Die Stadt Wien will die Einfahrt in die Innenstadt beschränken. Für die Kontrolle ist ein Überwachungssystem mit Kameras vorgesehen. Dafür braucht es eine Änderung der Straßenverkehrsordnung – die vorerst vom Bund aber nicht geplant ist.
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Die Wiener Innenstadt soll verkehrsberuhigt, die Zahl der Ein- und Ausfahrten signifikant beschränkt werden. Diese Pläne kündigt die Stadtregierung seit mehr als drei Jahren an. Nur: Maßnahmen wurden bisher keine gesetzt. Das hat auch damit zu tun, dass Wien gerne ein Überwachungssystem mit Videokameras installieren möchte. Nur so würden sich die Einfahrtsbeschränkungen wirksam kontrollieren lassen, argumentiert die rot-pinke Stadtkoalition.

Um eine Kontrolle mittels Videoüberwachung rechtlich umsetzen zu können, ist aber eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) notwendig. Und für diese ist die türkis-grüne Bundesregierung zuständig. Wiens Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) fordert die notwendige Novelle seit Jahren vom Bund ein und warf der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler Untätigkeit vor. Die Ministerin verwies im Gegenzug auf datenschutzrechtliche Bedenken, die es zu beachten gebe.

Mitte Oktober 2023 folgte der vermeintliche Durchbruch: Das Verkehrsministerium teilte mit, dass sich ein entsprechender Entwurf zur nächsten StVO-Novelle "in regierungsinterner Abstimmung" mit der ÖVP befinde. Darin war auch eine Verankerung der Zufahrtskontrolle mittels Kameralösung vorgesehen. Knapp drei Monate später sind die Pläne aber wieder Geschichte: Denn wie DER STANDARD in Erfahrung bringen konnte, ist ein kamerabasiertes Überwachungssystem kein Thema der kommenden 35. StVO-Novelle. "Die Verankerung einer automationsunterstützten Überwachung von Fahrverboten ist nicht Gegenstand dieses Entwurfs", heißt es auf Anfrage aus dem ÖVP-Klub im Parlament.

Zwar bestätigt die ÖVP in einer Stellungnahme, dass ein derartiger Vorschlag des Verkehrsministeriums regierungsintern vorliege. "Dieser soll aber aufgrund der komplexen datenschutzrechtlichen Vorgaben und kompetenzrechtlicher Fragen zuvor in einer Expertenrunde auf seine Praktikabilität hin geprüft werden." Darauf habe sich Türkis-Grün verständigt. Für die Stadt Wien ist das freilich ein Rückschlag: Eine Kameralösung für die geplante Zufahrtsbeschränkung wird vorerst nicht ermöglicht.

Acht Ein- und Ausfahrten sollen wegfallen

Wie berichtet planen SPÖ und Neos als Maßnahme für den Klimaschutz, dass künftig nur noch Anrainer sowie Wirtschaftstreibende, Taxis, Lieferanten, Öffis und einige wenige weitere Ausnahmen ohne Einschränkungen vom Ring in die Innenstadt einbiegen dürfen. Ausnahmen soll es auch für Autofahrerinnen und Autofahrer geben, die eine Garage ansteuern: Diese können dort auch länger parken. Alle anderen, die möglicherweise auch irrtümlich in die City gefahren sind, müssen den Ersten binnen 30 Minuten wieder verlassen, ansonsten soll gestraft werden. Die aktuell 34 Ein- und Ausfahrten sollen um acht auf 26 verringert werden.

DER STANDARD

Die Kameras sind bei den Ein- und Ausfahrten in die City sowie bei den Parkgaragen geplant. Diese erfassen die Autokennzeichen und gleichen diese in einer Datenbank ab. Ein Beispiel: Fährt ein Nichtanrainer in die Innenstadt und steuert binnen 30 Minuten eine Parkgarage an, hat er durch die Überwachung mit den Kameras keine Verwaltungsstrafe zu befürchten. Längeres Parken auf öffentlichen Stellplätzen an der Oberfläche wäre aber für Nichtanrainer mit den neuen Regeln passé. Sima erhofft sich, dass durch die Maßnahmen künftig rund 30 Prozent weniger Autos an Werktagen in die City einfahren. Das hätten Schätzungen des von der Stadt beauftragten Verkehrsplanungsbüros Traffix ergeben.

Ohne eine StVO-Novelle, die die rechtlichen Hürden für eine Kameralösung beseitigt, sind Zufahrtsbeschränkungen vorerst für Wien aber kein Thema. Einer Zwischenlösung – also neue Zufahrtsregeln, aber ohne Videoüberwachung – erteilte Stadträtin Sima zudem bereits eine Absage. Ihre Vorgängerin, die grüne Verkehrsstadträtin Birgit Hebein, hatte noch vor der Wien-Wahl 2020 ein Modell vorgeschlagen, das die Überwachung von Einfahrtsverboten durch die Polizei vorgesehen hätte. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erteilte diesen Plänen aufgrund rechtlicher Bedenken aber eine Absage.

Mit den geplanten Zufahrtsbeschränkungen vom Ring in Richtung City sollen auch zahlreiche öffentliche Parkplätze in der Innenstadt obsolet werden. Die Stadt will diese umgestalten. Offizielle Pläne dafür gibt es aber noch nicht.
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24 Städte in Österreich für StVO-Reform

Laut ÖVP-Parlamentsklub wird das Ziel, eine Grundlage für ein City-Zufahrtszonenmanagement mit Videoüberwachung zu schaffen, weiterverfolgt. Eine Umsetzung wäre aber erst nach dem grünen Licht durch eine Expertenrunde und mit einer 36. StVO-Novelle möglich. Die Einladung zur Runde soll "an all jene ergehen, die mit der Einrichtung oder Vollziehung der Bestimmungen betraut wären, wie etwa Städtebund, Gemeindebund, Wirtschaftskammer etc.", wie es von der ÖVP heißt. Das Verkehrsministerium sagte in einer Stellungnahme, dass es "selbstverständlich für uns in Ordnung" sei, "wenn sich der Regierungspartner im Vorfeld mit Expertinnen und Experten austauschen möchte".

Die Haltung des Städtebunds ist bereits bekannt: Zuletzt teilte dieser im Oktober des Vorjahres mit, dass bereits 24 Städte in Österreich "automatisierte Ein- und Zufahrtskontrollen nach italienischem Vorbild" – also mit Kameras – fordern würden. Neben Wien sprechen sich demnach auch die Landeshauptstädte Graz, Salzburg, St. Pölten, Linz, Bregenz und Innsbruck für die Möglichkeit der Schaffung solcher Kontrollen aus. Auch die Wiener Wirtschaftskammer unterstützt die Forderung nach einer StVO-Reform.

Im Fall Wiens würde es bis zu einer Umsetzung auch nach einer 36. StVO-Novelle noch weitere Jahre dauern: Denn die Videoüberwachungssysteme müssten auch noch öffentlich ausgeschrieben werden. Hier ist dann mit weiteren zwei bis zweieinhalb Jahren bis zur Inbetriebnahme zu rechnen. (David Krutzler, 10.1.2024)