Wien – Rund 2,37 Millionen Mal wurden im Jahr 2023 insgesamt 19 Volksbegehren unterschrieben. Damit sind die beiden Rekordjahre 2022 und 2021, in denen 23 Volksbegehren und damit so viele wie noch nie zur Unterschrift auflagen, nochmals übertroffen worden. In dieser Gangart geht es heuer weiter: Im kommenden März können in einer einzigen Eintragungswoche gleich 14 Volksbegehren unterstützt werden, das bestätigt das Innenministerium auf STANDARD-Anfrage. Grund für die Flut an Volksbegehren ist laut Expertinnen und Experten die Erleichterung im Jahr 2018: Seither können die Initiativen online und auf jedem Gemeindeamt unterstützt werden. Davor konnten Volksbegehren nur in der eigenen Gemeinde und nicht online unterzeichnet werden.

Plenum des Nationalrates.
Das Ziel aller Volksbegehren: 100.000 Unterschriften. Dann muss der Nationalrat die formulierte Gesetzesinitiative debattieren.
IMAGO/Martin Juen

Den Boom der direkten Demokratie sehen nicht alle positiv. Kritikerinnen vermuten hinter der Flut an Initiativen ein lukratives Geschäftsmodell. Denn den Initiatorinnen und Initiatoren steht eine fünffache Kostenrückerstattung der eingebrachten Gebühren von 3400 Euro pro Volksbegehren zu, sofern es die Grenze von 100.000 Unterschriften überschritten hat. Macht also 17.000 Euro.

Regierung will Änderung 

Den hohen Kostenerstattungen will die Regierung nun einen Riegel vorschieben. Der Grund ist, wie ÖVP und Grüne betonten, dass regelmäßig immer wieder dieselben Personen mehrere Initiativen einleiten würden. Die grüne Verfassungssprecherin Agnes Sirkka Prammer befürchtet, "dass dahinter ein wirtschaftliches Interesse steht". Man wolle nun mit einer Reform bewirken, dass das Volksbegehren nicht zu einer Art "Geschäftsmodell" verkomme, betont auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Es brauche deshalb "gesetzliche Anpassungen".

Konkrete Vorschläge seien aktuell im Innenministerium in Ausarbeitung, betont die ÖVP auf Anfrage des STANDARD. Danach solle laut der Volkspartei "ehestmöglich" das Gespräch mit allen Verfassungssprechern im Parlament gesucht werden. Denn das Volksbegehrengesetz steht im Verfassungsrang, es braucht also eine Zweidrittelmehrheit und damit auch Stimmen aus der Opposition.

Einfacherer Zugang

Die Grünen betonen auf Anfrage, dass es aktuell Gespräche mit der ÖVP gebe, um das Volksbegehren grundsätzlich noch einfacher zugänglich, aber als Geschäftsmodell unattraktiver zu machen. Auch eine Kostenerstattung nur der tatsächlich angefallenen Kosten im Zuge der Unterschriftensammlung wurde vom grünen Regierungspartner ins Spiel gebracht.

Der Politikwissenschafter Armin Mühlböck von der Uni Salzburg gibt jedoch bei Veränderungen des Gesetzes zu bedenken, dass bei einem derartigen Vorschlag in Zukunft Initiatorinnen und Initiatoren für die Unterschriftensammlung Buch über ihre Kosten führen müssten. Dies würde wiederum laut Mühlböck zu einem hohen bürokratischen Aufwand führen.

"Das schafft eine gewisse Unsicherheit bei der Einleitung eines Volksbegehrens und könnte das partizipative Instrument unattraktiver machen", erklärt der Politologe im Gespräch mit dem STANDARD. Aber: "Es fallen natürlich in letzter Zeit immer wieder gewisse Namen auf", fügt Mühlböck hinzu. Das Volksbegehren ist neben der Volksabstimmung und der Volksbefragung eines der wenigen direktdemokratischen Instrumente in Österreich. Bisher gab es 92 Volksbegehren in der Zweiten Republik. (Max Stepan, 10.1.2024)