfiguren

Die Kleinstadt Ennis hat eine Reihe freundlicher und weniger freundlicher Bewohner aufzuweisen. Von der ersten Sorte ist Danvers' Kollege Peter Prior (Finn Bennett), der sich als Jungvater nach Auffassung der Gattin zu sehr ums Kriminal und zu wenig um Frau und Kind kümmert. Mit Peter hat Danvers in diesem "Scheißfall" (Danvers) ihrerseits einen Auszubildenden unter sich, der nicht minder ehrgeizig und talentiert war als einst Starling in "Das Schweigen der Lämmer".

Eher in die zweite Kategorie gehört Peters Vater Hank (John Hawkes), der als Cop der alten Schule eine eigene Berufsauffassung hat. Dazwischen gibt es weitere der Tat Unverdächtige, Verdächtige und solche, die es noch werden können. Zumal die gesamte Stadt von Spukkraft und dem Glauben an übernatürliche Dinge durchdrungen scheint, dem vor allem, aber nicht nur Ureinwohner von Ennis anhängen. Ein toter Mann erscheint und zeigt auf einen symbolträchtigen Ort. Auf den Köpfen einiger Menschen und auf einem Felsen ist ein Spiralsymbol eintätowiert. In der ersten Folge, bevor die Männer verschwinden, sagt einer von ihnen kryptisch und verängstigt: "Sie ist wach."

Fazit

"True Detective: Night Country" ist in der Tradition von "Mare of Easttown", "Top of the Lake", "Vigil" und wie "Unbelievable" trotz der nicht ganz schlüssigen Auflösung endlich wieder eine gelungene Staffel: eine Psychothrillerserie, die das Geschlechterpotpourri ordentlich durcheinanderwirbelt und mit Krimistereotypen aufräumt. Es geht um Beziehungen, um Menschen, die das Leben verändert, um Herkunft, Enttäuschungen, Trauer, Wut, Verzweiflung, was dagegen hilft und natürlich um das Böse in der Welt, das es immer geben wird. Für immer und ewig. Großartig. (Doris Priesching, 15.1.2024)