Die Vorschläge der Grünen für eine Neugestaltung des Wiener Gürtels sind weitreichend. Mit dem am Donnerstag präsentierten "Zukunftsbild" wurde eine großflächige Neuverteilung des zur Verfügung stehenden öffentlichen Raums entlang der Hauptverkehrsader skizziert. Damit soll eine klimagerechte Neugestaltung in Zeiten des Klimawandels gelingen. Die Vorschläge seien keine konkrete Planung, "sondern eine Vision", stellte der grüne Verkehrssprecher Kilian Stark klar. Ohne große Würfe werde es aber nicht gelingen, die von der Stadt selbst auferlegten Klimaziele zu erfüllen, wie die Parteichefs Judith Pühringer und Peter Kraus darlegten. Immerhin wolle Wien den Autoverkehr bis 2030 fast halbieren.

Konkret soll nach den Vorstellungen der Grünen der Gürtel irgendwann mit zwei Autospuren pro Fahrtrichtung das Auslangen finden, notwendige Abbiegespuren soll es weiterhin geben. Das sei laut Kraus das finale Ziel, dem aber auch verschiedene Zwischenschritte und Etappen vorangehen können. Derzeit gibt es abschnittsweise bis zu vier Fahrspuren – und weitere für Autos reservierte Flächen in Form von Stellplätzen. Derzeit brettern nach Angaben der Grünen täglich rund 70.000 Autos über den Gürtel. Der frei werdende Platz soll Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Radfahrenden zugutekommen: So ist auch ein 3,5 Meter breiter, durchgängiger Radweg auf beiden Seiten des Gürtels in den Plänen enthalten. Derzeit müssen sich Radler teils auch mit schmalen Radfahrstreifen zufriedengeben: Die Strecke verläuft mal auf einer Seite des Gürtels, mal auf der anderen.

Die Vision der Grünen sieht vor, dass am Gürtel irgendwann nur noch zwei Fahrspuren pro Richtung für Autos und Lkws zur Verfügung stehen. Stattdessen soll es breite Radwege in beiden Richtungen, mehr Platz für Fußgänger und mehr Grün geben.
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Die Vorschläge der grünen Oppositionspartei basieren auf einer Studie des Stadtplanungsbüros Bauchplan, der Landschaftsplanerin Gisa Ruland sowie des Mobilitätsforschers Harald Frey von der TU Wien. Der Fokus wurde auf den Abschnitt zwischen Gumpendorfer Straße und Alser Straße gerichtet. In diesem Bereich könnten auch 1.500 neue Bäume gepflanzt werden, die für ein angenehmes Aufenthaltsklima und mehr Schatten sorgen sollen. Das wäre in etwa eine Verdopplung des bisherigen Baumbestands.

So stellen sich die Grünen künftig den Gürtel in Sichtrichtung Allgemeines Krankenhaus (AKH) mit zahlreichen neuen Bäumen vor.
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Im Bereich des Westbahnhofs ist etwa eine riesige Radabstellanlage mit 1.100 überdachten Fahrradparkplätzen und einer Stadtterrasse angedacht. Der Vorplatz des Westbahnhofs soll autofrei werden, dazu sind zahlreiche Begrünungsmaßnahmen vorgesehen. Auch die Wiederbelebung der im Jahr 1989 eingestellten Straßenbahnlinie 8 entlang des Gürtels ist ein Thema: Damit könnte die U6 zusätzlich entlastet werden. Mit der Realisierung der bereits im Bau befindlichen U5, die über den Gürtel Richtung Westen geführt wird, ist in einigen Jahren ebenfalls mit einer Entspannung für die U6 zu rechnen.

Zwischen Gumpendorfer Straße und Alser Straße sollen 1.500 neue Bäume gepflanzt werden. Die Aufenthaltsqualität entlang der Gürtelbögen soll auch mit zahlreichen neu gestalteten Verweilflächen attraktiviert werden.
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"Wer kann, scheut den Gürtel", sagte Parteichefin Pühringer am Donnerstag. "Niemand hat sich drübergetraut, das Problem wirklich anzupacken." Um die Verkehrsader attraktiv zu machen und für mehr Lebensqualität für die Anrainerinnen und Anrainer zu sorgen, sei "Mut und Innovation" gefragt. Verkehrssprecher Stark erinnerte an die selbst gesteckten Klimaziele der Stadt Wien. "Die erfüllen sich nicht von selbst." Konkret sollen etwa die Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, von derzeit 26 Prozent im Modal Split auf 15 Prozent reduziert werden. Und das in wenigen Jahren, nämlich bis 2030. Die CO2-Emissionen im Mobilitätssektor sollen bis 2030 um die Hälfte sinken, und zwar im Vergleich mit dem Wert von 2005.

Schwedenplatz im Dornröschenschlaf

Die Grünen befinden sich seit der Wien-Wahl 2020 in Opposition. Davor hatten sie – zunächst unter Bürgermeister Michael Häupl, dann unter Nachfolger Michael Ludwig (beide SPÖ) – insgesamt zehn Jahre lang das Verkehrs- und Planungsressort inne. In diesem Zeitraum wurden auch Projekte mit schönen Renderings vorgestellt, die (noch) nicht realisiert wurden. Die Pläne zur großen Umgestaltung des Schwedenplatzes wurden etwa im Jahr 2016 präsentiert: Diese sahen einen Boulevard samt Pflanzung von 160 großen Gingko-Bäumen entlang der Straße sowie eine Absiedlung der Tankstelle und des Busparkplatzes vor.

Die Wiener SPÖ verwies in einer ersten Reaktion auf die vorgestellten Gürtelvisionen der Grünen auf die geplante Umgestaltung der äußeren Mariahilfer Straße, die stadtauswärts zur Einbahn werden soll. Der Gürtel selbst bleibe die Hauptverkehrsachse im Westen und Süden Wiens und sei eine tragende Säule für den Verkehr, "der nicht auf Öffis, Rad oder Zu-Fuß-Gehen verlagert werden kann". Wie die Pläne der Stadt für die kommende Umgestaltung des Gürtels aussehen, ist offiziell noch nicht bekannt. Auch die Wiener ÖVP widmet sich übrigens dem Gürtel und will ihre Pläne zur Neugestaltung am 22. Jänner vorstellen. (David Krutzler, 11.1.2024)